Hajo Knebel: Ein Schriftsteller aus Bunzlau
Erstveröffentlichung: Bunzlauer Heimatzeitung 10/1968
Im „Schlesier“ vom 4. April dieses Jahres lesen wir eine Würdigung Hajo Knebels, der als treuer Bunzlauer schon oft für die BHZ geschrieben hat. Er ist am 19. Juli 1929 als einziger Sohn der Eheleute Rudolf Knebel und Hedelinde geb. Hentschel in der Badergasse 8 geboren.
Bilder von dieser Straße brachten wir in den Nummern 12/57 (eine alte Aufnahme aus den zwanziger Jahren), 6/63 (Verbreiterung der Straße durch die Polen), 22/66 und 3/67 (der Laubengang am Hause des Tischlermeisters Müller.
Von hier aus waren es nur ein paar hundert Meter bis zur Martin-Opitz-Schule, die er ab 1935, zusammen mit dem Sohne von Georg Buchler, besuchte. Drei Jahre später zogen seine Eltern nach Martinwaldau.
Nach Beendigung der Schulzeit Studium auf drei schlesischen Lehrerbildungsanstalten, 1945 beim Panzergrenadier-Regiment Großdeutschland, einige Wochen in amerikanischer Gefangenschaft, dann Arbeit beim Bauern und Trümmerräumer, Ende 1946 Pädagogium Bergnassau, 1947/48 Pädagogische Akademie in Bad Neuenahr mit 1. Lehrerprüfung, 1953 2. Lehrerprüfung.
Schon als Kind bereitete es Hajo Knebel Freude, Gedichte zu verfassen und Märchentexte und kleine Theaterstücke zu schreiben. 1944 schanzt und schreibt er im „Unternehmen Barthold“, ab 1946 Mitarbeit an Zeitungen und Zeitschriften im Westen, 1949 Veröffentlichung erster größerer Arbeiten, dann Hörspiele und Features, wie: „Der Deutsche Michel“, „Die Brücke von Remagen“, „Wo die Uhren anders gehen“, „Simmern, ein Städtebild“, „Kirchberg, ein Städtebild“, „Waldland Hunsrück“, „Robinson Crusoe aus Kreuznach“ und viele andere an den Sendern Saarbrücken, Köln, Frankfurt, München, Baden-Baden, Stuttgart, Deutsche Welle. Es wären eine Reihe von Veröffentlichungen zu nennen in einer Reihe von Zuschriften, in Heimatkalendern und Jahrbüchern, eine Reihe von Text- und Bildbänden, ferner eine eine zeitgeschichtliche Untersuchung „Pädagogischer Widerstand im Dritten Reich“.
Hajo Knebel ist Mitglied des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller, Rheinland-Pfalz, seit 1957 Vorstandsmitglied, seit 1963 Geschäftsführer.
Eine Reihe von literarischen Auszeichnungen und Preisen würdigten seine Arbeiten: 1960 Preis der Zeitschrift „Jugend am Rhein“, 1962 Förderungsbeihilfe des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz, 1963 Förderpreis zum Großen Kunstpreis für Literatur des Landes Rheinland-Pfalz, 1965 Auslandsreisestipendium der Gesamtvereinigung Deutscher Schriftstellerverbände in der Bundesrepublik Deutschland in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt u. a.
Ein weiterer schlesischer Roman „Martinswaldau“ schildert Episoden aus der schlesischen Geschichte jener Zeit zwischen 1933 und 1966, widergespiegelt in den Erlebnissen der Dorfbewohner, eine Chronik also, eine schlesische Chronik, ein Spiegelbild unserer jüngsten Vergangenheit, nicht immer ganz bequem.
Hajo Knebel arbeitet an einigen Untersuchungen einer Geschichte der schlesischen Lehrer-bildungsanstalten, an einer Geschichte des Konzentrationslagers Hinzerath im Hunsrück, an Untersuchungen über Schule und Lehrerschaft im Spiegel der zeitgenössischen Literatur.
Obwohl der Schriftsteller Hajo Knebel die Hälfte seines Lebens im Rheinland lebt, liegen die „Wurzeln meiner Herkunft doch in Schlesien“, bekennt Hajo Knebel, „ist schlesisches Blut und Geisteserbe in mir: die Lust an der Mystik Jakob Böhmes, an der Sprachprägnanz meines großen Heimatstädters Martin Opitz, an der Fabulier- und Erzählfreude aller schlesischen Schriftstelle bis hin zu Gerhart Pohl und Hugo Hartung; also Schreiben ohne Vorbild, aber doch in der unbewußten und auch bewußten Fortsetzung schlesischer Schriftstellertradition.“
Bundesverdienstkreuz für Hajo Knebel
Erstveröffentlichung: Bunzlauer Heimatzeitung 7/1979
Hajo Knebel, der aus Bunzlau/Schlesien stammende, heute in Simmern im Hundsrück lebende, Autor (»Jahrgang 1929«, »Martinswaldau«, »Die Brücke von Remagen«, u. a.), seit einem Jahrzehnt Vorsitzender des Verbandes Deutscher Schriftsteller Rheinland-Pfalz und des Förderkreises Deutscher Schriftsteller, Mitglied des Wangener Kreises, ausgezeichnet u. a. mit dem Förderpreis zum Schlesischen Kulturpreis, ist jetzt für seine literarische Arbeit und seine kulturpolitischen Verdienste mit dem Bundes-verdienstkreuz ausgezeichnet worden. Im Rahmen einer Feierstunde im Kultusministerium Mainz würdigte die rheinland-pfälzische Kultus-ministerin, Dr. Hanna-Renate Laurien, besonders die der Humanität und Verständigung zwischen den Völkern verpflichtete schriftstellerische Leistung des Autors. Der Rheinland-Pfälzische VS, der in diesem Jahr sein 30jähriges Bestehen feiert, bereitete aus Anlaß des 50. Geburtstages von Hajo Knebel (19. Juli) für den Herbst d.J. eine größere Veranstaltung in Mainz vor, bei der der Schriftsteller durch die von Susanne Faschon (Hochheim) und Sigfrid Gauch (Mainz) herausgegebene, zu diesem Zeitpunkt vorliegende 160 Seiten starke Festschrift »Hajo Knebel zu Ehren« besonders gewürdigt werden wird. Die Festschrift – u. a. mit Beiträgen von Bernhard Vogel und H. R. Laurien u. a. zur rheinland-pfälzischen Literatur-, Kunstund Kulturszene der letzten 30 Jahre, Essays von Werner Hanfgarn, Jochen Hoffbauer u. a. über Leben und Werk des Autors Hajo Knebel – wird auch die erste umfassende Bibliographie der Veröffentlichungen (darunter mehr als 20 selbständige Buchver-öffentlichungen, zahlreiche Fernsehspiele, Hörspiele, Filmdrehbücher) enthalten.Hajo Knebel, der in der letzten Zeit die beiden schlesischen Bildbände »Breslau in alten Ansichtskarten« und »Schlesien in alten Ansichten« (Flechsig-Verlag, Frankfurt) vorgelegt hat, wird zur Buchmesse’79 im Weidlich-Verlag, Frankfurt, mit dem schlesischen Volks- und Hausbuch »Typisch schlesisch« vorgestellt werden. Zur Zeit arbeitet der Autor am 3. Band seiner schlesischen Trilogie, der den Titel »Szytnica« tragen wird und den Dorfroman »Martinswaldau« bis zur Gegenwart weiterführt. Eine Leserin überreichte Hajo Knebel am Tag der Bundesverdienst Kreuzverleihung Erde, ein Tannenreis und Saatkartoffeln aus Martinwaldau in Schlesien, die sie von einer kürzlichen Schlesienfahrt mitgebracht hatte; ein besonderes Zeichen der Würdigung und Anerkennung!
Hajo Knebel Selbstbildnis: Zum Fünfzigsten. 19. Juli 1979
Hajo Knebel. Erstveröffentlichung: Bunzlauer Heimatzeitung 7/1979
In diese Haut bin ich hineingeboren
und trage fünfzig Jahre schon dies Fell.
Ist alles, was ich tat und schrieb, verloren?
Was bleibt? War's klingend Erz nur ,tönend' Schell?
In dieses Land bin ich hineingebunden
und komm' in Tag und Traum nicht von ihm los.
Wer sieht die Male noch und sieht die Wunden:
mein armes Land, getrennt, im Leide groß.
In dieses Volk bin ich hineingerufen
und trag ein Leben schwer an seiner Schuld.
Wer wollte richten? Auf den steinern' Stufen
zur Gnade braucht es Liebe und - Geduld.
In diese Zeit bin ich hineingefallen
und suchte wahrlich sie nicht selber aus: S
tünd' nicht der Himmel über uns und allen,
die Welt wär'nur noch Angst und Tod und Graus.
Denn: Welche Haut, welch Volk und welches Vaterland
und welche Zeit, die uns hier zugemessen:
Krieg, Menschenelend, Völkermord und Weltenbrand,
und allzuschnell, was wir getan, vergessen.
Gebor'n, gehegt, gelernt und viel vergessen,
geliebt, gehaßt, geträumt und Zeit vertan,
gefror'n, gehungert, trocken' Brot gegessen,
geirrt, getäuscht, gelebt im Heldenwahn.
Gezeug, gepflegt, gemordet und geschossen,
gehofft, geglaubt und oftmals falsch gedacht,
gebetet und vertraut, die Zeit genossen,
gelacht, geweint und Freud und Leid gebracht.
Versäumt, vertan, verjagt und fortgetrieben,
verhungert fast und fast im Leid erfror'n.
Verszeilen viel - zu viele fast - geschrieben,
verraten und verkauft, das Herz verlor'n.
Verführt, - und meine Haut zu Markt getragen,
verspielt den Einsatz, taub und tränenblind;
um Nichts und Wiedernichts riskiert den Kopf und Kragen:
des Menschen Sein ein Staubkorn vor dem Wind.
Vorbei, vorbei, was einst das eitle Herz erfreut;
die Haare grau, die Jahre schnell entschwunden.
Hat sich's gelohnt? Hast du's noch nicht bereut?
Die Zeitenuhr schlägt unberührt die Stunden.
Was bleibt? Was bleibt? Die Dunkelheit gelichtet,
die Jahre eilen ohne Rast und Ruh.
Gezeichnet schon? Gedichtet heißt gerichtet!
Gewußt, geahnt, seit Anfang, - immerzu.
In diese Haut bin ich hineingeboren
und trage fünfzig Jahre schon dies Fell. -
Ist alles, was ich tat und schrieb, verloren?
War's wirklich klingend' Erz nur, eine tönend' Schell?
(Allen meinen Freunden und Lesern zugedacht)