Artur Schiller
Von Arnold Glander. Erstveröffentlichung im „Bunzlauer Stadtblatt“, Ausgabe 14. Mai 1928.
Es ist vielleicht seltsam: wenn ich nachts durch die traumstille Stadt gehe, auf deren Giebelhausdächern und Türmen das silberne Mondlicht gleißt und ich das Atmen der schlafenden Blumen auf den Beeten zu spüren meine, dann ist es mir stets, als müßte der kommen, dessen Namen ich nicht zu nennen weiß, dessen Morgen blühte, als der erste Hämmerschlag zur Gründung Bunzlaus hallte, dessen Abend verdämmern wird, wenn die Menschen verlernt haben werden, die Sprache der Steine zu verstehen und den beseelten Stein zu lieben.
Und noch seltsamer mag es sein: wenn mir meine Phantasie so recht Possen zu spielen beginnt und sie mir aus dem träumenden Dunkel der Gassen heraus diesen Unnennbaren entgegenführt, so daß ich seiner Schritt furch die heilige Stille hallen zu hören glaube, dann sehe ich ihn schreiten: auf seinen Schultern einen wallenden Mantel tragend, zögernd, oft den Schritt verhaltend, das greise Ahasverhaupt schräg vorgebeugt, einmal Zustimmung nickend, dann wieder unwillig etwas ablehnend, dann wieder verweilend, als suche er das verklungene Lied vergangener Jahrhunderte zu erlauschen.
Geheimer Justizrat Artur Schiller
Warum ich heute und gerade unter dieser Ueberschrift davon plaudere, wovon ich bis jetzt noch zu niemanden sprach? Weil ich von ihm sprechen will, dessen Seele erfüllt ist von jener großen Kraft, die wir die Liebe zur Heimat nennen. Und indem ich mich in das heilige Mysterium dieser Persönlichkeit zu versenken suche, drängen sich wieder jene Gesichte vor mein inneres Auge, als müßte das so sein.
Denn von Geheimrat Artur Schiller reden, heißt einen Wanderer schildern, der zwar mit uns durch unsere Tage geht, dessen Geist aber aus jenen Bronnen schöpft, die nur für wenige sprudeln und dessen Spuren die kommenden Geschlechter Bunzlaus ehrfürchtig schätzen werden – heißt einer Persönlichkeit gerecht werden wollen, deren Leben der Tat – für die Heimat – geweiht ist. Der bisherige Weg seiner Wanderschaft dürfe allen Freunden des Heimatgedankens bekannt sein: am 16. Mai 1858 als Sohn des Kgl. Baurats Richard Schiller und dessen Gattin Hermine, geb. Henning, im Hause des Klempnermeisters Reimann, damals dem Kaufmann August Wildenhof gehörig (Oberstraße 17) geboren, verlebte er eine sonnige Kindheit, erhielt seinen ersten (Privat-) Unterricht von Lehrer Limpricht, besuchte die Volksschule in Goldberg von 1864 bis 1866 und die dortige Lateinschule bis 1870. Von 1870 bis 1876 bereitete er sich im hiesigen Gymnasium für seine Studien in Leipzig, Heidelberg und Berlin vor. Das Referendarexamen legte er in Berlin im Jahre 1880 ab. Zwei Jahre später wurde er Offizier im Infanterie-Regiment Nr. 19, 1886 wurde er Assessor und schließlich am 1. Dezember 1889 Amtsrichter in Gleiwitz. Seine Gattin, Ilona von Pillich, führte er 1890 aus Budapest heim. Von 1900 bis 1920 bekleidete Artur Schiller das Amt eines Aufsichtsrichters in Gleiwitz, wo er am 1. September 1913 zum Geheimen Justizrat ernannt wurde.
Doch um den äußeren Lebensweg eines Menschen wissen, heißt nicht, den Menschen kennen. Das trifft vollends auf Artur Schiller zu. Mögen ihn seine Gaben und sein Können befähigt haben, seine amtliche Lebensarbeit zur restlosen Anerkennung der vorgesetzten Behörden zu erfüllen, so daß bei seiner Ernennung zum Geheimen Justizrat der „Oberschlesische Wanderer“ schrieb: „Amtsgerichtsrat Schiller zum Geh. Justizrat ernannt. Die außergewöhnliche Ehrung löste in allen Schichten nicht nur der Gleiwitzer Einwohnerschaft, sondern weit über den Stadtkreis Gleiwitz hinaus, freudige Genugtuung aus, denn war je eine Ehrung verdient und am rechten Platze, so war es diese …“ Mag er als Erfinder einer eigenartigen Kurzschrift bewiesen haben, wie vielseitig sein Geist zu schaffen vermag; mag ihn viel früher seine Kenntnis der ungarischen Sprache zum Gerichtsdolmetsch für Schlesien gemacht haben: Die ganze Seelenkraft dieses Mannes gehörte der Allgemeinheit, speziell der Pfelge heimatlicher Werte, die aus dem Nichts Bleibendes schuf.
Als Hauptwerk seines Lebens in der Zeit blühender Manneskraft darf die Gründung des Oberschlesischen Museums in Gleiwitz genannt werden, dem er einen eigenen Typ dadurch verlieht, indem er in ihm eine Stätte des jetzt selbstverständlichen Eichendorffkultus bereitete. Man muß Artur Schiller selbst schildern hören, mit welchen bescheidenen Mitteln jenes große Werk begonnen wurde, um ermessen zu können, was Oberschlesien ihm zu verdanken hat. Mit fast gleicher Energie brachte er den Kreiskriegerverband Gleiwitz zu hoher Blüte, so daß es begreiflich ist, daß die oberschlesische Presse bei seinem Scheiden aus Oberschlesien nut höchste Anerkennung zu zollen wußte und daß sich die Stadt Gleiwitz noch heute zu dankbarem Gedenken verpflichtet fühlt. (Presseäußerungen siehe Bunzl. Heimatkal. 1928, Aufsatz „Artur Schiller“ vom Herausgeber.)
Herbe Schicksalsschläge trafen ihn und sein Haus: Der Heldentod des einzigen Sohnes im Jahre 1915, um dessen Hingang die opfernden Eltern zweimal trauern mußte, da die erste Todesnachricht widerrufen wurde um nach jubelndem Hoffen doch bestätigt zu werden – das Hinweggerafftwerden der einzigen Tochter aus glücklicher Ehe im Jahre 1918, das waren Schläge, um für Zeiten das Herz erstarren zu lassen.
Seit 1920 hat ihn, den Nimmermüden, die Vaterstadt wieder. Mit vollem Eifer setzte er alle seine Kräfte ein, um hier das fortzusetzen, was er in Gleiwitz aufgegeben hatte. War es dort Eichendorff gewesen, so ist es hier der Boberschwan Martin Opitz, dem er sein besonderes Interesse zuwandte. Seine Schriftstellerfeder ruhte nie, und fixiert heute noch so manches interessante, hochwichtige Bild aus dem Leben dieses Dichters, wie ja auch Andreas Tscherning und andere große Söhne Bunzlaus in Artur Schiller einen Pfleger ihres Andenkens gefunden haben. Kulturgeschichtliche Studien, besonders die Vaterstadt betreffend, sind seine besondere Freude. Und mancher Lehrer der Heimatkunde verdankt dem Bienenfleiße dieses Historiker reiche Anregung und wertvolles Material. Es gibt kaum ein Gebiet des Heimatschutzes und der Heimatpflege, das nicht durch ihn bereichert worden wäre, sei es die Mundartenforschung, die Trachtenfrage, die Reim- und Spielsammlung, die Sammlung von Bildern, Gemälden usw.
So war es scheinbar selbstverständlich, daß er sich mit aller Energie dem im Jahre 1911 durch Maurermeister Peter Gansel gegründeten Museum der Stadt Bunzlau widmete, das er zu beachtlicher Höhe geführt hat. Könnte nur sein Herzenswunsch nach baulicher Erweiterung dieses „seines Museums“ erfüllt werden, so dürfte es die Stadt und die Bevölkerung des Kreises, sowie eine weite Umgebung nicht zu bereuen haben, Kosten aufgewandt zu haben in einer Zeit, da ein Meister sich ihm widmet!
Ist es nach all dem verwunderlich, daß „Unser Herr Geheimrat“ zu den populärsten Persönlichkeiten Bunzlaus gehört? Findet einen verdächtigen Scherben – ihr bringt ihn gewiß dem „Herrn Geheimrat“. Oder sollte eine nicht alltägliche Postkate, ein alter Patenbrief, ein Haubenband oder was auch sei, nicht dem alten Herrn ein Freude machen? Fragt ihn nur, we anno dazumal Besitzer dieses Hauses oder jenes Gartens gewesen sein mag – er steigt in „sein“ Ratsarchiv und er wird euch sagen, was ihr wissen wollt und euch womöglich noch nachweisen, daß ihre Nachfahren dessen seid, den seit Jahrhunderten die Erde birgt. – Oder kommt nur, ihr Fremden, ihr Maler, Kunsthistoriker, Forscher – „Unser Herr Geheimrat“ hat noch jedem dankbare Verehrung abgenötigt.
Soll ich nun noch den allzeit zu liebenswürdigem, geistvollem Humor aufgelegten, an das Gute im Menschen glaubenden, die schönen Künste liebenden Romantiker zu zeichnen versuchen? Es erübrigt sich wohl; denn wer zum 70. Geburtstag nicht „auf die Postille gebückt, hinter dem wärmenden Ofen“ dem Treiben der Welt zuschaut, sondern noch all die Liebe und Energie aufbringt, um „der Schlüssel der Heimat“ zu sein, der mß wohl zu jenen Menschen gehören, die weit über den Dingen stehen, die klein machen können.
Artur Schiller darf heute die Genugtuung haben, nicht ungedankt sein Herz und seine Kraft verschenkt zu haben. Auf seinem Werk lag und liegt Segen; es begeisterte, zwang zur Anerkennung und Verehrung. Im Schlesierlande gilt er bei den Freunden der Heimat als hervorragende Persönlichkeit; er ist seit Jahren Ehrenmitglied des Schlesischen Bundes für Heimatschutz und Heimatpflege und seit Bestehen des Bunzlauer Vereins für Heimatschutz dessen Ehrenvorsitzender. Wie schon erwähnt, hat die oberschlesische Presse s. Z. einstimming sein Schaffen und Wirken anerkannt und bezeugt, daß sich sein Bild kaum noch aus dem Begriff Oberschlesien wegdenken lasse. Dem ersten Bunzlauer Heimatkalender wurde sein Porträt und eine Würdigung seiner Person beigegeben als schuldiger Tribut für seine Arbeit, die das Fundament für den Bau, an dem der Heimatschutzverein wirkt, dient. Seit Jahren trägt einer der reizvolsten Promenadenwege unsers schönen Städtchens seine Namen. So ist bereits jetzt dafür gesorgt, daß der Name Artur Schiller für alle Zeiten mit Bunzlau, seiner Vaterstadt, verbunden und in ihr lebendig bleibt.
So steht Artur Schiller im Abendrot. Der 70. Geburtstag ist bestrahlt von viel liebender Dankbarkeit.
Möge sich die Leserschaft des „Bunzlauer Stadtblattes“, die beim Lesen seiner so häufig hier erschienenen Aufsätze oft stillächelnd einen lieben, alten Freund grüßte, durch diese Zeilen geeint wissen in dem Wunsche: Helfe Ihnen Gott weiter, lieber Herr Geheimrat!
Geheimrat Schiller Ehrenbürger von Bunzlau
Bunzlauer Stadtblatt, 19. Mai 1928. Von Karl Wiechmann
Herrn Geheimrat Schiller ist zur Feier seines 70. Geburtstages von den städtischen Körperschaften einstimmig das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bunzlau verliehen worden. Er ist von diesem Beschlusse am Morgen des 16. Mai durch folgende Drahtung des Herrn Ersten Bürgermeisters Burmann in Kenntnis gesetzt worden:
Hochverehrter Herr Geheimrat!
Es ist mir eine besondere Ehre und eine große Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß die städtischen Körperschaften einstimmig beschlossen haben, Ihnen zur Feier des 70. Geburtstages das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bunzlau zu verleihen.
Ihre unermüdliche Arbeit für das Wohl der Stadt, Ihre in allen Kreisen ungemein geschätzte Persönlichkeit, Ihr idealer Sinn, der immer das Gemeinwohl über alles stellte, haben Sie allezeit ausgezeichnet. Wir denken Ihrer am heutigen Tage mit besonderer Liebe und Wertschätzung. Möchten Sie uns als Ehrenbürger noch recht lange der unentbehrliche Mitarbeiter sein.
Auch Ihrer Frau Gemahlin, die Freud‘ und Leid mit Ihnen geteilt hat, dürfen wir zu diesem Ehrentage die herzlichsten Glückwünsche aussprechen.
Mit dem Ausdruck der vollkommendsten Hochachtung Ihr stets ergebener Burmann, Erster Bürgermeister.
Die Ehrung durch die städtischen Körperschaften entspricht der Erfüllung eines Wunsches, den wohl jeder echte Bunzlauer am 70. Geburtstage Geheimrat Schillers im stillen gehegt hat. Das Museum hat inmitten des prächtigen Blütenflors hinter einem Kranz von weißen und roten Tulpen im Sonnenglanz gestanden, als es von dieser Ehrung erfuhr. E war uns, als habe es gelächelt und triumphiert, daß das Herz unseres Geheimrats noch so jung ist wie die Frühlingspracht ringsum.
Geheimrat Artur Schiller
Zum 100. Geburtstag des Bunzlauer Heimatforschers und Gründers des Oberschlesischen Museums Gleiwitz. Mai 1958 von Karl Wiechmann.
Die Bunzlauer und Gleiwitzer gedenken am 16. Mai in Treue des 100. Geburtstages ihres verehrten Geheimrats Schiller. Wir sehen ihn noch immer durch die Straßen wallen, unseren guten Geheimrat, mit dem grauen Capemantel aus schwerem Tuch, wohl noch ein Überbleibsel aus der Reserveoffizierszeit beim Infanterie-Regiment 19. Dazu trug er im Winter eine warme Ohrenmütze, die bekannte Kopfbedeckung für Fuhrleute und Bauern zu kalten Jahreszeit.
Das war das äußere Bild des Geheimen Justizrates Arthur Schiller. Er war Bunzlauer Kind und kannte jedes Haus in der Altstadt. Die neuen Wohnviertel mögen ihn weniger interessiert haben, da sie für ihn noch unbeschriebene Blätter waren. Und doch wird er all die Zeitungsausschnitte von dem Neuen, das am Stadtrand entstand, gesammelt und registriert haben.
Diese Liebhaberei, die Zeit festzuhalten und die Geschehnisse nach Jahr und Tag in Zetteln und Heften zu konservieren, übte er auch in Gleiwitz aus, wo er das Oberschlesische Museum im Jahre 1905 gründete. Seit 1889 war er dort Amtsrichter und seit 1900 Aufsichtsrichter. Als er 1920 in den Ruhestand trat und in seine Heimatstadt Bunzlau zurückkehrte, wurde ihm bestätigt, daß Oberschlesien durch Schillers Weggang eine Persönlichkeit verloren hatte, die schwerlich zu ersetzen war.
Den Gewinn hatte Bunzlau. Hier konnte sich Schiller, ungestört von Berufsarbeit, ganz der Heimatforschung widmen. So benutzte er sein reiches Wissen von Stadt, Menschen und historischen Persönlichkeiten, um so tief wie möglich in die Geschichte Bunzlaus einzudringen und in viele Winkel der Jahrhunderte hineinzuleuchten, in denen es noch dunkel war. Ein guter Helfer war ihm dabei das Werk das sein Onkel Dr. Ewald Wernicke, hinterlassen hatte, die Bunzlauer Chronik, die mit dem Jahre 1884 abschloß. Was nach dieser Zeit in seiner Heimat geschah, trug er sorgfältig zusammen. Diese Nachträge zum Wernicke erschienen einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg im Bunzlauer Stadtblatt. Die Geschichte des Großen Topfes, der Singuhr, der Bunzlauer Burg, das Leben und Wirken des Boberschwans Martin Opitz und des von Lessing und Klopstock bewunderten Andreas Tscherning kannte er wie kaum ein anderer und ging immer wieder anderen und älteren Spuren nach, um der historischen Wahrscheinlichkeit und Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Im Bunzlauer Museum, das von Maurermeister Peter Gansel gegründet und am 25. Januar 1911 eröffnet worden war, sammelte er viele Kostbarkeiten in den Vitrinen und Schränken mit ihren großen Schubladen. Die Entwicklung der Bunzlauer Töpferkunst ließ sich hier an Schaustücken durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte verfolgen, Utensilien, Schriftstücke, Drucke und Fotos wurden von Artur Schiller liebevoll und sachgemäß geordnet. Fast jeden Monat veranstaltete er kleine Sonderausstellungen, die das Interesse der Bevölkerung am Museum immer neu belebten. Wie oft begegnete man dem Geheimrat im Turmzimmer mit neuen Schätzen, die ihm alte Bunzlauer daheim oder aus der Ferne zugeschickt hatten. Dies wurde alles genau registriert und als Zugänge in der Heimatpresse verzeichnet. Im Turmzimmer des Museums lag auch das Gästebuch aus, in dem von Gerhard Hauptmann bis zum Onkel Fritz aus Amerika tausende Namen zu finden waren. Im Bunzlauer Museum herrschte Leben. Es lag nicht versteckt und verlassen da wie viel andere Heimatmuseen und bot wohl auch mehr – allein schon durch die Singuhr mit ihren beweglichen Passionsfiguren, die vom Museumswärter Jung immer wieder aufgefrischt und mit dem Mechanismus in Kontakt gebracht wurden. Und den großen Topf konnte man sich hundertmal ansehen und hatte immer wieder seine Freude daran, namentlich wenn der Geheimrat ihn kommentierte. Daß dieses nicht alles nur äußerliche Schau blieb, sondern im inneren Wesen sich darbot, dafür hat Arthur Schiller mit großer Hingabe gesorgt. Der Bunzlauer Verein für Heimatschutz würdigte Schillers Verdienste durch Ernennung zum Ehren-vorsitzenden.
Nicht weit vom Museum lag Schillers Geburtshaus. Im Hause Oberstraße 17 (Klempnermeister Reimann) war er am 16. Mai 1858 zur Welt gekommen. Namentlich der Garten mit dem Pavillon, der in den Jahren vor 1945 in bunten neuen Farben leuchtete, hatte es ihm angetan. Wir haben ihm gern zugehört, wenn er am Haaseberg stand und aus seiner Jugendzeit in diesem Garten erzählte. Er glaubt sich bis zum Herbst 1859 zurückerinnern zu können und führte als Beweis den Durchzug einer bestimmten Truppe durch Bunzlau an, den er vom Fenster des Hauses in der Oberstraße mit erlebte. Das Datum dieses Ereignisses ließ sich in alten Zeitungen noch feststellen, und siehe, der kleine Arthur war damals nur anderthalb Jahre alt.
Schillers Vater war Baumeister, später Baurat, und am Bau der Heilanstalt maßgeblich beteiligt. Er war auch der Erbauer der Villen an der Ostseite der Löwenberger Straße, die im spitzen Winkel zur Baufluchtlinie standen, weil ihm wohl das langweilige Bild von Reihenhäusern auf die Nerven gegangen war.
Als sechsjähriger Junge mußte Arthur Schiller vorübergehend seine Heimatstadt verlassen. Gerade dadurch wurde wohl seine große Sehnsucht und Liebe zur Vaterstadt Bunzlau geweckt. Bis zum Jahre 1870 lebte er mit seinen Eltern in Goldberg und kehrte als zwölfjähriger nach Bunzlau zurück, das er nach dem Abitur verließ, um Jura in Leipzig, Heidelberg und Berlin zu studieren. Seit 1889 Amtsrichter in Gleiwitz heiratete er 1890 die charmante Ilona Pillich aus Budapest, lernte dadurch die ungarische Sprache und ist lange Jahre Gerichtsdolmetsch für Ungarisch in Schlesien. Aus der Ehe gehen ein Junge und ein Mädchen hervor, an denen sich die glücklichen Eltern zwei Jahrzehnte erfreuen können. Dann kommt der erste Weltkrieg und rafft den Sohn und die Tochter hinweg. Die Ernennung Arthur Schillers zum Justizrat erfolgt bereits 1913 in tiefsten Frieden.
Was aus seinen reichen Sammlungen und Niederschriften geworden ist, konnten wir nicht feststellen. Wir wissen nur, daß es in seiner Wohnung an der Logenstraße (?) nach seinem Weggang genauso wüst aussah wie in allen anderen Wohnungen und Häusern. Einige Monate diente die Wohnung den Sowjets als Lazarett. Auch das Museum wurde geplündert. Das Ratsarchiv und die Büchereien der Oberstraße, der Zahnschen Anstalten und der Keramischen Fachschule scheinen teilweise erhalten geblieben zu sein, denn russische Kulturoffiziere suchten nach dem Einmarsch dort nach geschichtlichen Daten für ihren Feldmarschall Kutusow. Vielleicht fanden sie auch Schillers Leitfaden für eine schnell erlernbare Stenografie und seine Sammlung von Kinder- und Abzählversen. Seine verwüstete Heimatstadt hat er niemals wieder gesehen. Fünf Monate nach der Flucht starb er am 2. Juli 1945 in Görlitz. Bunzlauer, die dort leben, pflegen sein Grab.