Aus einer Handvoll Ton
Hajo Knebel. Erstveröffentlichung: Bunzlauer Heimat-Zeitung 14/1973
Zu einem Bunzlau-Buch von Barbara Bartos-Höppner
Zum ersten Male in der Geschichte des ehrwürdigen und literarisch bedeutenden PEN-Club ist eine Kinder- und Jugendbuchautorin in die Reihe der Erlauchten und Erwählten‘ aufgenommen worden. Daß diese bedeutende Ehrung der aus Eckersdorf im Kreise Bunzlau stammenden Schriftstellerin Barbara-Höppner zuteil wurde, sollte uns alle mit besonderer Freude und mit berechtigten Stolz auf unsere einstige Mitbürgerin und Heimatfreundin erfüllen.
In einem früheren Beitrag haben wir bereits einmal kurz über Leben und Werk von Barbara-Höppner berichtet, die am 4. November 1923 in Eckersdorf geboren wurde, bis 1948 in Schlesien lebte, nach der Vertreibung vorübergehend in der Lüneburger Heide und in Hamburg-Altona Heimstatt fand und seit 1960 in Buxtehude mit ihrer Familie wohnt. Zu den zahlreichen Veröffentlichungen aus ihrer Feder haben sich in den letzten Jahren neue Arbeiten gestellt, u. a.: Die Töchter des Königsbauern; Der gezähmte Falke; Das tönende Holz; Kosaken gegen Kutschum-Khan; Taigajäger, Rettet den Großen Khan; Sturm über dem Kaukasus; Achtung-Lawine; Die Bucht der Schwarzen Boote; Aljoscha und die Bärenmütze; die meisten dieser Bücher sind zugleich in Übersetzungen in den USA, in England, in Südafrika, in Italien, Spanien, Portugal, Holland erschienen und in die Auswahlliste zum Deutschen Jugendbuchpreis aufgenommen worden.
1963 erhielt Barbara Bartos-Höppner den 1. Preis der New Yorker Tribune beim Children Spring Bock Festival, nun gar ist sie (1970) in den Pen-Club aufgenommen worden, eine äußerst ehrenvolle Berufung, zu der auch die BHZ sehr herzlich gratuliert.
Im 1. Programm des Deutschen Fernsehens wurde die Autorin in der von Otfried Preussler geleiteten Kinderstunde Vier Autoren erzählen eine Geschichte‘ vorgestellt neben Otfried Preusler, James Krüss und Peter Härtling.
Daß Barbara Bartos-Höppner ihre schlesische Heimat, ihre Herkunft aus dem Kreise Bunzlau nicht vergessen hat, beweist das 1967 im Baken-Verlag Walter Schnoor erschienene, für den Gebrauch in den Schulen der Freien und Hansestadt Hamburg behördlich zugelassene, als Band 17 der Baken-Bücherei herausgegebene, reich illustrierte, 128 Seiten umfassende Buch Aus einer Handvoll Ton‘.
Dieses Buch ist ein Werk dankbarer Erinnerung u. liebevollen Gedenken an Bunzlau, die Stadt des Guten Tones, ein Zeugnis bleibender Heimatliebe, ein Loblied auf die Töpfer der Stadt am Bober, ein schöner Beweis dafür, wie Barbara Bartos-Höppner auch heute noch mit ihrem Herzen an der unvergessenen Heimat hängt. Das Buch verdiente es, in den Bücherschränken der Bunzlauer einen Ehrenplatz zu erhalten. Der Inhalt des Buches Robert Giebler, geboren am 21. 11. 1894 in Bunzlau, seit 12 Jahren fahrender Töpfermeister, lernt bei einem Besuch in einer Schule, wo er den Kindern an der Drehscheibe die Arbeit des Töpfers vorführt und erklärt, den 16jährigen Helmut Wagenknecht kennen, lädt ihn zum Besuch in seinem Töpferbetrieb im Westerwald ein, gewinnt ihn als Lehrling, Gesellen und Mitarbeiter und nimmt ihn in der Familie so auf, als sei er der 1945 in den Kriegswirren verschollenen Enkel. Eingebaut in die lesenswerte, überaus spannende, jugendgemäße Handlung des Buches sind immer wieder Erinnerungen und Hinweise auf Bunzlau und das Bunzlauer Töpferhandwerk, z. B.:
»Der Ton in meiner Heimat wurde bei 1 300 Grad und darüber gebrannt, dadurch wurde er feuerfest. Die Bunzlauer Milchtöpfe konnte man auf die glühende Herdplatte stellen, das hielten sie alles aus.
In meiner Heimat wurde der Ton gefördert. Zehn Meter tief lag er dort etwa . » . Wenn man in der Bunzlauer Gegend über Land fuhr, dann sah man kleine Holzbuden stehen, die auf ihren Dächern ein Rohr auf einem Trichter sitzen hatten. . . ein ganz einfaches Lüftungsrohr für den Stollen in der Erde.« So erinnert sich der Bunzlauer Töpfermeister Robert Giebler auf S. 17. Auf der Seite 18 findet man dann eine Zeichnung einer Tongrube mit Ventilationsrohr für den Untertagebau aus der Bunzlauer Gegend.
Seite 27 heißt es in dem Buch von Barbara Bartos-Höppner: »Genau gegenüber, an der Wand im Flur, hing zwischen zwei Borden eine Fotografie unter Glas. Ein Kaffeeservice war darauf zu sehen mit einem Blütenmotiv auf geschwämmeltem Grunde. Darunter stand: Kaffeeservice aus der Werkstatt Robert Giebler, Bunzlau.
Dieses Bild war alles, was übrig geblieben war… Die Zeiten ändern sich. . Wir haben beide an unseren Bunzlauer Tonfuhrmann Rösler gedacht, der uns daheim durch die Jahre mit seinem Schimmelgespann den Ton von der Grube gebracht hatte. Gebückt, in blauer Leinenjacke, ging er immer neben dein vollbeladenen Brettelwagen her. Die Leine hielt er wie Spielzeug in den Händen, und wenn er mit seinen Pferden redete, wackelte der Rest der Zigarre zwischen den Lippen hin und her, schwarz und kalt und in Gefahr, verschluclzt zu werden. Nach einer angebotenen Zigarre langte er stets mit den Worten: »Ich bin so frei . . . « Und das leergetrunkene Schnapsglas gab er einem mit der Bemerkung zurück: »Mit der Sorte kann man hundert Jahre alt worden.«
Beim morgendlichen Blick aus seinem Haus in Höhr-Grenzhausen im Westerwald (Seite 36) »konnte es dann vorkommen, daß sich das Bild plötzlich vor Giebler verwandelte und zu der schmalen Schwibbogenstraße seiner Heimatstadt Bunzlau wurde, die er wegen ihres altertümlichen Anblickes besonders liebte. Oder er stand unversehens vor den barocken und spitzgiebeligen Häuserfronten des geräumigen Marktplatzes, dem Rathaus gegenüber. . .
Das Land drüben in seiner engeren Heimat war sanfter gewellt, und nach Norden, zur Oder hin, zog sich über weite Flächen eine dunkle, fruchtbare Ebene. Nur südwärts, auf Riesen- und Isergebirge zu, wuchsen die Berge höher.« Seite 55 zeigt, von Marion und Rolf Meyn gestaltet, die Zeichnung eines alten Bunzlauer Kruges mit aufgelegten Ton. Ornamenten, Seite 88 eine Bunzlauer Kaffeekanne mit Dekor ‚Pfauenauge‘, Seite 95 eine Bunzlauer Teekanne mit PfauenaugeDekor. Im Text von S. 55 heißt es: »Was die Frau aus Köln in Höhr-Grenzhausen suchte, das ist eine ganz alte Bunzlauer Technik. Da legten die Töpfer den Krügen und Vasen Schmuckmotive aus Ton auf, Blüten, Ranken oder Tiere. Ein ganzes Kapitel des Buches ist schließlich der Erinnerung an eine alte Bunzlauer Tonffrau und einen Besuch bei ihr gewidmet. Da liest man u. a.: »Die Schmidt’n, die alte Topffrau, hatte den Topfhandel auf eine Weise betrieben, wie er vor dem letzten Krieg schon eine Seltenheit geworden war. Bei schönem Wetter mit schwarzem Strohhut, bei schlechtem mit einem schwarzen Kopftuch über den grauen Haaren, ging sie mit einer Kiepe auf dem Rücken und einem Korb am Arm über Land, um den Dorfleuten unsere Tonwaren zu verkaufen.
Für ihre längeren Wege leistete sie sich gelegentlich das Postauto. Meistens aber ging sie zu Fuß, um das Geld zu sparen. Klein und schmächtig war sie, aber flink wie ein Wiesel. Sie kannte jeden, und jeder mochte die freundliche Frau. Es gab damals kein Fuhrwerk auf der Landstraße, das nicht noch Platz für die Schmidt’n und ihre Kiepe gehabt hätte. Am Sonnabend vormittag, wenn in Bunzlau der Wochenmarkt abgehalten wurde, thronte sie auf einem Schemel über Tassen und Schüsseln, Milchtöpfen und Kaffeekannen, die um sie her auf dem Pflaster standen. In den letzten Jahren handelte sie nur noch mit kleiner Ware. Wer Sauerkraut- und Gurkenkruken kaufen wollte, mußte zur Konkurrenz gehen. Das verdroß sie, und wenn sie zu uns kam, um neues Geschirr zu kaufen, redete sie oft von der Zeit, als sie noch mit ihrem Vater und seinem Pferdegespann über Land gefahren war. Der Topfhandel lag nämlich in der Familie, und auf dem Planwagen ihres Vaters hatte es an nichts gefehlt, ob nun Bettwärmer, Brotbüchsen, Einlegegeschirr oder Kuchenformen ge,braucht wurden. »Ein ganzseitiges Bild (S. 101) zeigt dann eine schone Zeichnung des Topfmarktes vor dem Bunzlauer Rathaus. In ihren Wort- und Sacherklärungen schreibt die Autorin zu dem Stichwort: Buiizlau: »Stadt in Schlesien, 1547 erste bezeugte Töpferzunft. 1897 Staatliche Fachschule für Töpferei und Keramik gegründet 1945: 20 000 Einwohner, Zentrum der Ostdeutschen Keramik.«
In ihrem Nachwort zu dem Buch Aus einer Handvoll Ton‘ bekennt Barbara Bartos-Höppner schließlich: »Mancher meiner schlesischen Landsleute, der wie ich in Bunzlau geboren wurde, antwortete auf die Frage nach seinem Herkunftsort: »Ich stamme aus Bunzlau, der Stadt des guten Tones.« Das ist eine verschmitzte Antwort, die ihre Wirkung auf Uneingeweihte nicht verfehlt. Doch seine gute Kinderstube derart zu preisen, hieße sie verleugnen. Was also kann gemeint sein? Ist Bunzlau eine Stadt der Musikpflege gewesen? Nicht mehr und nicht weniger als jede andere Stadt, die etwas auf sich hält. So kann sich die Sache mit dem guten Ton nur auf die dritte Bedeutung des Wortes beziehen. Meine Heimatstadt Bunzlau war eine Töpferstadt, Drehscheiben und Trockengestelle, Topfmarkt und Topffrauen gehören zu meinen Kindheitserinnerungen, Töpferfamilien zu meinem Verwandten- und Bekanntenkreis. Mit den wohlgeformten Erzeugnissen aus ihren Werkstätten bin ich aufgewachsen – In Schlesien gab es am Sonntag Lätare den fröhlichen Brauch des Sommersingens. Mit einem Körbchen in der einen Hand, einem mit bunten Blumen und Bändern geputzten Stab in der anderen, zogen wir als Kinder in aller Frühe von Haius zu Haus, um mit unseren Sommerliedern den Winter zu vertreiben und den Sommer herbeizusingen. Mit Süßigkeiten, Backwaren und Eiern wurden wir dafür belohnt. In einer Erzählung beschrieb ich solches Sommersingen aus der Sicht des Kindererlebnis und wußte von da an meinen Weg als Schriftstellerin. Von jungen Menschen und für junge Menschen zu schreiben.“
Die schlesische Heimat gab Barbara Bartos-Höppner also den Ansporn für ihre schriftstellerische Arbeit. Der Bunzlauer Autorin, die uns Bunzlauern das heimatliche Jugendbuch Aus einer Handvoll Ton‘ schenkte (im Vorspann dankt sie Georg und Steffi Peltner aus der Kunsttöpferei der Töpfermeisterin Margrit Stolterfoht in Hamburg, dem Illustrator H. M. Jaschinski, Autor des Buches „Keramische Arbeiten’“für fachkundliche Beratung und Prüfung), ist zu danken und von Herzen für den weiteren literarischen Weg alles Gute zu wünschen.