Aus dem Journal des Vorstands August 2024

Veröffentlicht von Peter Börner am

Immer wieder ist die Bundesheimatgruppe Bunzlau Anlaufstelle für diverse Anfragen. Mal meldet sich ein Anwaltsbüro mit Erbschaftsangelegenheiten, mal ein Hobby-Forscher, zuletzt einer, der sich intensiv mit der Geschichte der Fachzeitschrift »Der Photograph« befasste und Näheres über Benno Fernbach aus bekannten Bunzlauer Verlegerfamilie Fernbach wissen will.

Benno Fernbach hatte 1891 die Zeitschrift begründet und über Jahrzehnte mit großem, internationalem Erfolg redigiert. 1938 nahm er sich nach den Ausschreitungen der „Reichskristallnacht“ das Leben. Leider wissen wir nur wenig, viel zu wenig aus seinem Leben, und Zeitzeugen, die Auskunft geben könnten, sind längst nicht mehr unter uns. Warum setzen solche Anfragen so spät ein…?

Ein anderer, damit eng verwandter Themenbereich ist die Familienforschung. Zuletzt ging es wieder einmal um Orte und Menschen im Kreis Bunzlau.

Großer Zierkrug mit Wappen des Kreises Bunzlau im Foyer des Patenkreises im Siegburg

Wir teilen die Anfrage im Folgenden deshalb so ausführlich mit, weil vielleicht doch aus dem Umfeld einstiger Dorfbewohner eine Auskunft kommt. Der Fragesteller schrieb uns anlässlich seines Buchvorhabens: „Meine Vorfahren lebten seit Jahrhunderten im Raum Herrmannsdorf und Paritz, davor Birkenbrück, Naumburg am Queis und Kunitz bei Liegnitz. Mein Vater ist Alois Weiner, 1924 in Herrmannsdorf geboren, sein Vater Paul Weiner, 1884 geboren, verheiratet mit Anna Weiner, geb. Gückel. Meine Mutter ist Ingeborg Weiner, geb. Fiebig, 1926 in Paritz. […] Meine Großeltern mütterlicherseits Alois Fiebig, 1900 geboren, meine Großmutter Elisabeth Fiebig, 1903 unter dem Mädchennamen Tillmann geboren. Mein Onkel ist Bernhard Fiebig, geboren 1923 in Paritz.“ Der Fragesteller sucht „Originalunterlagen oder Originalbilder aus der Zeit vor 1945 vor allem aus den genannten Dörfern. Informationen zu den Kirchen in Birkenbrück und Naumburg wären auch schön, auch zitierfähige Quellen zur Herkunft und zum Auftreten der Neubewohner ab 1945/1946.“  Er teilt mit, dass er aus dem Nachlass seines Vaters über „aussagestarke Schilderungen seiner Erlebnisse ab ca. 1934, insbesondere 1945/1946 sowie von Pfarrer Escher aus Birkenbrück“ verfügt. Das wiederum wäre für uns als Heimatgruppe – und für die Heimatzeitung – von großem Interesse! Er fährt fort: „Mein Großvater Paul war 1917-1932 und kurzzeitig 1945/1946 Bürgermeister in Herrmannsdorf. Darüber wüsste ich auch gern mehr, z. B. Wahlergebnisse in den Dörfern.“  […] Großvater Paul „war außerdem Bauer und hatte ein kleines Fuhrgeschäft mit Pferdehandel.

Werbung der Siegersdorfer Werke vor 1945

Zum Hof gehörten Tongruben, der Ton wurde in die Siegersdorfer Werke geliefert, möglicherweise auch nach Bunzlau. Gibt es darüber Unterlagen, Bilder?“

Sein Buchprojekt versteht der Fragesteller nicht nur als Familienchronik für sich und die Nachkommen, sondern – so wörtlich – : „Ich finde, ich bin es nicht nur meinen Eltern schuldig, nach wie vor vorhandenes Un- und Nichtwissen über die Deutschen in Schlesien zu beheben und einige fehlerhaft Vertreibungs- und Geschichtsmythen gerade zu rücken.“ – Das ist ganz in unserem Sinne.

Der Heimatgruppe geht es aber ebenso um Bunzlauer Lebenswege nach 1945. Auch da kann man erstaunliche Entdeckungen machen. Manchmal sogar im Ablage-Fach auf dem Schreibtisch. Peter Börner stieß da auf einen Zeitungsausschnitt, übersandt von Mitarbeiter Jochem Birk,  mit Datum 8. November 1989, also einen Tag vor dem Mauerfall.

Unter dem Titel „Am Beispiel der Bäume“ hatte der damalige Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der DDR Peter Jochen Winters einen höchst anerkennenden Artikel über den langjährigen DDR-Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann verfasst. Und der wurde am 10. Oktober 1929 als Sohn des Obst- und Gemüsehändlers Paul Hoffmann, Zollstr. 30, in Bunzlau geboren und war Schulkamerad von Jochem Birk! Die FAZ schreibt: „Er ist einer der wenigen führenden SED-Politiker […], die seit Jahren für Offenheit und Umgestaltung, für einen Neubeginn gewirkt haben – notgedrungen eher in der Stille.“ Laut  Wikipedia stellte er sich schützend vor Künstler der DDR und unterhielt sogar freundschaftliche Kontakte zu Ministerpräsident Johannes Rau!

Leipzig 1982. Der Text auf der Titelseite einer einer Studienausgabe zeigt den Beginn des Anno-Liedes, wiederentdeckt und 1639 herausgegeben vom Bunzlauer Martin Opitz.
Ein integrierender Bestandteil der DDR-Kulturpolitik war stets die Pflege des „Nationalen Kulturerbes“.
Hier der liebevoll gestalteter Eichendorff-Gedächtnis-Block der Deutschen Post der DDR von 1988.

Unser Mitarbeiter Dietmar Plate merkt an, dass es auch aus dem Nachbarhaus Bunzlau Zollstraße 29 Ungewöhnliches zu berichten gibt. Dort wohnte Familie Nitzschke. Eine der Töchter, verh. Helga Drach, wurde tragischerweise Mutter von einem der größten Schwerkriminellen der Bundesrepublik, Thomas Drach. Er war es, der Reemtsma entführte und auch danach massiv kriminell blieb.

Gern hätten wir noch auf die Bunzlau-Fahrt 21. – 25. August Bezug genommen, doch die kam mangels hinreichender Zahl an Meldungen leider nicht zustande! – Und wie sieht es mit der Teilnahme an der Mitgliederversammlung am 31. 08. in Haus Schlesien aus? Das fragt sich besorgt Ihr /euer Peter Börner.