Stanislaw Wiza. Ein Bunzlauer Keramikfabrikant und Freund der Bundesheimatgruppe

Veröffentlicht von Peter Börner am

Die Bundesheimatgruppe Bunzlau erhielt von Heimatfreund Jürgen Kaulisch (Tröblitz) nach dessen Besuch des Bunzlauer Keramikfestes 2016 eine interessante Broschüre in polnischer Sprache, die sich eingehend mit der Entstehung dieses Festes befasst und speziell mit der Rolle, die der Tiefenfurter Keramiker Stanislaw Wiza dabei gespielt hat. Da wir Herrn Wiza während zahlreicher Siegburg-Besuche als Förderer und als Nutznießer der Städtepartnerschaft Siegburg – Bunzlau (Bolesławiec) und als zuverlässigen Freund und Unterstützer der deutschen Bunzlauer kennengelernt haben, baten wir einen anderen Heimatfreund, Herr Ferdinand Idasiak (Mannheim u. Bunzlau), für uns diesen und einen anderen polnisch sprachigen Text über Stanislaw Wiza durchzusehen und auszuwerten. Daraus ist der folgende Aufsatz entstanden, in den zusätzlich eigene Erkenntnisse der Heimatgruppe eingeflossen sind. Wir danken Herrn Kaulisch und Herrn Idasiak herzlich für ihre Bemühungen. Ohne den Einsatz dieser Heimatfreunde wäre die folgende Würdigung einer echten Bunzlauer Persönlichkeit nicht entstanden. Wir empfehlen diese bemerkenswerte schlesische Vita allen Lesern der Heimatzeitung zur Lektüre. Denn im Leben von Stanislaw Wiza verbinden sich zwei die Wirklichkeiten des heutigen Bunzlaus in Stadt und Kreis, die deutsche und die polnische, auf eine ermutigende und sympathische Weise.

Stanislaw Wiza / Tiefenfurt (Parowa )

Ein Keramiker der Spitzenklasse aus dem Kreis Bunzlau vollendete am 28. April 2018 das 89. Lebensjahr

Der Verkaufsstand von Herrn Wiza auf dem Siegburger Keramikmarkt.

Stanislaw Wiza ist vermutlich der älteste unter den aktiven Keramikunternehmern Polens und ganz gewiss im Bunzlauer Ton-Fördergebiet. Obwohl längst im Ruhestand, arbeitet er nach wie vor. Über seine Anwesenheit in den Produktionshallen der Ceramika Artystyczna “Wiza“ in Tiefenfurt (Parowa) wundert sich keiner der Beschäftigten. Und dort ist er nicht Beobachter, sondern nimmt immer noch Teil am Produktionsgeschehen. Nahezu alle jüngeren Mitarbeiter können ihn um seine Energie beneiden. Ohne Übertreibung darf man sagen: Keramik – das ist für Stanislaw Wiza Leben und Leidenschaft.

Und das hatte das Schicksal so entschieden. Denn der junge Stanislaw hatte niemals vor, Keramiker zu werden. Gemäß Familientradition war er zum Landwirt bestimmt. Aber diese Tätigkeit lag ihm nicht, und so beschloss er, Müller zu werden. Auch davon kam er ab und entschied sich für eine akademische Laufbahn. Er wollte Abitur machen und studieren. Die Kriegsjahre haben diese Pläne über den Haufen geworfen. Erst nach dem Krieg besuchte er ein berufsorientiertes Gymnasium. Dort  konnte er unter verschiedenen Fachrichtungen wählen: Bergbau, Hüttenwesen oder Keramik. Er wählte das Letztere, weil er – wie er einmal sagte – davon keine Ahnung hatte. „Unbekanntes zu erforschen, könnte ein fantastisches Abenteuer werden“, meinte er. Da hat er sich nicht geirrt.

Stanislaw Wiza wurde am 28. April 1929 östlich von Posen in einem kleinen Ort namens Ośno Górne geboren, verbrachte dort seine Kindheit, ging in die Volkschule und erlebte die Kriegsjahre. 1945, nach dem Krieg, stand er vor der Frage: im vertrauten Heimatort auf dem Lande bleiben oder hinausfahren zu „den Schulen“? Er hat sich für das Unbekannte entschieden. Zuerst ging es nach Bad Charlottenbrunn (Jedlina) bei Waldenburg (Walbrzych), dann nach Bolkenhain (Bolkow) an das Fachgymnasium für Keramik, das im Laufe seiner Lernzeit in eine Keramik-Fachschule umgewandelt wurde. Dort machte er 1952 seinen Abschluss als Keramiker-Techniker.

Die Berufslaufbahn begann er in einer Töpferei in Thorn (Torun). Nach knapp einen Jahr kehrte er nach Niederschlesien zurück. Nach Waldenburg. Von dort, aus der Porzellanfabrik „Wawel“ (ehemals Krister), wurde er zum Wehrdienst abberufen, wo er die Möglichkeit erhielt, Berufs-Unteroffizier zu werden. Aber sein widerspenstiger Charakter mit Drang nach Unabhängigkeit vertrug sich nicht mit den Erwartungen an gute Soldaten. So kehrte er ins Zivilleben zurück und in seinen erlernten Beruf. In Bad Salzbrunn (Szczawno Zdroj) lehrte er auf der dortigen Keramischen Fachschule Technisches Zeichnen und pendelte nach Waldenburg, um in der Porzellanfabrik „Tilsch“ das Modellierer-Handwerk zu lernen.

1956 ging er nach Bunzlau und arbeitete in den früheren Hoffmann-Werken, wo damals – wie in der Vorkriegszeit – Sanitärkeramik und Steinzeug-Röhren für die Kanalisation hergestellt wurden, und  blieb dort mehr als drei Jahre. Dann verließ er nach Streit mit der Unternehmensleitung die Firma und arbeitete in einer Ziegelei bei Sagan und in der Fliesenfabrik in Gersdorf a. Qu. (Przyborsk).

Herr Stanislaw besaß nicht die Gabe und den Willen, unter Aufsicht anderer zu arbeiten. So kehrte er nach Bunzlau zurück und versuchte nun sein Glück auf eigene Rechnung. Nicht in Bunzlau selbst, sondern in dem Dorf Tiefenfurt  (Parowa) im Kreis Bunzlau. Da gab es eine kleine Töpferei zu kaufen. Mit zwei anderen Kompagnons fing er an, Töpferware zu produzieren. Das war im Winter 1963. Erst zu dritt, dann zu zweit führte er den Betrieb bis 1966. Dann entschloss er sich, einen eigenen Betrieb zu eröffnen.

Anfangs produzierte er Blumenvasen und Karaffen. Die Herstellung von Tafelkeramik kam noch nicht in Frage. Das war damals technisch zu aufwendig. Vasen dagegen waren leicht herzustellen. Sie kamen aus der Gipsform, die Deko-Muster wurden auf der Glasur aufgetragen mit Gummibirnen aus der Apotheke, wie man sie bei Kindern für den Einlauf bei Verstopfung benutzte. Im Brennprozess verläuft die Glasur, es bilden sich verschiedene aparte Muster. Den Kunden gefiel das, die Ware fand guten Absatz. So war damals die Mode. Fast jeder wollte eine Blumenvase mit bunten Flecken im Haushalt haben.

Herr Stanislaw hatte also Erfolg. Als Chef einer eigenen Firma stieg er Schritt für Schritt auf der Stufenleiter der beruflichen und künstlerischen „Geheimnisse“ nach oben. Dabei modernisierte er den Betrieb unentwegt und änderte die Produkte.

Eine entscheidende neue Wende kam Anfang der 80er Jahre. Wie er in einer autobiografischen Skizze schreibt, besuchte ihn damals sein alter „Freund Artur Maluschke mit Wurzeln in der Umgebung Bunzlaus. Mit seiner Hilfe wurden die traditionellen Stempelmuster eingeführt.“  Seitdem beschäftigt er sich mit der Herstellung von Tisch- und Tafelkeramik und künstlerischer Gebrauchskeramik. Die Firma Ceramika Artystyczna Wiza in Parowa wurde zu einem der bekanntesten Keramik-Betriebe in der Region Bunzlau. Wizas Produkte werden in Polen gekauft, aber auch in über ein  Dutzend Länder in aller Welt exportiert: von Deutschland, Russland, Spanien oder England bis in die USA und nach Japan.

Wichtig ist, dass Herr Stanislaw nicht nur Unternehmer war und ist, sondern er hat auch sich stets ehrenamtlich für die Allgemeinheit betätigt: In der Zeit des Kommunismus gab es kein unabhängiges Unternehmertum, weil das politische System das nicht duldete. Privatunternehmer mussten Handwerker sein, und die waren gezwungen zur Mitgliedschaft in der durch die Kommunistische Partei kontrollierten Handwerkskammer. Bis 1980 war Herr Stanislaw Mitglied der Bunzlauer Innung. Dort immer wieder schikaniert und zu Tätigkeiten gezwungen, die ihm zuwider waren, war er ausgetreten. Um gesetzeskonform zu bleiben, trat er in die Innung von Jelenia Gora (Hirschberg) ein.

Als Innungsmitglied hat er eine seine großen Ideen realisiert: Er schuf die erste und einzige Keramiker-Innung Polens mit Sitz in Nowogrodziec (Naumburg am Queis). Es war die einzige Stadt in der Region, derer Verwaltung die Idee akzeptierte, einer Brancheninnung entstehen zu lassen. Im Frühsommer 1982 fand im Naumburg die erste Wahlversammlung der neu gegründeten Keramiker-Innung statt. Es kamen einige Dutzend Leute aus dem Bunzlauer Raum, Naumburg, Hirschberg und Goldberg zusammen. Die Innung bestand sieben Jahre. Sie beendete ihr Wirken  1989. Aus verschiedenen Gründen: Vor allem wegen des Falls der kommunistischen Regierung, aber auch, weil die Leute ungerne in einer Gruppe agierten. Nun konnten sie sich endlich als Unternehmer individuell verwirklichen. Von damals blieben Herrn Stanislaw Erinnerungen und die Innungsflagge, die noch heute im seinem Büro hängt.

Nach dem Ende der Bevormundung der Unternehmer durch den Staat gab es für die Keramiker in der Region ein neues Problem. Der bis dahin staatlich gesteuerte Absatz der Waren funktionierte nicht mehr, und die größte Bunzlauer Firma „Ceramika Artystyczna Bolesławiec“, Nachfolger von „Paul und Sohn“, ließ durch ihren damaligen künstlerischen Leiter einige der beliebten Blau-Dekore patentieren. Dieser Musterschutz schränkte die regionalen Keramiker sehr ein und erschwerte den Verkauf. Bei einem seine Besuche in Deutschland sah Herr Stanislaw bei Freunden ein Buch aus den Dreißigern Jahren mit Fotos eine Keramik-Ausstellung, die belegten, dass schon damals, lange bevor der Künstler geboren wurde, solche Dekore vorhanden waren. Empört darüber ließ er das nicht auf sich sitzen und reiste zum Patentamt nach Warschau. Dort brachte er gegen diesen Musterschutz eine Gerichtsklage vor, die er, wenn auch erst nach zwei Jahren, gewann. Seitdem dürften alle Keramiker diese beliebten Dekore verwenden.

Herr Stanislaw machte sich nun bewusst, dass auch andere Keramiker in der Region da sind und  er organisierte – einen Keramikmarkt.

Das berühmte Bunzlauer Keramikfest ist somit in gewisser Hinsicht ein Denkmal von Herrn Wiza: Es war seine persönliche Idee, Bunzlau und die Region in die Öffentlichkeit zu bringen und dadurch wirtschaftlich zu fördern. Anfangs war es nur ein Keramik-Markt. Mitte August 1994 wurden um das Bunzlauer Rathaus Marktstände einiger Produzenten aufgestellt, verbunden mit anfangs eher bescheidenen Auftritten diverser Künstler und Volksmusikgruppen.

In den folgenden Jahren wuchs die Zahl der teilnehmenden Keramikproduzenten, sogar die „Bergwerke für Keramische Rohstoffe“ unterstützten den Keramikmarkt. Die Bunzlauer Stadtverwaltung ließ dem Ganzen damals wenig Unterstützung zukommen. Es war nicht leicht, und die Initiative drohte zu scheitern. Doch trotz alle Widrigkeiten fanden die Keramik-Märkte jedes Jahr statt bis zum Jahr 2000. Dann kam ein neuer, frischer Wind auf die Bühne der polnischen Politik. Die Polen haben sich der EU zugewandt. Die neu gewählte Bunzlauer Stadtverwaltung beschloss, die Keramikmarkt-Initiative zu übernehmen und offiziell als „Bunzlauer Keramikfest“ in die Liste der Stadtfeste einzureihen.

Das erste Bunzlauer Keramikfest fand 2001 statt. Im Laufe der Jahre  mutierte es zu einer Riesenveranstaltung von weit überregionalem Ruf. Neuerdings dauert das Fest vier Tage. Es wird begleitet von vielen Veranstaltungen nicht nur künstlerischer Natur, sondern auch von Ausstellungen und wissenschaftlichen Symposien. Im Verlauf des Keramikfests besuchen Bunzlau Zigtausende aus aller Welt. Man sollte nicht vergessen, dass die Wiege dieses Fests eine Idee die im Kopf des Herr Stanislaw Wiza war, übrigens nicht die einzige, die mit dem Keramikfest zu tun hat. Er war auch einer der Väter der Keramischen Bruderschaft, die 2009 ins Leben gerufen wurde, und lange ihr erster Vorsitzender.

Wichtig zu ergänzen aus deutscher Sicht: Herr Wiza war von Anfang an ein Förderer der Städtepartnerschaft mit dem rheinischen Siegburg, der Patenstadt der heimatvertriebenen deutschen Bunzlauer. Auf dem Siegburger Keramikmarkt und in der Bunzlauer Heimatstube ist er bis heute ein gern gesehener, hochgeschätzter Gast.

Heute hält Herr Stanislaw trotz vorgeschrittenen Alters immer noch die Stellung bei seiner beruflichen Arbeit und im sozialen Engagement: Auch wenn er sich nicht mehr persönlich an der Ausrichtung des Bunzlauer Keramikfests beteiligt, seine Firma Ceramika  Artystyczna  Wiza ist ständiger Teilnehmer und Sponsor dieser und anderer lokaler Veranstaltungen.

Die ehemals kleine Firma von Herr Wiza hat sich in eine oHG verwandelt und wurde einer der größten Produktionsbetriebe in der Gemeinde Wehrau (Osiecznica), zu der heute Tiefenfurt gehört, und in der gesamten Bunzlauer Region. Sie ist stets auf dem neuesten technischen Stand und auch ästhetisch so präsent, dass manche Firma neidisch werden könnte.

Herr Stanislaw macht weiter „das Seine“. Er entwickelt neue Keramikmuster, kontrolliert Zusammensetzung und Qualität der Rohstoffe, berät die jungen Keramiker, bereist Keramik-Messen und Konferenzen, träumt von der Weiterentwicklung des Betriebes.

Und er freut sich, dass er vor einigen Jahrzehnten auf Keramik „gesetzt“ hat…

Quellen:

  1. Die Hauptquelle dieses Aufsatzes war: Stanisław Wiza – najwyższej klasy ceramik z pasją. [= Stanislaw Wiza. Ein erstklassiger Keramiker aus Leidenschaft],

in: https://www.bolec.info/index.php?op=informacje&news=16240   (17.08.2016)

  • Jak șie kiermasz zamienił w swięto… Historia powstania Bolesławieckiego Święta Ceramiki w Bolesławcu we spomniemiach jego glównego pomyslodawcy -Stanisława Wizy  [= Wie aus einem Jahrmarkt ein Fest wurde … Die Geschichte des Bunzlauer Keramikfestes in Erinnerung an dessen Hauptinitiator Stanisław Wiza],)  Mit Fotos und Video. In: http://bobrzanie.pl/2015/08/20/jak-sie-kiermasz-zamienil-w-swieto/

Auch als Broschüre erschienen, Bunzlau o.J. (2015)

  • Werkveröffentlichung im Internet: Die Firma Wiza in Tiefenfurt, abgedruckt in: E.H. Zahn / P. Börner: Bunzlauer Keramik nach 1945 in Deutschland und Polen. Begleitbuch zu einer Ausstellung in der Bunzlauer Heimatstube in Siegburg, hg. Bundesheimatgruppe Bunzlau, Siegburg 2009, S. 183- 185, ergänzt durch Fotos
  • Polnische Video-Reportage über Stanislaw Wiza und sein Werk, in:
            https://www.youtube.com/watch?v=jOyVMDBaL4I  (ed. 2014)   Persönliche Begegnungen von Mitgliedern der Heimatgruppe mit Stanislaw Wiza in Siegburg, Bunzlau und Tiefenfurt   Zum Tiefenfurter Porzellan: http://www.hausschlesien.de/ausstellungen/243-tiefenfurter-porzellan-ist-weltbekannt

Übersetzungen aus dem Polnischen: Ferdinand Idasiak.

Bearbeitung und inhaltliche Ergänzungen: Ferdinand  Idasiak und Peter Börner

Kategorien: Persönlichkeiten