Gottfried Zahn. Ein Bunzlauer Menschenfreund und Schulgründer

Veröffentlicht von Peter Börner am

Das erstaunliche Leben des Maurermeisters, Waisenvaters und Schulgründers

 Gottfried Zahn

 * 21.12.1705 in Tillendorf (Kr. Bunzlau) 22.09.1758 in Bunzlau

 

Im Jahre 1729 klopfte der Tillendorfer Maurergeselle Gottfried Zahn an die Tür des evange
lischen Waisenhauses in Thommendorf (Grafschaft Klitschdorf-Wehrau) und bat um die Er-
laubnis, mit den Waisenknaben lesen und schreiben zu lernen.

 Was hatte den jungen Mann dazu bewegt, mit Kindern die Schulbank zu drücken? „Ich bin in
meiner zartesten Kindheit von Vater und Mutter verwaiset worden und habe erfahren müssen,
wie elend es um solche Kinder aussieht. Niemand will sich ihrer annehmen (…) und zur Schule
sie anzuhalten, damit sie zugleich nach Leib und Seele versorgt werden, das geschieht selten.“
Zahn jedoch nahm sein Schicksal selbst in die Hand und setzte sich als Vierundzwanzigjähri-
ger „bei Herrn Weber mitten unter die kleinen Schüler.“

 1732 heiratete Zahn, 1733 erwarb er das Bunzlauer Bürgerrecht und seitdem arbeitete er in der
Stadt als Mauermeister. Die Einfriedung um den jüdischen Friedhof und die Verbesserung der
Trinkwasserversorgung in der Obervorstadt waren sein Werk.

 Zahns Leben nahm eine entscheidende Wendung, als er 1744 ein Buch des großen pietistischen
Pädagogen August Hermann Francke in die Hand bekam. Die „Nachricht von dem Waisenhau-
se zu Glauchau vor Halle oder Segensreiche Fußstapfen des noch lebenden und waltenden lieb-
reichen und getreuen Gottes“ erweckte in ihm den Wunsch etwas Ähnliches „auf Gott (zu) wa-
gen.“ Mit Zustimmung seiner Frau stellte er im gleichen Jahr einen Hauslehrer ein, der neben
den Kindern der Zahns auch arme Nachbarskinder unentgeltlich unterrichtete.

Das uneigennützige Vorhaben brachte ihm viele Anfeindungen ein: Er wurde verspottet und musste sich den Vorwurf der Eitelkeit und des Hochmuts gefallen lassen.
1752 verbot der Rat der Stadt Bunzlau den Unterricht fremder Kinder. Als Zahn sich widersetzte, sperrte man ihn wegen „Auflehnung“ für 8 Tage im Stockhaus ein, sein Hauslehrer erhielt zwei Tage Gefängnis. Sein Seelsorger, der Bunzlauer Stadtpfarrer Ernst Gottlieb Woltersdorf, versuchte ihn von seinem Vorhaben abzubringen und versagte ihm jegliche Hilfe.

 In dieser Situation entschließt sich Zahn zu einem persönlichen Bittgang zum König in Berlin (am 6. 11. 1753). Durch die Protektion einflussreicher Männer gelingt es ihm, eine Bittschrift einzureichen. Schon am 20.11. geht ein königliches Schreiben nach Breslau mit dem Befehl,
die näheren Umstände seines Gesuchs zu prüfen. Glücklich eilte Zahn nach Hause. Nur 6 Meilen konnte er fahren, den Rest legte er bei strömendem Regen zurück. Am 10. 01. 1754 erging ein vorläufiger Bescheid aus Breslau an Magistrat und Geistlichkeit Bunzlaus, „daß dem Zahn bis zum Eingang der zu hoffenden königlichen Konzession unverwehrt und erlaubt sein soll, einen Informator und zwei Waisenkinder auf seine Kosten zu unterhalten, (…) auch die kleinen Kinder aus der Obervorstadt mit zu unterrichten.“
Pfarrer Woltersdorf, der das Ergebnis der Reise als göttliche Fügung ansah, stand nun fest an
seiner Seite. Die endgültige Genehmigung für Zahns Stiftung erfolgte am 30. 06. 1754.

Als im Herbst 1754 Friedrich der Große in Schlesien weilte, konnte Zahn ihm bereits seine
„Erste Nachricht von dem Bunzlauer Waisenhause“ überreichen. Darin berichtete er, dass dank
unerwarteter großzügiger Unterstützung von Arm und Reich, Nah und Fern die Stiftung schon
nach einem halben Jahr 16 Zöglinge, darunter 9 Waisen und einen studierten Präfekten beher-
berge. Und trotz der Not des Siebenjährigen Krieges ( ab 1756 ) ging es zügig weiter: Zahn
kaufte das Nachbarhaus und begann – ganz im Vertrauen auf weitere göttliche Hilfe – den Bau
eines großen Waisenhauses. Da raffte 1758 eine Seuche zunächst ihn, dann seinen Nachfolger
Hähnisch hinweg. Zahns Lebenswerk schien am Ende.

Doch jetzt übernahm Pfarrer Woltersdorf neben dem arbeitsintensiven Pfarramt zusätzlich
noch die Leitung der neu gegründeten Bildungseinrichtung. Der Geist des selbstlosen Dienens
war von Zahn auf ihn übergegangen. Als auch er – schon 1761 – starb, stand die Stiftung mit
24 Waisenkindern und 82 anderen Zöglingen auf sicheren Grundlagen.

 Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten sich die vielfältigen schulischen Einrichtungen des
Waisenhauses [das „Spittel“ (Internat), die Mittelschule, das eingegliederte Gymnasium in un-
terschiedlichen Ausprägungen] zu Zentren der Schulbildung und der Lehrerausbildung in Nie-
derschlesien. Gottfried Zahns Gründung, zuletzt unter dem Namen „Staatlich Zahnsche Schul-
anstalt“, wurde so zu einem pädagogischen Qualitätsbegriff weit über Bunzlaus Stadtgrenzen
hinaus.

Seit 2006. Eine Gedenktafel für Gottfried Zahn im I. Allgemeinbildenden Lyceum in Bunzlau (Boleslawiec)

Nach Flucht und Vertreibung der deutschen Schüler und ihrer Lehrer baute seit 1947 das polnische Pädagogenehepaar Tyrankiewicz in den Räumen des Erweiterungsbaus der Zahnschen Anstalten das heutige I. Allgemeinbildende Lyzeum auf. Es konnte an das hohe Niveau der alten Schule anknüpfen. Der einstige Gründer und die lange und große Tradition dieser Bildungsanstalt gerieten in Vergessenheit. Doch ab Pfingsten 2006 erinnert auf Initiative der Bundesheimatgruppe eine deutsch-polnische Gedenktafel an den Bunzlauer Maurermeister, Waisenvater und Schulgründer Gottfried Zahn.

P.B.

Quellen: Archiv der Bundesheimatgruppe. Prof. Alexander Bolz: Gottfried Zahn (Manuskript, 2002). Karl Springer, Von der Gründung des Waisenhauses …, in: Heimatbuch Bunzlau, 1964,  S. 234 – 243

 

überarb.Aufsatz zu Zahn.1


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