Bunzlauer Mundart

Veröffentlicht von Milan Koncz am

Von Artur Schiller, Heimatkalender 1931. Bearbeitet von Hans Christiani, Bunzlauer Heimatzeitung  7/75

Im Heimatkalender 1931, der mit dem Kreise Goldberg-Haynau herausgegeben wurde, befand sich ein Aufsatz von Geheimrat Artur Schiller mit dem Thema Bunzlauer Mundart.

Mei Schatz.
Du Herzblatt und du Tausendschatz
Und alleweil mei schatz,
I hob im Herz’n Tag und Nacht
For diech allaa nor Platz.
Am Sunntag, wenn’s in d’Kerch’n läut,
Steh i am Kerchhoftor.
O hab i do a stille Freud’,
Kummst du dei Gäßla vor.
A veichla, a Rosmari,
Da senn zwa schöne Bluma:
O wie vill Zeit geht woll no hie,
Bis wir a mal zomm kumma.

Dieses in den „Fliegenden Blättern“ von 1845, Nr.15 Seite 119 abgedruckte in seiner Orthographie gewiß nicht einmal geschickt wiedergebenen Gedicht wird dort als Ansbacher Mundart bezeichnet. Ähnelt es nicht sehr unserer Bunzlauer Sprechweise? Vor Jahren hatte ich einmal Gelegenheit vier schöne Tage in der nächsten Umgebung von Bayreuth spazieren gehen zu können. Ich war erstaunt und erfreut, in dem zutraulichen Gebahren und in der Sprache der dortigen Einwohner fast meine lieben Landsleute aus Bunzlau, Dobrau oder Schönfeld wieder zu erkennen.

In Schlesien bestehen viele Dialekte. aus vielen verschiedenen Quellen haben sich die Bäche und Ströme der alten Einwanderer hierher ergossen, die das Land besiedelten. Fast jeder Kreis hat seine besonderen Töne. In Kesselsdorf spricht man schon ganz anders als in Bunzlau. In den nördlichen Teil unseres Kreises reicht meine Sachkenntnis nicht.

Vielleicht diene ich sogar der Wissenschaft, nicht bloß der Ergötzung unserer Leser, wenn ich einmal versuche die Bunzlauer Worte und Redensarten zusammenzustellen. Natürlich unter Weglassung gröblicher oder sogar zotiger Worte, in denen sich das Volk bisweilen gefällt.

Damit ich bloß meinen eigenen Bunzlauer Sprachschatz wiedergebe, habe ich erfahrene Kenner des hiesigen Dialekts ersucht, mich zu kontrollieren und zu ergänzen. Eine Diskussion über diesen Gegenstand kann vielleicht der hiesige Heimatschutzverein veranlassen und ein förmliches Wortkataster (Idiotikon) zusammenstellen.

Bloße Umlautungen von Schriftworten z. B. suste für sonst, nischt für nichts, Heem für Heim, bleiben hier füglich weg. Und nun die Aufzählung, die natürlich nicht vollständig sein kann und soll.

Abkiefen, unregelmäßig abschneiden · abknöppen, wegnehmen · abknutschen, küssen · abmurksen, töten · abpleedern, abstäuben · abrackern, sich abmühen · abschrammen, absocken, weggehen · ärschlich, unrichtig, verdreht · äußern, sich schaudern · Affe, der Affe laust mich, ich bin erstaunt · Almer, Schrank · Angstriehre, Zylinderhut · aufgedunnert, geputzt · aufmucken, Widerpart geben, aufpludern, aufplustern, aufblähen.

Babe, Napfkuchen (poln. baba) · Barbsen, die Kinder (z. B. schont ock de Barbsen, redet nichts Unpassendes) · Beest, Biest, tier lat. bestia · begeizen, sich kleinlich genau seinen Vorteil wahrnehmen · behumpsen, betrügen · bekitscheln, gut zureden · beklauben, z. B. Knochen abknabbern · belämmern, betrügen · berappen, bezahlen (von der Schweizer Münze Rappen) · beschissen, beschmutzt, betrogen · beschnuppern, beschnüffeln · beteppert, verdutzt (erschrocken über einen zerbrochenen Topf) · betreuen, für Jemanden sorgen · Betteljunge, in der Redensart: es gießt wie mit Betteljungen · betrippt, niedergeschlagen · bieß ock, sei nur · bimßen, eigentlich mit Bimsstein abreiben, schuriegeln · Boost, Buhst, wutborstig, aufgebracht sein · brammeln, nörgeln · bengen, können · breeten, fertig bringen · briehwarm, sofort · brüttig, bebrühtes Ei · Bublaatsche, Kram · Bucht, Bett · Buxenm, Hosen.

Dämelsack, mit dem D. geschlagen, verdummt · Dattel, tappriger Mensch · Deixel, pfui Deixel, euphemistische Umlautung von Teufeldermärscheln, zustande bringen · Dicknischel, Dickschädel · Dingrich, Mann · Dreckschleuder, großes Mundwerk · Drämmel, dicker Keil, dicker Mensch · Dudelei, ein Garnichts · Dussel, Duseltier, dummer Mensch.

Eibrocken, sich etwas zuziehen · eifuchsen, einlernen · Höchste Eisenbahn, es ist höchste Zeit · extern, sich schinden.

Feedern, sich schnell machen · Fettnäppel, ei’s Fettnäppel treten, anstoßen · Fimmel, verrückte Idee · fimprich, geziert · fipsig, gering, kleinlich · Fissimatenten, unnütze Umstände · Flaps, ungehobelter Mensch · Flederwisch, leichtsinnige Person · flennen, weinen · fletzen, eine Flüssigkeit vergießen · Flieder und Holunder, werden miteinander verwechselt · Forke, Mistgabel · Frechdachs, frecher Mensch · Fresse, Mundwerk · fummeln, hin- und herbewegen · funze mohl, früher einmal.

Gaake, dummes Frauenzimmer · Galgenschwengel, böser Mensch · Gamel, Umlaut von Kamel, dummer Mensch · gählinge (Ton auf der 1. Silbe) jäh · Gänsedreckel, übers Gänsedreckel führen, hineinlegen · Gefiepe, z. B. was nützt das Gefiepe, Zaudern · Gefirkse, Verwicklung · Gehabe, sich aufspielen · gemeene, sich gemeene machen, herablassend sein · Gezerre, Aufschub · Gimmel, schimpfwort Gimpel · gookeln, mit Licht herumleuchten · grammeln, greigen · gratschig, weitgriffig · gräglich, breitgräglich, weiter Gang · grätig, mißgestimmt · Griefen, ausgelassener Speck · Gröschl, a bieses Gröschl, allgemein bekannt · grün, jemanden nicht grün, nicht gewogen sein · Guschl, Küßchen.

Hacke, alte bewährte Freundschaft · Heedelerche, a singt wie ane Heedelerche, heller Gesang · Heetel, Kopf Kraut oder Salat · Herzeppinkl, Geliebte · hookern, rumhookern, dasitzen · hudeln, rumhudeln, herumzerren · Hundeangst, große Angst · Hundsloden, scharfer Tadel · hunzen, runterhunzen, ausschelten.

Jauche, Schmutzwasser · Jumfernleder, Reglisse, Süßholzzucker.

Kaleschen, rumkaleschen, herumjagen · Kaluppe, Hütte · Karfunkel, Karbunkel · Karrete, Wagen · Katriene, schnelle Katriene, Darmkatarrh · kintschen, das Gekintsche, Spiel · Klaater, schnutziges Frauenzimmer · Klabatschker, großes Mundwerk · Klamotten, Gerümpel · Klaue, Fuß, Handschrift · Kledasche, Bekleidung · Kließlhengst, Taschenmesser · Klimmbimm, Lärm, Aufsehen · Kloßbriehe, es ist klar wie Kloßbriehe · Kluft, Kleidung · knaufen, weinerlich sein · Knaupe, kleiner frecher Kerl · Knautschen, zerdrücken · Knieficke, Taschenmesser · knietschig, engherzig, geizig · Konfekt gemacht, unterschlagen · Kostgrat, Kastengerät, Wagen mit der Aussteuer · Kracke, altes Pferd · Kränke, das ist um die Kränke (Krankheit) kriegen · Krepierje, die; der Tod · kribbeln, jucken · Kriebeln und wiebeln, wimmeln · Kriegskasse, Buckel · krietschig, schief unansehnlich · Kruppzeug, schlechte Menschen oder Dinge · kujonieren, schinden · kuschen, sich, niederlegen (franz. se coucher).

Lahmtoosch, stark lahm · Laps, Schlaps, schlaffer Mensch · Laster, ein langes Laster, ein altes Laster, besonders eine Frau · Lärge, Lärche, Hund · leckerfetzig, leckerhaft · Leine, in Zieh ock Leine, d. h. gehe weg · Lititi, verrückt · Lohden, Haare · Luder, Schimpfwort · Luhsche, Pfütze (poln. Kaluza) · Lullaatsch, langer Mensch · Luppe, ekelhaftes Weib, Hündin.

Malken, abmalkern, abdrücken · manschen, mengen · Matratze, Maitresse · Mauke, Aufbewahrung · maulhänkatolsch, humoristische Umlautung von melancholisch · mausig, sich mausig machen, sich vordrängen · meldern, rauchen (von melder) · Mengenke, Angelegenheit · Mensch, das Frauenzimmer miesepetrig, kränklich · Mischkulanz, Mischung · Mohgoote, Mohgootel, einfältiger Mensch · Mohkootsch, Mohkließel, Speise aus Semmel, Milch und Mohn für die Weihnachtszeit. Mucken, mucksch, verstockt · muhscheln, malen · mulmig, unsicher · mulstrig, aufgebauscht · murcksen, langsam arbeiten.

Nacktfrosch, Kosewort für kleine Kinder · natschen, weinen · Naht, er redet eine Naht zusammen · Neegel, Rest im Trinkglas · nieseln, sachter Regen · Ninei, Kinderausdruck für Bett · nisseldrähtig, übellaunisch · nörgel, tadeln · Nulpe, gleichgültig · Nutchs, Gummipropfen · nutschen, saugen.

Oost, Aast, Aas, Schimpfwort; Mehrzahl Aester.

Paxt, Freiort im Kinderspiel (lat. pax Friede) · pärschen, sich, groß tun · Pamms, dicker Brei, Speise · Pflaumbauer, Flaumpauer, unflätiger Mensch · Plautze, ich ho’s uff der Plautze (Lunge) · pleedern, abpleedern, abstäuben · Plenten, Kleider · plenzen, rausplenzen, rausfäffern, fortjagen · Plimpelwurst, dicke Blutwurst · plümerant, es wird mir blau vor den Augen · Poocht, Bett · Popel, Schimpfwort · Prenzel, Prengel, dicker Prügel · preschen, herumjagen · Putztocke, putzsüchtige Frauensperson (Docke – Puppe).

Quammeln, quängeln · Quammelfritze, ein Nörgler · quort, es geht dich ann’ Quorg an · Quorgspitzen, (ein kleines Gebäck) Verhöhnung  ·  Quortierdl, Schnapsglas.

Raber, Radwer, Schubkarre · Rachenputzer, schnaps · rammdäsig, verbohrt · Rauhbein, grober Mensch · räkeln, sich strecken · räudel, Nichtsnutz (engl. rowdy) · reskiern, eine Lippe reskiern, ein freies Wort für wagen · robotzen, rabatzen, sich abarbeiten · rotzlöffel, Schimpfwort · rumludern, sich herumtreiben · Ruppsack, Rüpel.

Seefe, abgemacht, Seefe, die Sache ist abgemacht · Seeger, Uhr · simmlieren, nachdenken · Summs, Geräusch · Schalaster, schwatzhafte magere Frau · scheechen, spuken · schiech, krumm · schindern, auf dem Eise gleiten · Schindluder treiben, jemand foppen · schlabbern, schlürfen · schlampampen, viel verzehren

Schlampe, liederliches Weib · scharmuzieren, poussieren · schlaudern, nachlässig arbeiten · Schlippermilch, Schlickermilch, geronnene Milch · schlumpßig, schlecht sitzendes Kleid · schlurchen, schleppen · schmagostern, Schläge zur Osterzeit austeilen (poln. smigac, peitschen)· Schneiderkarpe, Hering · schnicken, quälen · Schniepel, Frack · schnurpsen, knisternes Geräusch beim Essen · Schnute, Mundwerk · schriemen, zureichen

Schriemweg, Abkürzungsweg · Schruck, Sprung · Schöpsekristel, dummer, gutmütiger Mensch (Christian) · Schubsack, Kleidertasche · schürgen, beschleunigen · schwadronnieren, schwatzen · schwiemeln, unsolide leben · stäkern, herumstochern · stänkern, Unfrieden erregen · Stiesel, einfältiger Mensch · Steppel, Kopf, kleiner Junge · Strietzel, Gebäck (polnisch strucla) · Stück, Weibsstück, gemeine Frauensperson (das Größte Stück hat’s meeste Glück).

Tausendsaßa, forscher Kerl · Taperarsch, Tapermichel, ungeschickter Mensch · tälsch, verdreht · teebs, Wirrwrr · Timpelkräte, besoffen wie eine Timpelkräte · Tepper, kleinlicher Mensch · Tippel, Töpfchen, I-Punkt · tischkurieren ·

Töle, Hund · traatschen, viel miteinander sprechen (Traasch, Aufwand) · Trahntitte, Trahnfunze, Trahnsuhse, langsamer Mensch · Traumichnich, schüchterner Mensch · Treesch, Regenguß. Ausdrücke für Trunkenheit: er hat een sitzen, hat eine Krehle, hat schief geladen, ist beschmoort, beschleucht, beschmaucht, beschwipst · trübetimplich, unlustig · Tunke, soße · Tunte, tuntig, altweibermäßig.

Unglicke, a Häffel Unglicke, eine jämmerliche Figur · Untätchen, kein, ohne Tadel · unterkietig, eitrig, gefährlich · urbern, Lärm machen.

Veralbern, veräppeln, verhöhnen (Pferdeäppel = Pferdedünger) · verbiestert, vermuckert, verstockt · verdrücken, aufessen · Vertruß, a kleener Buckel · verduften, sich fortmachen · verflixt, verpucht, euphemistische Umlautungen von verflucht; verpucht (= zugeklopft) und zugenäht

Vertumfeien, verderben · verhaspeln, verfuchsen, verwirren · verhättern, sich irren · verhunzen, verschlechtern · verkreeschen, durchbringen · vermooßt, famos · verpimpeln, verzärteln · versaubarteln, verderben, beschmutzen · verscheechen, verscheuchen, verpudeln, verderben · vertefendieren, sich verteidigen · verunjenieren, verschandeln, entzwei machen.

Wachtel, zur Wachtel machen, foppen · Wampe, Tiermagen (pol. wamp.) Bauch · Wamße, Prügel · Watschker, Geldbeutel · winseln, da wird nischt gewinselt, da gibt es nichts · wudeln, angefüllt sein · wulstern, kneten

Wursteln, fortwursteln, entschlossen handeln · verwurstelt, verwickelt · Wurschtkessel, im Wurschtkessel sein, ratlos sein. Zaspel, unbestimmte anzahl · zengstrimm, ringsherum · zermirmeln, zerkleinern

Zerschlättert, in schlechtem Bauzustande · zerteppern, entzwei machen · ziefern, vor Frost zittern · Zumpeln, Kleiderfetzen · Zumpen, ein Stück, a Zumpen Wurscht · zuschanzen, zuwenden · zuzeln, saugen; von kleinen Kindern · zwiebel, quälen.

Alle diese Worte hatte Geheimrat Artur Schiller schon vor 1931 gesammelt.

Viele Worte sind heute einem jeden Menschen geläufig. Jetzt werden sie auch die Deutung von Lärge und Luhsche sich erklären können, es waren nicht nur Worte die Leute aus Breslau benützten.

Von Artur Schiller, Heimatkalender 1931.

Bearbeitet von Hans Christiani, HBZ 7/75