Die Bunzlauer Synagoge

Veröffentlicht von Milan Koncz am

Dietmar Plate. Erstveröffentlichung in der „Bunzlauer Heimatzeitung“ Juni und Juli 2019.

Mit dem allerhöchsten Edikt vom 11. März 1812 waren alle Juden, die schon zuvor seit der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich den Großen mit zahlreichen Freiheiten, Schutzbriefen und Konzessionen versehen worden waren, mit ihrem Familien als sogenannte Einländer (Inländer) anerkannt und zu preußischen Staatsbürgern erklärt worden. Damit waren zwar nicht Jahrhunderte alte Vorurteile und Vorbehalte via Federstrich beseitigt, manches vermeintliche „Recht“ stand letztlich nur auf dem Papier. Aber es bildeten sich überall in Schlesien offiziell anerkannte jüdische Gemeinden, so auch in Bunzlau. Dr. Wernicke vermeldet in seiner Chronik: „ 1812 ließen sich in Bunzlau Israel Hülse, Meyer Schidlower und Moritz Zaller nieder.“ Mit Datum des 11. Juni 1814 wurde die jüdische Gemeinde durch die Liegnitzer Regierung aufgefordert, für einen eigenen Friedhof zu sorgen. Am 28. Februar 1816 kaufte die jüdische Gemeinde ein kleines Grundstück vor dem Nikolai-Thore an der Löwenbergerstraße für 20 Rthlr. und einen jährlichen Grundzins von 1 Rthlr.

Blick vom Oeonteich auf die Synagoge. Bildsammlung Bgm. Richter

Weiter Dr. Wernicke: „Am 12. August war hier eine Judenbeschneidung bei dem Kaufmann Moritz Zaller, wahrscheinlich die erste in Bunzlau, weil Juden erst durch Einführung der neuen Städteordnung das Bürgerrecht erlangen konnten. Zwei jüdische Familien hatten sich hier niedergelassen.” In diesem Jahre hatte Bunzlau 2756 Einwohner, 15 davon bekannten sich zur mosaischen Religion. Und noch eine Notiz aus dem Jahre 1815: „Am 22sten Merz wurde hier seit Menschengedenken die erste jüdische Hochzeit in der sogenannten Sandschänke gefeiert. Dabei waren auch christliche Hochzeitsgäste: der Stadt-Inspektor Hertel, der Accis-Einnehmer Riedel und der Senator Rother.“ 1822 waren es dann schon 21 jüdische Bürger, 1843 zählte man 95 jüdische Einwohner. 1855 stieg die Zahl erstmals auf 100 und bewegte sich in den folgenden Jahren immer weit darüber. Von einem ersten jüdischen Gotteshaus wird aus dem Jahre 1817 berichtet: „Die Chorkapelle des jüdischen Friedhofes wurde am 1.1.1817 von Moritz Zaller und anderen gestiftet.“ Der erste jüdische Betsaal aber wurde im Jahre 1823 am Katholischen Kirchplatz „im Hause der Witwe Böhm“ eingerichtet. Laut Artur Schiller handelt es sich dabei um das Haus Nr. 5 (1935 Tischlermeister Kügler): „Die Nr. 5 trägt die nicht erklärbare Inschrift „A. H. G. D. 1737“. Der Steinmetz Franz Boehm vererbte das Haus 1821 seiner Ehefrau Klara Boehm. Boehm hatte sich hier im Oktober 1799 etabliert. Wahrscheinlich ist er derselbe, in dessen Werkstatt das Kutusow-Denkmal bei Tillendorf entstand. 1a und 1 b sind die alten Hausnummern Die jüdische Gemeinde zählte in diesem Jahre 23 Seelen.“

Synagoge, evangelische Kirche und Odeonteich

Diese Räumlichkeiten wurden bis in das Jahr 1857 hinein genutzt. Dann scheint man ein anderes Haus gefunden zu haben. Es berichtet die „Allgemeine Zeitung des Judenthums“, herausgegeben von Rabbiner Dr. Ludwig Philippson in Magdeburg. Leipzig, den 1. Januar 1857: „Bunzlau, 7. April. (Privatmitth.) Der Eintracht in unsrer Gemeinde ist es gelungen, verbunden mit einer großen Opferwilligkeit, ein Werk zu fördern, dessen Vollendung und feierliche Einweihung sich heute zu einem allgemeinen Festtage für die Gemeinde gestaltete. Seit mehr denn 30 Jahren hielt unsere Gemeinde ihren Gottesdienst in einem Betlocale ab, welches weder an Raum der an Zahl größer gewordenen Gemeinde, noch seiner Eigenschaft nach das Bedürfniß nach einem erbaulichen Gotteshause befriedigen konnte. Mit nicht unbedeutenden Opfern ist es gelungen, einen Tempel herzurichten, der, wenn auch nur klein und der Anzahl der Mitglieder genügend entsprechend, dennoch in einfacher, höchst geschmackvoller und würdiger Weise ein Haus es Herrn genannt zu werden verdient. In diesem Tempel versammelten sich heute zum ersten Male nicht nur alle Mitglieder der Gemeinde, sondern es folgten auch die königlichen und städtischen Behörden, die evangelischen Geistlichen und viele andere Gäste den an sie ergangenen Einladungen, um Gott in einer einfachen und würdigen Feier dieser Halle zu weihen. Der als Prediger rühmlichst bekannte Herr Dr. Landsberg aus Liegnitz übernahm es freudig, herbeizukommen, um in einer höchst gediegenen und die Herzen aller Zuhörer erbauenden Predigt Gott für das Gelingen des Werkes zu danken, seinen Schutz über dieses Haus zu erflehen und die Gemeinde seiner ferneren Fürsorge anzuempfehlen. In einer reichen Fülle fruchtbarer Gedanken wußte der Redner die Symbole unseres ersten Tempels – den Leuchter, den Altar und die Schaubrote – auf unseren Tempel, auf unser Leben, auf unsere innere höhere Weihe anzuwenden und anzupassen. Es war ein Durchdringen des lebendigen, kräftigen Gottesgeistes, der alle Gemüther erfassen mußte, und lange noch wird der feierliche Act einer solchen Tempelweihe in den Herzen aller Anwesenden nachklingen.“

Blick auf die Synagoge vom Promenadenteich

Fast zwanzig Jahre später wurden die Bemühungen verstärkt, eine eigene Synagoge zu errichten. 1875 berichtet wiederum die „Allgemeine Zeitung des Judenthums“: „Bunzlau, 18. Mai. Die hiesige israelitische Gemeinde beabsichtigt eine Synagoge zu erbauen. Die Gemeindemitglieder haben deshalb durch freiwillige Beiträge zu diesem Zweck ein Capital aufgebracht und auch von Seiten der Commune ist eine ansehnliche Beihülfe zu dem Baufond bewilligt worden, aber immerhin reichen die vorhandenen Gelder zur Ausführung des Baues, wofür bereits eine Zeichnung entworfen worden ist, nicht aus. Der Vorstand der Gemeinde hat daher vom königlichen Oberpräsidium der Provinz Schlesien die Erlaubniß zur Veranstaltung einer „Lotterie zum Besten des Synagogenbaues“ ausgewirkt und ist bereits mit dem Verkauf der Loose begonnen worden. Es werden 5000 Loose à 3 Mark ausgegeben. Zur Verloosung kommen angemessene Gewinne, und wird sie im September stattfinden.“ Über den Fortgang der Bemühungen schauen wir nun in den „Niederschlesischen Courier“. Diese Zeitung war die neben dem „Intelligenzblatt“ das zweite bedeutende Bunzlauer Lokalblatt. Die hier angeführten Berichte aus diesem Blatt erhielt ich von Herrn Tadeusz Łasica aus Bolesławiec. Sie dokumentieren die die Fertigstellung von der Planung bis zur Einweihung nahezu lückenlos. Ich spare mir da also jeglichen Kommentar.

Donnerstag, den 31. Mai 1877: „Bunzlau. Dienstag Nachmittag versammelten sich die Mitglieder der hiesigen israelitischen Gemeinde und die geladenen Ehrengäste, unter denen Herr Landrath v. Reichenbach, Herr Bürgermeister Stahn, die Magistratspersonen, Stadtverordneten, die Geistlichen der evangelischen Gemeinde rc. sich befanden, auf de, Bauplatze der zu erbauenden Synagoge, um der Grundsteinlegung beizuwohnen. Der feierliche Akt begann mit dem Liede: „Wenn Gott der Herr das Haus nicht bauet“ rc. worauf Herr Cultusbeamter Tintner an einem improvisirten Altar die treffliche Weiherede hielt. Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde, Herr Bankier Teichmann, verlas hierauf das für den Grundstein bestimmte Document. Aus demselben entnehmen wir, daß die hiesige israelitische Gemeinde im Jahre 1812 durch die Niederlassung von drei jüdischen Familien Israel Hülse, Meyer Schidlower, Moritz Zaller begründet wurde. Zu ihrem Gottesdienste benutzte dieselbe eine lange Reihe von Jahren ein kleines Miethslokal.

Im Jahre 1857 wurde in dem Kaufmann Helbig’schen Hause, Schloßstraße 12, ein größeres, würdig ausgeschmücktes Bethaus eingerichtet. Aber auch dieses Lokal entsprach in räumlicher Hinsicht nach 15  Jahren den vermehrten Bedürfnissen der Gemeinde nicht mehr. Man dache daher an die Erbauung eines eigenen Gotteshauses. Den Grundstock zu dem Baukapital gab der 1863 verstorbene Kaufmann Hülse durch ein Legat von 6000 M. 1876 brachte die aus 179 Seelen bestehende Gemeinde durch freiwillige Beiträge 8000 M. zu diesem Zwecke auf, von Seiten der Stadt-Commune wurde eine Beihülfe 4500 M. gewährt, der Reinertrag einer Lotterie ergab 6800 M. und so konnte an die Ausführung des Baues geschritten werden. Die Zeichnung dazu entwarf Herr Zimmermeister Zschetzschingk, die Ausführung des Baues wurde Herrn Maurermeister Bergmann übergeben. Die Kosten des Baues sind auf 60,500 M. veranschlagt. Am 8. Okt. 1876 wurde derselbe begonnen und heut d. 29. Mai 1877 die Grundsteinlegung vollzogen. Der äußere Bau soll am 1. Okt. d. J. und der innere Ausbau am 1. Juli k. J. vollendet sein. Die Einweihung ist für den 1. Septbr. 1878 in Aussicht genommen. Dieses Document, sowie manche der bis zum Jahresschlusse 1875 in Geltung gewesenen Münzen und an neuen Münzen von einer Mark herab je 1 Stück, desgleichen die jüngsten hier erschienen Tagesblätter je 1 Exemplar, wurde hierauf in eine Glaskapsel geschlossen und von dem Präses der Synagogengemeinde in den Grundstein eingelegt, während er Cultusbeamte den 121. Psalm in hebräischer Sprache sang und darauf in deutscher Sprache las. Hierauf folgte der Spruch des Herrn Maurermeister Bergmann und die Ceremonie der drei Hammerschläge auf den Grundstein von dem Vorstande und den Ehrengästen.

Das Lied „So ward die Weihe dazu vollzogen am Grundstein dieser Stätte hier“ rc. bildete den Schluß der Feierlichkeit, welcher trotz des Regens eine Menge Publikum beiwohnte. Die Synagoge wird auf einem Unterbau von Sandstein in Ziegeln ausgeführt und bildet ein Achteck mit großen Bogenfenstern, das eine gewölbte Kuppel krönt. Die Lage des Gotteshauses auf der Südseite der Stadt an der Promenade ist eine überaus günstige und dürfte das Gebäude gewiß eine Zierde der Stadt werden.  Fand schon in der Einleitung zur Weihrede die confessionelle Eintracht unter den Bewohner Bunzlau’s anerkennenden Ausdruck durch den Mund des Herrn Festredners, so fand auch das freundliche bürgerliche Beisammenleben der Angehörigen der verschiedenen Stände und Confessionen bei einem auf die Feier folgenden Diner viel beredte Zeugnisse in ernster und humoristischer Färbung. Der Gemeindevorsteher, Herr Teichmann, hatte nämlich seinem Ehrenamte ein Freudenopfer bei opulenter Tafel in seiner Behausung gebracht und in derselben, soweit der Raum gestattete, die christlichen Ehrengäste, und die Mitglieder des Gemeindevorstands geladen. Es bemächtigte sich dabei wohl Aller eine so angenehme Stimmung, daß man erst mit dem Ende Tages sich trennte.“

Donnerstag, den 8. November 1877. „Bunzlau. Der Synagogenbau, welcher im Aeußern so weit gefördert ist, daß man gegenwärtig die Kuppel mit Kupferblech beschlägt und das Dach mit Schiefer deckt, war bisher ohne Unfall von Statten gegangen zur großen Befriedigung aller zu dem Bau in irgend einer Beziehung Stehenden. Leider wurde diese Befriedigung am Dienstag Morgen gestört, indem ein Zimmermann im Innern der Synagoge aus der Höhe herabstürzte, erst auf einen Balken aufschlug und auf den Boden auffiel und dabei so schwere lebensgefährliche Verletzungen davon trug, daß er nach dem Krankenhause gebracht werden mußte. Das Gerücht von seinem bald erfolgten Tode bestätigte sich glücklicherweise nicht. Der Verunglückte, mit Namen Altmann aus Sand bei Bunzlau ist unverheirathet. Er ist übriges, wie uns mitgetheilt wird, insofern an seinem Unglück selbst Schuld, als er an einer Stelle in der Synagoge bei dem Fall sich befand, wohin er wegen seiner Arbeit sich gar nicht zu begeben hatte.“

1878: Niederschlesischer Courier, No. 106, 22. Jahrgang. Dienstag, den 10. September 1878. Bunzlau. Der Synagogenbau ist bis auf die letzten Malerarbeiten im Innern vollendet und die verschönernde Hand hat sich nun auch dem Aeußeren zugewendet. Ein mit Sandsteinplatten belegter breiter Weg führt von der Promenade zu dem schönen Portale und der freue Platz um den Bau wird durch den Herrn Stadtgärtner in eine kleine Parkanlage verwandelt. Das Ganze gereicht unserer Stadt namentlich jenem Promenadentheil zu einem schönen monumentalen Zierde, welche durch ihre hervortretende Kuppel auch von außerhalb der Stadt überall sichtbar erscheint, und ist ein ehrendes Zeugniß der Opferwilligkeit der kleinen Gemeinde für ihre kirchlichen Zwecke, welche sich unsere christlichen Brüder und Schwestern zum nachahmenswerthen Beispiel nehmen möchten. Die feierliche Einweihung findet übrigens nicht am 15. (wie neulich an einer anderen Stelle angegeben wurde) sondern am 17. d. M. statt, was wir hiermit ausdrücklich bemerken wollen.“

Die Synagoge. Aus Bildsammlung Bgm. Richter. Slg. 

Donnerstag, den 19. September 1878. „Bunzlau. Der 17. September war für die hiesige israelitische Gemeinde ein Fest- und Freudentag, denn er war der Einweihung der neuen Synagoge gewidmet. Wir haben schon einmal erwähnt, mit welcher Opferwilligkeit die Gemeindemitglieder an die Erbauung und Ausschmückung ihres Gotteshauses gegangen sind. Heut konnten dieselben nun auf das vollendet Werk, das nicht nur in seinem Aeußeren sich stattlich präsentirt und zu einer Zierde der Stadt geworden ist, sondern auch in seinem Innern eine reiche und würdige Ausstattung verbunden mit der praktischsten und zweckmäßigsten Benutzung des gegebenen Raumes erfahren hat, mit Befriedigung hinblicken. Daher gebührt nicht nur allein den Baumeistern und Handwerkern, die dabei thätig gewesen sind, sondern auch dem Leiter des Synagogenbaues, Herrn Banquier Sachs, die vollste Anerkennung. Die israelitische Gemeinde hat aber den ersten Urheber zu diesem Bau, dem verstorbenen Kaufmann Hülse, als Zeichen ihrer Pietät eine Gedenktafel in den Vorhalle der Synagoge errichtet. Die Einweihungsfeier, an der nicht nur die israelitische Gemeinde, sondern auch viele geladene Gäste der christlichen Bevölkerung theilnahmen, begann Nachmittag 5 Uhr. Vorher hatte die Uebergabe des Schlüssels an der Pforte der Synagoge durch den Herrn Mauermeister Bergmann an den Vorsteher der Gemeinde, Herrn Banquier Teichmann, unter angemessener Ansprache stattgefunden. Letzterer überreichte den Schlüssel mit entsprechender Anrede Herrn Bürgermeister Stahn, welcher das Gotteshaus unter den besten Segenswünschen aufschloß, worauf sich dasselbe mit den Festgenossen füllte. Den Fest-Gottesdienst eröffnete der Herr Cultusbeamte Tintner mit einem Segensgruß, dem ein Chorgesang: „Gesegnet, wer da kommt im Namen Gottes rc.“ und ein Gebet folgte, in welches der Gesang: „Wie schön sind deine Zelte, Jakob!“ eingelegt war. Der Eröffnung der heiligen Lade ging die von M. Tintner componirte Benediction: „Gelobet seist Du, Ewiger“ voraus. Die Eröffnung der Lade selbst erfolgte unter dem Gesange des Psalm 21, Vers 7 – 10 und unter weiteren liturgischen Gesange fand der Umzug mit zwei kostbaren Thorarollen, getragen vom Herrn Cantor Tintner und vom Rabbiner Dr. Freund aus Görlitz, statt. Herr Kantor Tintner sprach darauf ein Gebet für den König und für die Gemeinde, an welches ein Solo- und Chorgesang schloß, während welchem die Thorarollen wieder in die heilige Lade gebracht und letztere geschlossen wurde. Herr Rabbiner Dr. Freund aus Görlitz betrat die sodann die Kanzel und hielt eine Festpredigt, die allgemeinen Anklang fand. Von einer alten israelitischen Sage ausgehend, wies der Festredner in trefflicher und erhebender Weise nach, wie das neue Gotteshaus ein für alle Zeiten sprechendes Zeugniß sei von dem Geiste des Glaubens, des Lichtes und der Liebe, der in dem Volke Israel, in der ganzen Menschheit und in der hiesigen israelitischen Gemeinde walte. Nach dem Gesange des Psalm 160 sprach der Herr Rabbiner Dr. Freund noch ein inniges und tiefempfundenes Weihegebet. Die erste Hälfte der Einweihungshymne: „Braust empor, ihr Jubelchöre“, gedichtet von Cäsar Lax, componirt von G. Reßler, ging einer Ansprache des Herrn Cantor Tintner voraus, in welcher derselbe schön und klar die symbolische Bedeutung der heiligen Lade, des ewigen Lichtes und der von der Kanzel verkündigten Predigt darlegte. Während des Vortrages der zweiten Hälfte der Einweihungshymne erfolgt das Anzünden der „Ewigen Lampe“. Den Schluß machte eine liturgische Andacht. Wie dieses Gotteshaus ein schönes Zeugniß von dem religiösen Sinn, der in der hiesigen israelitischen Gemeinde lebt, ablegt, so möge auch allezeit darin nur allein Gottes Ehre, Lob und Preis verkündet werden und die Gemeinde bis in die spätesten Geschlechter Trost, Erhebung und Erbauung finden.“

In allen Berichten kann man eines deutlich erkennen: Die Juden Bunzlaus waren weitestgehend in der Mitte ihrer christlichen Mitbürger angekommen. Zumindest die verantwortlichen Behörden hatten keinerlei Berührungsängste und würdigten die jüdische Gemeinde in mehr als angemessener Form. Fünfzig Jahre später wurde im Bunzlauer Stadtblatt über das Jubiläum der Synagoge berichtet.

Der Autor des Aufsatzes ist nicht eindeutig zu erkennen, vermutlich handelt es sich aber um Artur Schiller. Abgesehen von den schon oben erwähnten Informationen können wir noch lesen: „Von dem Gotteshause selbst sagt der Chronist: „Eine Zierde unserer Stadt, zeigt es, auf welch hoher Stufe die Baukunst und die in ihrem Dienste stehenden Gewerbe sich hier befinden. Maurermeister Bergmann im Verein mit Zimmermeister Zschetzschingk haben sich mit diesem Bau viel Ehre eingelegt, die auch dem Malermeister Müller für die gelungene Malerei gebührt. Die aus den Werkstätten der Tischlermeister Tschenisch und Glasermeister Schräger hervorgegangenen Arbeiten zeichnen sich durch Geschmack und Solidität aus. Die Kupferbedachung hat Kupferschmiedemeister Hampel und die Vergoldungen Herr Könnemann ausgeführt. Für den Zaun und die Gartenanlagen, die an jenem Tage noch nicht standen, stiftete Herr S. Sachs eine größere Summe. Ueber dem Portal wurde der Spruch angebracht: „Nahe ist der Herr Allen, die ihn anrufen, Allen, die ihn in Wahrheit anrufen.“

Die Synagoge um 1900

Nach dem oben genannten Kantor Tintner waren die Kantoren Lewy, Jospe, Lewin, Angres, Fleischhauer und Unilower hier tätig. Seit einigen Jahren versieht Kantor Spier das Amt. Die hiesige jüdische Gemeinde hat von jeher ihre eigenen synodalen Gesänge gehabt, und die hiesigen Kantoren haben diese nicht nur beherrscht, sondern haben selbst in der Musik etwas geschaffen. Der Vorgänger von Tintner, Kantor Sarrasohn, ging von hier nach Stettin, wo er heute noch als Neunzigjähriger lebt. Der jetzige Vorstand der hiesigen Gemeinde ist Rechtsanwalt Hülse, dessen Großvater der eifrigste Förderer des Tempelhauses gewesen ist. Er hat ihn nicht mehr erlebt, da er schon 1863 gestorben ist. Eine Tafel ist im Vorraum des Tempels ihm zum Andenken angebracht. Der Innenraum der Synagoge ist zum 50. Geburtstag mit freundlichen Farben neu ausgestaltet. Von einer besonderen Jubiläumsfeier hat die Gemeinde Abstand genommen.“

Ergänzend zu den genannten jüdischen Kantoren: Bis 1855 war M. Kuttner als Religionslehrer tätig, 1857 ein Herr Blumenfeld. Bis 1875 J. Sarasohn, dann folgte Moritz Tintner. 1907 finden wir den Kantor Gabriel Levy, 1913 Kantor Jospe, 1914 bis 1920 Lewin. Dann folgte ein rascher Wechsel: Angres, Unilower, Fleischhauer. 1924 Hermann Spier und 1935 Kantor Joseph Freudenthal. Als Vorsitzende der israelitischen Gemeinde finden wir 1855 die Herren Sachs und Lohnstein. 1871 G. Pitsch, 1872 G. Grün. 1875 Stadtrat Adolf Teichmann, 1889 Salinger Hammer. Hammer (bis 1919 auch Stadtrat) ist der Begründer des späteren Kaufhauses Theophil Rosenthal. Im Amte war er bis nach den ersten Weltkrieg. Vorstände 1924 waren Rechtsanwalt Dr. Hülse, Kaufmann Ruppin und Kaufmann Peritz. 1935 sind es Dr. Hülse, die Kaufleute Theophil Rosenthal und Salo Berliner sowie der Fabrikbesitzer Kochmann.

Es müsste jetzt an dieser Stelle ein Bericht folgen über den Untergang der Bunzlauer Synagoge während der „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938. Es fehlt mir an belastbaren Informationen, wie genau dieser Tag in Bunzlau verlaufen ist. Spekulationen erübrigen sich, es war wie überall. Ich nenne hier einfach nur Zahlen. Wieviele Juden vor 1933 in Bunzlau lebten, kann man nur schätzen. Schon innerhalb der jüdischen Gemeinde gibt es verschiedene Zählweisen. Die wenigsten lebten ihren Glauben intensiv und nach den vorgegebenen Regeln. Nach der Zählweise der Nazis sind es vermutlich um die 150 Menschen gewesen. Nur wenige Jahre vor Beginn der Verfolgungen galten sie noch als geachtete und respektierte Bürger ihrer Stadt. Die glücklicheren unter ihnen schafften es das Land, ihre Heimat zu verlassen. Die weniger glücklichen verloren ihre Leben, ihre Spuren verlieren sich in den von Deutschen geschaffenen Ghettos und Vernichtungslagern im Osten.