Die Stadt Bunzlau in ihrer heutigen Entwicklung

Veröffentlicht von Milan Koncz am

A. S. Erstveröffentlichung: Bunzlauer Stadtblatt-Kalender 1914

Zwar gehört Bunzlau nur zu den Städten mittlerer Größe im Regierungsbezirk Liegnitz, und es nimmt der Einwohnerzahl nach auch da noch nicht den ersten Platz ein, es steht aber, wenn man die Höhe der Aufwendungen berücksichtigt, die es in den letzten 10 bis 15 Jahren für Schulhaus- und Kanalbauten, für Straßenpflasterarbeiten usw. gemacht hat, zweifellos in der vordersten Reihe, denn manche größere Stadt nicht nur Niederschlesiens wird sich in dieser Beziehung sogar kaum mit ihm messen können.

Neues Villenviertel (Gansel- und Taemmerstraße)

Betrachten wir zunächst einmal die verschiedenen Baulichkeiten, die in dem letzten Jahrzehnt entweder neu entstanden sind, oder durch Umbauten ein verändertes Aussehen erhielten, und die jetzt das Stadtbild wesentlich zu seinem Vorteile beeinflussen. Gelegentlich der Hundertjahrfeier der Einführung der Städteordnung beschlossen die Bunzlauer städtischen Körperschaften, das bisherige Stadtpfeiferhaus an der Oberpromenade zu einem Heimatmuseum umzugestalten. Die erforderlichen Mittel für den Umbau wurden bewilligt, und im Mai des Jahres 1911 konnte das Gebäude seiner neuen Bestimmung übergeben werden. Verschiedene Mitglieder alteingesessener Bunzlauer Familien, sowie Personen, die ihrem Geburtsorte treue Anhänglichkeit bewahrten, und zahlreiche andere Freunde des Museums hatten diesen Beschluß mit Freuden begrüßt und dem Museum wertvolle Stiftungen gemacht. Eine der Haupterwerbungen der Stadt bildete aber die Singuhr, die einst nach auswärts verkauft worden war und die nun wieder nach Bunzlau zurückkehrte und im Museum Aufstellung fand. In jüngster Zeit ist auch der große Topf dortselbst untergebracht worden. Bunzlau ist unablässig bestrebt gewesen, sich seinen Ehrennamen zu wahren, die Stadt der Schulen, „das schlesische Halle“ zu sein. Denn gerade für Schulbauten sind im Verhältnis zur Größe des Gemeinwesens gewaltige Summen ausgegeben worden. Mit dem Betrage, der für den neuen Seminarbau bereits bewilligt wurde, dessen Ausführung im Jahre 1914 bevorsteht, sind es mehr als eine halbe Million Mark, die für diesen Zweck von den städtischen Körperschaften zur Bewilligung gelangten. Zuerst wurde ein neues Gebäude für die bisherige höhere Mädchenschule errichtet, welche nach ihrer erfolgten Ausgestaltung den Namen Lyzeum erhielt. Dieser imposante Schulpalast, der im August 1912 seiner Bestimmung übergeben wurde, ist an der Ecke der Teich- und der Schützenstraße aufgeführt worden, es ist das letzte vom verstorbenen Stadtbaurat Balzer geschaffene Bauwerk, daß er noch in der Vollendung sehen durfte und das seinen Namen nicht von heute auf morgen vergessen läßt. Und wie durch dieses neue Schulgebäude die seit Jahren vorhandene Not an geeigneten Klassenräumen für die immer mehr anwachsende Schülerzahl etwas gemildert wurde, so geschah dies weiter durch den im Jahre 1912 erfolgten inneren Umbau des Mädchenschulgebäudes. Endgültig beseitigt wurde sie aber erst durch die Errichtung des neuen Gebäudes für die katholische Volksschule, das an der Schützenstraße in der Nähe der Einmündung der Friedrichstraße erstanden ist. Die innere Einrichtung ist genau wie die des Lyzeums nach den neuesten technischen Erfahrungen und den Forderungen der Schulhygiene getroffen worden. Die Aula dient gleichzeitig als Turnhalle und zwar auch für die Schüler des Lyzeums. –

Städtisches Museum

Durch die Verstaatlichung des Eichwesens wurde die Stadt gezwungen, für das neue Eichamt ein eigenes Gebäude aufzuführen, das seinen Platz an der Sandmühlstraße kurz vor ihrer Einmündung in die Görlitzer Straße gefunden hat. In den letzten Jahren befanden sich die Mitglieder der städtischen Körperschaften zu verschiedenen Malen in der angenehmen Lage, ihre Zustimmung zu Stiftungen geben zu können, die zum immerwährenden Gedächtnis verstorbener Bunzlauer Bürger von deren Hinterbliebenen gemacht wurden. Hier kommen in Betracht die Fernbach-Stiftung und die Taemmer-Stiftung. Rentier Moritz Kranz errichtete bei seinem Ausscheiden aus der Stadtverordneten-Versammlung, der er lange Jahre angehört hatte, eine Seifensieder Moritz Kranz-Stiftung. Für die Stärkung des Siechenhausbaufonds hatte der in Görlitz verstorbene Rentier Julius Pluskal, ein ehemaliger Bunzlauer, letztwillig einen ansehnlichen Betrag der Stadt Bunzlau vermacht. Durch die Taemmer-Stiftung wird ein seit langer Zeit gehegter Wunsch nach einem Hallenschwimmbade erfüllt. Ueber die Platzfrage für diesen Bau gingen zunächst die Meinungen auseinander. Die Mehrheit der Stadtverordneten entschied sich aber dann dafür, daß dieser Bau an der Gymnasialpromenade neben dem jetzigen Stadtbade aufgeführt werden solle. Die Schwierigkeit bezüglich des Turmes der alten Stadtmauer, der auf Veranlassung des Landeskonservators nicht beseitigt werden durfte, ist dadurch gelöst worden, daß er in der Fassade des Neubaues weiter erhalten bleiben wird. Allerdings ist nun wohl der Turm gerettet worden, ob aber damit das Erinnerungszeichen an eine weit zurückliegende Vergangenheit in der ursprünglichen Form wirklich noch vorhanden ist, darf bezweifelt werden, denn jetzt wird der Nichteingeweihte kaum auf den Gedanken verfallen, daß es sich dabei um ein Ueberbleibsel der ehemaligen Bunzlauer Stadtmauer mit ihren Bastionen handelt. Das Hallenschwimmbad soll am 1. April 1914 in Betrieb genommen werden; in dem Gebäude wird auch ein Zandersaal mit den entsprechenden Apparaten enthalten sein, und durch diese Eirichtung dürfte manchem Kranken Linderung und Heilung gebracht werden können. Hier sei auch gleich eines anderen Baues Erwähnung getan, der auf der ehemals Sauer’schen Bleiche in der Nähe des Promenadenteiches entstanden ist, und welcher der Kongregation der hiesigen Grauen Schwestern ein eigenes Heim gewährt. Auch in diesem Falle konnten aus einer Stiftung und zwar aus der des verstorbenen Obersekretärs Lustig Mittel flüssig gemacht werden. In dem Hause befindet sich gleichzeitig die von den Grauen Schwestern eingerichtete Kleinkinderschule. Aus städtischen Mitteln sind noch verschiedene Forsthäuser neu erbaut worden, so das an der Klitschdorfer Straße gelegene für Revier Gemeinheide. Von den Neubauten, welche die Zukunft bringen soll, sieht man besonders dem des Schützenhauses in der Bürgerschaft mit lebhaftem Interesse entgegen. Nachdem das alte Schießhaus im Jahre 1908 von den Flammen vernichtet worden ist, sind die hiesigen beiden Schützengesellschaften ihres Heimes beraubt worden. Seit Jahren schwebten zwischen dem Magistrat und der Schützengilde Verhandlungen, um, wie ein damals viel angewandtes Wort besagte, eine „reinliche Scheidung“ in den Besitzverhältnissen herbeizuführen. Nach vielem Hin und Her kam dann schließlich ein Vertrag zustande, der den Schützengesellschaften eine von der Stadtgemeinde gezahlte bare Entschädigung in Höhe von 25000 Mark brachte, womit die ersteren sich mit ihren Ansprüchen an die Stadt als vollkommen abgefunden erklärten. Der alte bisherige Schießstand wurde der Benutzung entzogen und die Schützengesellschaften erbauten sich nunmehr an dem Wege, der am Wasserwerk vorbeiführte, unterhalb der ehemaligen Holländermühle in der Nähe der dortigen Tongruben einen neuen Schießstand mit einem entsprechenden Aufenthaltsraum, dessen Fassade ein verkleinertes Abbild des alten Schießhauses bietet. Im Herbst 1911 wurde der Grundstein gelegt und im Sommer 1912 konnte die Einweihung erfolgen.

Auf dem neuen Schießstande haben die beiden Schützengesellschaften getrennte Verwaltung eingeführt, so daß sie in der Benutzung ihrer Stände und auch in jeder anderen Beziehung von einander unabhängig sind. In den ehemaligen Schießhausanlage soll das neue Schützenhaus errichtet werden, wofür die Mittel von den städtischen Körperschaften schon bereitgestellt sind.

Neue katholische Volksschule

Durch die Anlegung der Hochdruckwasserleitung und die später folgende Kanalisierung der Stadt machte sich die Neupflasterung der Straßen unumgänglich notwendig. Diese wurde zumeist durch Granit-Reihensteine mit Zementverguß ausgeführt. Die Hauptstraßen der Stadt und auch verschiedene Nebenstraßen sind sämtlich bereits mit dem neuen Pflaster versehen. Durch diese Arbeiten mußte verschiedentlich eine Regulierung der Fluchtlinie und eine Nivellierung des Straßenzuges erfolgen. Letzteres ist namentlich auf dem Verbindungswege von der Löwenberger Straße nach der Friedhofshalle und nach der Taemmerstraße zu beobachten. Das Villenviertel, das an dem letztgenannten Straßenzuge entstanden ist und das sich an der Ganselstraße fortsetzt, macht mir seinen von hübschen Gartenanlagen umgebenen Wohnhäusern einen äußerst vornehmen Eindruck. Von der Taemmerstraße aus wurde nach Westen zu bereits wieder eine Straße neu aufgeschlossen, an der ebenfalls schon ein Bau errichtet worden ist Verfolgt man die Ganselstraße weiter, so taucht am Rande der kleinen Zeche der Gebäudekomplex der Remer’schen Besitzung auf, die in den Jahren 1912/13 erbaut wurde, und die einen recht stattlichen Anblick gewährt. Durch die Straßenregulierungen und Neupflasterungen hat namentlich auch der Stadtteil, den die Sandmühlstraße und die Bornstraße durchschneiden, sehr gewonnen. Bemerkenswert ist dort besonders, daß der Fahrdamm des Stückes der Sandmühlstraße vom Jaehne’schen Grundstück bis zur  Brücke beträchtlich höher liegt als die Eingänge zu den Wohnhäusern, und daß er an jenem Teile rechts und links mit einem eisernen Zaune versehen wurde. Die Brücken über die Michelsbache sind ebenfalls vollständig neu hergestellt worden. Tritt man von der letzteren Straße in die Görlitzer Straße und von dort in die Gymnasialstraße ein, so macht sich auch da die Straßenregulierung und die Neupflasterung angenehm bemerkbar. Von dem ehemals Burkhard’schen Grundstück, das die Stadt erworben und inzwischen wieder weiter veräußert hat, ist ein Teil zur Verbreiterung der Gymnasialstraße benutzt worden. Verfolgt man diese weiter, so gelangt man dann an die befestigte Dammstraße, die in die Bahnhofstraße einmündet. Die alten Torfschuppen, die früher in jener Gegend standen, sind verschwunden, jetzt zieren Anlagen den gewonnenen Platz. Der oft beklagte Weg über die Bahngleise ist ebenfalls beseitigt, und eine Unterführung von der Dammstraße aus vermittelt den Verkehr nach dem nördlichen Stadtteile. Neuerdings ist die Niedermühlstraße, deren Zustand in mehr wie einer Beziehung viel zu wünschen übrig ließ, mit in die Reihe der neu befestigten Straßen getreten. Der alte Kanal, der dort an der westlichen Seite entlang führte, un der mit Granitplatten zugedeckt war, die sich in beträchtlicher Höhe über dem Niveau der Straße befanden, ist verschwunden. Durch die Neupflasterungen sind manche Klagen über die Beschaffenheit der Straßen beseitigt worden. Vornehmlich trifft dies auf die Rothlacher Straße zu. Durch die Befestigung dieser mit Granitpflaster machte sich gleichzeitig auch eine Regulierung des Straßenzuges nötig, die zur Beseitigung der die Straße einengenden Holzställe führte, die zu den Familienhäusern der „Concordia“ gehörten. Die Straße macht jetzt, wenn auch noch Ecken und Winkel vorhanden sind, einen recht gefälligen Eindruck.

Lyzeum

Auch in anderer Beziehung wurde manche Verbesserung getroffen. Die Verbindung zwischen dem Kleinbahnhof und dem Staatsbahnhof hatte bislang manchen Grund zur Klage gegeben; jetzt ist nun dort die so sehnlichst erwünschte Abhilfe geschaffen. Die Hüttenstraße hat über die Schönfelder Straße hinweg eine Verlängerung gefunden und der neue Weg mündet am Kiesberge in die Bergstraße. Die Kanalisation auf der genannten Straße ist ausgeführt, Gas- und Wasserleitung sind gelegt und im Frühjahr 1914 wird auch die Pflasterung vorgenommen werden. An diesem Verbindungswege ist sogar bereits ein Neubau entstanden, der von dem Verlage der Fachzeitschrift „Der Eisenhändler“ aufgeführt wurde. Etwas für Bunzlau Eigenartiges wurde bei der Neubefestigung der Gnadenberger Straße mit den dort angelegten Inseln geschaffen, die mit einem niedrigen Drahtzaun eingefriedigt sind, und auf denen sich Bäume und Rabatten befinden. Unsere Promenadenverwaltung hat sich in den letzten Jahren unter der Leitung des neuen Stadtgärtners eine modernere Gestaltung der Anlagen recht angelegen sein lassen. Wege wurden eingezogen und neue geschaffen. Hier  seien auch die beiden Treppenanlagen an der Schloßpromenade in der unmittelbaren Nähe der evangelischen Kirche besonders hervorgehoben, die einen recht gefälligen Eindruck machen. Die an den Hauptpunkten der Promenade angelegten Blumenbeete mit ihren wundervollen Farbenwirkungen bilden das Entzücken aller Blumenfreunde. Da eine aufstrebende Stadt mit den Mitteln für Schaffung von gärtnerischem Schmuck nicht allzusehr einhalten darf, so drängten die Verhältnisse nun mit Macht zum Bau einer neuen Stadtgärtnerei. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung waren sich darin einige, daß in dieser Beziehung unbedingt etwas geschehen müsse, und so wurde im Jahre 1912 auf dem städtischen Grundstücke neben dem Wasserwerke die neue Stadtgärtnerei angelegt. Es sind dort die unumgänglich notwendigen Einrichtungen geschaffen worden; im Sommer 1913 wurde daselbst für den Stadtgärtner auch ein Wohnhaus aufgeführt, das dieser bereits am 1. Oktober des gleichen Jahres beziehen konnte. Damit sind die Hauptwünsche der Promenadenverwaltung erfüllt worden.

Hallen-Schwimmbad (Max-Taemmer-Stiftung)

Die private Bautätigkeit hat sich in den letzten Jahren, wenn das Villenviertel hier nicht mit in Betracht gezogen wird, fast ausschließlich auf die Hüttenstraße und auf die Rothlacher Straße beschränkt, wo eine Reihe von neuen Wohn- und Geschäftshäusern entstanden ist. Die Bautätigkeit wurde längere Zeit durch Gewährung von billigen Bauhypotheken von den städtischen Körperschaften gefördert, da man sich damit der Erwartung hingab, auf diese Weise den Wohnungsmangel, der das Wachstum der Stadt Bunzlau unterbindet, steuern zu können. Die Tatsachen haben jedoch gelehrt, daß der Wohnungsmangel auch durch diese gutgemeinte Maßnahme nicht beseitigt wurde, und deshalb ist die Gewährung solcher Bau-hypotheken wieder eingestellt worden. In der Stadtverordneten-versammlung hatte man sich des öfteren damit beschäftigt, wie wohl die Wohnungsfrage am zweck-mäßigsten zu lösen sei. Eine Sonderkommission mußte sich mit der Angelegenheit der Bau-hypotheken beschäftigen und hierbei wurde auch die Wohnungsfrage gestreift. Einen Schritt vorwärts kam man aber erst im Jahre des Regierungsjubiläums des Kaisers. Wie überall im deutschen Vaterlande aus diesem Anlaß Mittel für gemeinnützige Zwecke bewilligt wurden, so wollte auch Bunzlau eine Stiftung machen, die den Namen des kaiserlichen Jubilars tragen sollte. Nach eingehender Prüfung der verschiedensten hierfür in Vorschlag gebrachten Projekte einigten sich die Stadtverordneten sodann auf den von der Kommission gutgeheißenen Magistratsantrag, eine Stiftung von 75000 Mark zur Förderung des Kleinwohnungswesens in Bunzlau zu errichten. Es werden Ein- und Zweifamilienhäuser erstehen, für die aus der Stiftung Baugeld zu niedriger Verzinsung und ebensolcher Amortisation gegeben wird. Die Herstellungskosten eines solchen Einfamilienhauses sollen 6000 Mark und die eines Zweifamilienhauses 10000 Mark nicht übersteigen. Wie sehr diese Stiftung das Richtige getroffen hat, das beweist die sympathische Aufnahme, die sie überall gefunden, und das beweist auch die Zahl der eingegangenen Bewerbungen. Vorläufig ist der Bau von 28 Häusern in Aussicht genommen, und zwar sollen diese entstehen am Viehmarkte, am Galgenteiche, am Kürschnerberge, an der Amalienhütte und an der Schmutzwasser-Pumpstation. Mit der Bauausführung wird jedenfalls im Frühjahre 1914 begonnen werden.

Neues Heim der Grauen Schwestern

Noch eine andere Stiftung ist zu erwähnen, und zwar steht sie im Zusammenhang mit der Erinnerung an die große Zeit der Erhebung Preußens im Jahre 1813. Die Frauen von Bunzlau vereinigten sich, um die patriotische Tat einer Frau aus jenen denkwürdigen Tagen zu ehren, da die Herrschaft des ersten Napoleon für immer gebrochen wurde. Frau von Bonin, die Gattin eines preußischen Offiziers, die im benachbarten Wiesau wohnte, nahm im Gasthof zur „Linde“, dem heutigen Hotel zum „Fürst Blücher“, den französischen General Brun gefangen und erbeutete dabei die Kriegskasse mit 60000 Talern Inhalt. Zur Erinnerung an diese Heldentat wurde an der Ostseite des Rathauses ein Relief aus gelbem sächsischen Sandstein angebracht, das den Vorgang der Gefangennahme des Offiziers und der Beschlagnahme der Kasse in ausdrucksvoller Darstellung wiedergibt. Die Frauen von Bunzlau haben die Mittel für diese Erinnerungstafel aufgebracht und eine Münchener Künstlerin, deren Wiege in Bunzlau gestanden, Frau Jenny von Bary-Doussin, hat das Kunstwerk ausgeführt, das am Tage der Bunzlauer Feier des Regierungsjubiläums des Kaisers in Gegenwart von Nachkommen der Frau von Bonin und in Anwesenheit von Ehrengästen, der Mitglieder der städtischen Körperschaften, sowie von verschiedenen Klassen der Mädchen-Bürgerschule und namentlich einer gewaltigen Zuschauermenge feierlich enthüllt wurde. Festreden hielten Frl. Ilse Nitschke und Bürgermeister Richter. Zur Feier des kaiserlichen Regierungsjubiläums und der großen Ereignisse von 1813 hatten die städtischen Körperschaften am Abend des gleichen Tages im „Odeon“ einen Kommers veranstaltet, an dem die Bürgerschaft recht zahlreich teilnahm. Der Promenadenteich war mit Lichtern umsäumt, über seine Wasserfläche spannten sich Drähte, an denen buntfarbige Lampions hingen. In den Promenadenanlagen am Odeonteich waren ebenfalls eine große Menge von Beleuchtungskörpern untergebracht. Schließlich wurde auch noch ein Prachtfeuerwerk abgebrannt, das den ungeteilten Beifall der gewaltigen Zuschauermenge fand.

Neues Schießhaus

Im Jubiläumsjahre 1913 waren auch hundert Jahre seit dem Tage vergangen, da Fürst Kutusow von Smolensk in Bunzlau das Schwert für immer aus der Hand legte. Am Todestage des russischen Heerführers hatte die Stadt Bunzlau an dem Denkmal, das König Friedrich Wilhelm III. dem Verstorbenen gewidmet, Kränze niederlegen lassen. Einige Wochen später traf der russische Botschaftsprediger in Berlin mit einem Gehilfen in Bunzlau ein, um an dem Denkmal in Gegenwart von Mitgliedern der Stadt- und der Kreisverwaltung eine weihevolle Gedächtnisfeier abzuhalten. Von hier aus begaben sich die russischen Gäste zum Kutusow-Denkmal nach Tillendorf und zu den Denkmalsstätten bei Gnadenberg und Schwiebendorf.

Villa Remer an der kleinen Zecje

Die Kriegergräber der im Jahre 1866 im hiesigen Feldlazarett verstorbenen österreichischen Soldaten wurden vor einigen Jahren frisch hergerichtet und das Begräbniskirchlein, das diese Gräber, die sich in seiner nächsten Nähe befinden, gewissermaßen in Schutz genommen hat, fand ebenfalls und zwar innen und außen eine durchgreifende Erneuerung, so daß es sich jetzt in stilvoll einfachem, aber umso wirkungsvollerem Gewande zeigt. Jahrelang hatte es unbenutzt gestanden; nun aber wird es bei Beerdigungen wieder in Anspruch genommen.

Blick in die Löwenberger Straße

Werfen wir jetzt einen Blick auf die gewerblichen Verhältnisse und fangen wir mit den Töpfereien an, die Bunzlaus Namen durch ihre Erzeugnisse weit und breit bekannt gemacht haben. Hier ist der Einfluß, den die keramische Fachschule auf die Formengebung der Gegenstände, wie überhaupt auf die Anfertigung von Feinkeramik ausgeübt hat, recht deutlich erkennbar. Eine ganze Anzahl von Betrieben ist in den letzten Jahren dazu übergegangen, neben der Herstellung der landläufigen Marktware sich der Fabrikation von besseren keramischen Sachen zu widmen. Was auf diesem Gebiete geleistet wird, daß konnte recht anschaulich auf der im Jahre 1911 vom Verein der Bunzlauer Kaufmannschaft im Saale der Genossenschaftsbrauerei veranstalteten Topfmesse betrachtet werden.

Es hatten sich hierzu Interessenten nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Auslande eingefunden und es wurden dadurch verschiedentlich neue Geschäftsverbindungen angeknüpft. Auch die vom Bunzlauer Kunstgewerbeverein veranstalteten Ausstellungen, namentlich diejenige des Jahres 1912, boten hin-reichend Gelegenheit, die künstlerische Weiterentwicklung des Bunzlauer Töpfergewerbes verfolgen zu können. Die Großbetriebe von Hoffmann & Co., Eduard Küttner, Lengersdorff & Co. haben ihre Fabriken und Lagerhäuser erweitert.

Die „Concordia“ hat sich durch Schaffung von zeitgemäßen Neueinrichtungen und die dadurch bedingte Aufführung von Baulichkeiten eine Betriebserweiterung angelegen sein lassen.

Auch die Menzelsche Glasfabrik „Carlswerk“ nahm durch einen Anbau auf dem seinerzeit von der Stadt erworbenen, an der Hüttenstraße gelegenen  Gelände eine Vergrößerung ihrer Anlage vor. Während es weiter vor Jahren in Bunzlau nur eine Eisengießerei gab, sind jetzt deren mehrere vorhanden, so daß sich auf diesem Gebiete ebenfalls ein Fortschritt deutlich bemerkbar macht. Eine bedeutende Vergrößerung ihrer Betriebsräume nahm auch die Stadtblatt-Druckerei der Firma L. Fernbach vor. Nachdem bereits im Jahre 1902 im Garten des Grundstücks ein Neubau errichtet worden war, in welchem der Maschinensaal Unterkunft fand, machte sich weiterhin wieder Platzmangel empfindlich bemerkbar, der eine abermalige bauliche Vergrößerung bedingte. Im Sommer 1912 wurde daher auf das Gebäude, in dem sich der Maschinensaal befindet, ein Stockwerk aufgesetzt. In den dadurch gewonnenen Räumen ist die Setzerei, einschließlich der fünf Setzmaschinen, sowie die Stereotypieabteilung untergebracht.

Die Beförderung der Formen, Papierrollen usw. vom Kellergeschoß nach dem Maschinensaal oder von dort nach der Setzerei und der Sterotypie geschieht durch einen elektrisch betriebenen Fahrstuhl. Während hier also überall von einer Vorwärtsbewegung berichtet werden konnte, ist ein anderer Industriezweig, der früher in Bunzlau in hoher Blüte stand, der Müllereibetrieb, vollständig verschwunden. Die Doussinsche Niedermühle ging durch Kauf in den Besitz der Firma May & Sohn über, die dort eine Pappenfabrik einrichtete. Im Frühjahr 1911 brannte die letztere nieder, sie wurde aber in kurzer Zeit wieder vollständig aufgebaut. Die von der Firma gelieferten Fabrikate sind überall rühmlichst bekannt. Der Bunzlauer Industrie wurde in den letzten Jahren auch elektrische Kraft geliefert, die von der Provinzialverwaltung aus den Elektrizitätswerken der Talsperren in Marklissa und Mauer geliefert wird. Durch die Legung des Industriekabels sind den größeren Betrieben verhältnismäßig billige Preise für die Abnahme von elektrischer Kraft gewährt.

Zur Hebung des geschäftlichen Lebens hatte der Verein der Bunzlauer Kaufmannschaft im August 1911 sogenannte Verkehrstage abgehalten, die eine große Anzahl auswärtiger Besucher nach Bunzlau gebracht haben. Außer der schon erwähnten Topfmesse fad ein prächtiger Korso von den Bahnhofsanlagen durch die Stadt nach dem „Tivoli“ statt.

Der Aufstieg eines Freiballons erfolgte; Schützenfest, turnerische Wettspiele, Konzert, Hunderennen und manches andere wurden geboten.

Gleichzeitig wurde ein Margaretentag zum Besten armer kranker Kinder aus Stadt und Kreis Bunzlau abgehalten. Dieser zeitigte ein derart günstiges finanzielles Ergebnis, daß daraus einer ganzen Anzahl von Kindern ein Aufenthalt an der See oder an einem andern von ärztlicher Seite für zweckentsprechend gehaltenen Orte ermöglicht werden konnte. Da man also mit dem ersten Versuch, den Verkehr nach der Kreisstadt zu fördern, durchaus die besten Erfahrungen gemacht hatte, so ging der Verein der Bunzlauer Kaufmannschaft mit dem Gedanken um, diese Veranstaltungen von Zeit zu Zeit in irgend einer Form zu wiederholen.

Im Jahre 1913 fand daher eine gemeinsam mit dem landwirtschaftlichen Kreisverein Bunzlau vorbereitete Tierschau in Bunzlau statt, die überaus reichlich beschickt war. Mit ihr war auch eine Industrieausstellung  verknüpft, die wegen des gewaltigen Andranges von ausstellenden Firmen aus dem Gebiete des Maschinenbaues für landwirtschaftliche Zwecke einen Umfang angenommen hatte, wie er in Bunzlau bisher noch nicht zu verzeichnen war. Der Verlauf dieses Unternehmens hat nicht nur sämtliche Erwartungen erfüllt, sondern diese noch bei weitem übertroffen, so daß die Beihilfen von Stadt und Kreis nicht in Anspruch genommen werden brauchten. Es ist daher geplant, in absehbarer Zeit wieder eine solche Veranstaltung stattfinden zu lassen.

Wenn also die Vereinstätigkeit auf dem genannten Gebiete die schönsten Erfolge gezeitigt hat, so ist dies auch noch in anderer Beziehung zu vermelden.

Bunzlau ist ja die Stadt der Vereine, und es haben sich in den letzten Jahren zu den vorhandenen eine ganze Menge von Neugründungen hinzugefunden. Verschiedene Wohltätigkeitsvereine erhielten im Laufe des Jahres 1912 durch das Entgegen-kommen der städtischen Körperschaften ein Heim in den Räumen des alten katholischen Schulhauses. Es gehören hierzu der Deutsch-evangelische Frauenbund, der Vaterländische Frauenverein mit der von ihm unterhaltenen Kleinkinderschule, der Verein für Fraueninteressen mit dem von ihm gegründeten Knabenhort und der gleichfalls von ihm ins Leben gerufenen und segensreich wirkenden Rechts-beratungsstelle.

Erwähnung möge auch finden, daß die schönen Künste in Bunzlau stets die weiteste Förderung durch das musikverständige und theaterfreudige Publikum gefunden haben. Die Singabende und der seit einer Reihe von Jahren bestehende Männergesangverein veranstalten alljährlich je eine größere Aufführung, unsere Stadtkapelle trägt mit ihren Konzerten jeglichem Musikverständnis Rechnung durch Abhaltung der beliebten Abonnementskonzerte wie auch durch die Darbietung von schwierigeren Orchesterwerken. In den Jahren 1911 und 1912 hatte sich sogar in dem herrlichen Stadtforste, der Zeche, ein Waldtheater etabliert, das allerdings in dem zuletzt genannten Jahre vom Wetter recht wenig begünstigt war.

Das städtische Theatergebäude erfuhr im Innern manche Veränderung; elektrisches Licht wurde eingeführt, die Heizungsanlage ist verbessert worden und auch für die Ausstattung der Bühne und die Beleuchtung derselben wurden bedeutende Aufwendungen gemacht. Nicht unerwähnt möge bleiben, daß Stadt und Kreis Bunzlau im Jahre 1913 zum ersten Male von Zeppelin-Luftschiffen überflogen worden sind.

Zunächst handelte es sich um zwei Luftschiffe, die zur Teilnahme an den Kaisermanövern kommandiert worden waren. Im November wurden sodann Passagierfahrten durch die „Sachsen“ unternommen, die von Dresden kommend, auf der Fahrt nach Liegnitz über Bunzlau ihren Weg nahm.

Unser Bild zeigt das genannte Luftschiff, wie es sich unserer Stadt auf einer solchen Pasagierfahrt nähert, an der in der Hauptsache nur Bunzlauer teilnahmen; darunter befanden sich auch die beiden Gewinner unserer Abonnenten-Preisfrage.

Welche Begeisterung über diesen Besuch herrschte, das ist am besen daraus ersichtlich, daß eine große Anzahl Häuser und die Türme der Stadt von zahlreichen Schaulustigen dicht besetzt waren, welche die „Sachsen“ bei ihrer Ankunft stürmisch begrüßten. Das Luftschiff wendete über Bunzlau und flog dann nach Liegnitz zurück, wo e seine Teilnehmer glücklich landete, die von dem interessanten Verlauf dieser Fahrt hochbefriedigt waren.

Nach allem, was vorstehend ausgeführt wurde, dürfen wir zum Schluß mit Recht und auch mit Stolz behaupten, daß in Bunzlau sowohl von den städtischen Körperschaften, als auch von der Bürgerschaft, ganz gleich ob sie dem Handels- oder dem Handwerkerstande angehört, alles getan worden ist, um sowohl praktische Erfolge zu erzielen, als ideellen Bestrebungen gerecht zu werden.

Möge unserer Stadt auch in Zukunft ein weiteres Aufblühen beschieden sein, damit, wenn wir wieder einmal einen Kalender für unsere verehrten Leser herausgeben, auch dann von der Fortentwicklung, die sie in der Zwischenzeit genommen hat, berichtet werden kann. A. S.

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