Die Aufgaben der staatlichen keramischen Fachschule in Bunzlau
Dr. Büttner. Kunstblatt der Jugend. Schöpferische Schularbeit in Bild u. Wort. 2. Heft 1925.
Schriftleiter: Johannes Meyer Nowawes. Druck und Verlag: Vortlagewerke Nowawes.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten begann in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Ausbildung der Lehrlinge für Handwerk und Gewerbe einen anderen Weg zu nehmen. Die alte zunftmäßige Handwerksordnung hatte dem jungen Nachwuchs wohl meistens eine gute Ausbildung in dem eigenen engeren Gebiet gegeben, es ihm dann aber überlassen, durch Wandern nach anderen Gegenden seine Fertigkeiten und vielleicht auch Kenntnisse zu erweitern und zu vermehren. Daß durch diese Selbsterziehung im Verein mit oft gar strenge gehandhabten Zunftgesetzen dem deutschen Handwerk tüchtige Meister erstanden, zuweilen sogar hervorragende Vertreter, die ihrem Stande und ihrer Heimat zur Zierde gereichten, erzählen uns die Chroniken aus allen Gauen Deutschlands. Als sich aber die Zünfte überlebt, ihre Regeln sich gelockert hatten, als schließlich die Gewerbefreiheit eine ganz andere Grundlage schuf, da wurden auch die Lebensbedingungen des Handwerks gänzlich andere. Arbeitsteilung und Spezialisierung ließen einerseits die vorher kaum gekannten Großbetriebe emporwachsen, drückten aber andererseits manchen Handwerker zum Arbeiter herab, der dem Gesamtproduktionsprozeß seines Werkes entfremdet wurde. Um nun das im Volke wurzelnde Bildungsstreben nicht absterben zu lassen, um den in ihrem Fach nach Vervollkommnung ringenden jungen Leuten helfend beizuspringen, und um schließlich auch zum Heile von Handwerk und Gewerbe aus der Reihe der wahrhaft Tüchtigen neue führende Kräfte herauswachsen zu lassen, entstanden damals zahlreiche Bildungsvereine, fakultative und dann obligatorische Fortbildungsschulen, endlich auch die Fachschulen.
Aus solchen Erwägungen heraus wurde auch die Bunzlauer „Keramische Fachschule“ im Jahre 1897 errichtet. Hatte man zunächst nur daran gedacht, durch sie der alteingesessenen niederschlesischen Töpferei neue Lebenskräfte zuzuführen, so sind ihre Aufgaben recht schnell, und zwar ganz von selbst, über diese engen Grenzen hinausgewachsen. Die gesamte keramische Industrie – vom Porzellan bis zur Grobkeramik – wußte sich ihrer bald zu bedienen, sei es, daß sie ihren Bedarf an entsprechend vorgebildeten technischen Beamten oder führenden Kräften unter den Zöglingen der Fachschule auswählte, sei es, daß sie sich bei Betriebsstörungen oder Nerungen dort technischen Rat holte oder bezüglich neuer Formen, Modelle, Dekorationen u. dergl. künstlerische Anregungen geben ließ. –
Der Unterricht an der Fachschule ist auf zwei Jahre bemessen und scheidet sich in naturwissenschaftliche, technische und künstlerische Lehrfächer. Die anorganische Chemie als hauptsächlichster naturwissenschaftlicher Lehrgegenstand vermittelt die Bekanntschaft mit den chemischen Grundgesetzen und den wichtigsten Metallen und Nichtmetallen. Die dabei im ersten Halbjahr erworbenen Kenntnisse muß der Schüler im zweiten Halbjahr bereits im qualitativ-analytischen Laboratorium anwenden, wo er sich mit den Reaktionen der chemischen Grundstoffe vertraut macht und dann einfachere Substanzen und Gemische erkennen und scheiden lernt, bis er schließlich auch die Silikatanalyse beherrscht. Einzelne Schüler bringen es, zumal wenn sie nach Ablauf der zweijährigen Schulzeit noch ein fünftes Halbjahr als Absolventen auf der Anstalt verbleiben, zu ansehnlicher Fertigkeit auch in einzelnen Methoden der quantitativen Analyse. Ist es auch nicht die Aufgabe der Fachschule, fertige Analytiker auszubilden, so muß doch der Schüler so viel analytische Erfahrungen erwerben, daß er sich diesbezüglich später in der Technik mit einfachen Mitteln zu helfen weiß. Die stöchiometrischen chemischen Rechnungen, in welche der Anfänger bereits nach wenigen Wochen eingeführt wird, geben ihm die Vorübung zur späteren Berechnung von Glasuren und Massen im keramischen Unterricht. Recht eingehend wird die schon genannte anorganische Experimentalchemie behandelt, während der organische Teil nur anhangsweise erörtert wird, doch so, daß sich der Schüler ein Bild von den chemischen Vorgängen der Feuerungstechnik machen kann; dahin gehören die Besprechung und experimentelle Erläuterung der Kohlenwasserstoffe, der Kohlensäure, des Kohlenoxydes und dergl. –
Für den physikalischen Unterricht steht ebenfalls eine ansehnliche Zahl von Apparaten zur Verfügung, um den zu besprechenden Lehrstoff durch Experimente zu vertiefen. Wo es angängig wird, werden auch hier rechnerische Aufgaben gelöst, so in der Mechanik, Optik, Akustik, Elektrizität und Wärmelehre; im letztgenannten Gebiet kommt den kalorimetrischen Rechnungen – im Hinblick auf deren Wichtigkeit in der Keramik – eine besondere Rolle zu. Die mineralischen Rohstoffe und ihre Herkunft machten die Einfügung des mineralogischen Unterrichts in den Lehrplan notwendig. Als Erweiterung und Ergänzung hierzu kann die Geologie gelten, in welcher die Vorgänge bei der Bildung und Abtragung der Gebirge, ebenso die Lagerungsformen der Gesteine mit ihren Störungen, die auf das Antlitz der Erde umgestaltend wirkenden Kräfte und alles, was damit zusammenhängt, eingehend besprochen wird. Die mineralogische und die geologische Sammlung eisen über ein halbes Tausend charakteristischer Stücke auf.
Das Hauptlehrfach Keramik gliedert sich in die theoretischen Unterrichtsstunden und Eigenbeschäftigung im keramischen Laboratorium. Erstere bringen nach kurzem geschichtlichen Überblick nicht nur alle keramischen Warengattungen selbst zur eingehendsten Besprechung, sondern auch alle zu deren Herstellung gebräuchlichen Methoden, Maschinen, Brennöfen, Dekorationsweisen u. dergl. mehr. Eine Wochenstunde ist der stöchiometrischen Berechnung der verschiedenen Glasuren, Massen, Farbkörper usw. vorbehalten. Ungefähr parallel damit laufend führt der Schüler im keramischen Laboratorium nach Unterweisung eigene Versuche aus. An der Hand einer großen Auswahl zahlreicher Naturtone muß er zunächst lernen, solche zu bewerten; er muß also Schlämmanalysen ausführen, die abgeschlämmten Rückstnde untersuchen, Probekörper formen und damit Brennproben anstellen, deren Ergebnisse ihm den Weg zu geeigneten Gebrauchsmassen, nötigenfalls durch Zumischungen, weisen. Daran schließen sich Herstellung berechneter Massen und Glasuren, Engoben, Farbkörper, Pasten, Emails usw., immer im Hinblick auf deren Brauchbarkeit in der Industrie. Für Feuerfestigkeitsbestimmungen der Tone ist ein Gebläseofen nach Deville vorhanden.
Die plastische Abteilung unterweist den Schüler systematisch in der freien Gestaltung von Gegenständen in Modellierton, Plastilin oder irgend welchen keramischen Arbeitsmassen. Hier findet ebenfalls wieder Hinweis auf die Durchführung solcher Arbeiten in der Industrie statt. Eine wichtige Ergänzung dazu biete die Gipswerkstatt, in welcher die Herstellung von Gipsformen für die verschiedenen Arten keramischer Formgebung erlernt wird. Nicht nur peinlichste Genauigkeit ist hier vonnöten, der Blick des Schülers muß auch gleichzeitig geschärft werden für die mannigfachen andern Anforderungen, welche die Praxis an die Gipsformen stellt, insbesondere bei mehr- oder vielteiligen Formen, wie sie zur Hervorbringung komplizierter Gegenständen – Figuren, Gruppen usw. – notwendig sind. In einer anderen Werkstatt lernt der Schüler nun die Anwendung der Gipsformen für das Eindreh- und Aufdrehverfahren, sowie das dafür nötige Herrichten der Schablonen; auch das sog. Sodagießverfahren wird geübt, alles Methoden, ohne welche die moderne keramische Produktion nicht mehr auszukommen vermag. Damit aber auch die alte Kunst des Freidrehend nicht zu kurz kommt, und damit der Sinn für Auffindung neuer künstlerischer Formen, bzw. die Geschicklichkeit dazu, in dem jungen Keramiker geweckt und gefördert wird, stehen mehrere Freidrehscheiben zur Verfügung. –
Daß ein gediegener Zeichenunterricht die Vorbedingung auch für keramische Malerei ist, braucht nicht besonders betont zu werden. Papier, Bleistift, Pinsel und Farbe dienen dann ebenso selbstverständlich auch bei keramischen Entwürfen als zweckentsprechende Utensilien, aber die Übertragung solcher Entwürfe auf keramische Gegenstände bringt erst eine eigene Note mit sich und weckt das besondere Interesse des Schülers. Porzellan-, Steingut-, Steinzeug-, Fayencemalerei mit ihrer Differenzierung in Auf-, Unter-, Intarsienglasurdeor, Engoben, Pasten, Emails usw., stellen ihn vor eine Reihe von Aufgaben, die eben nur durch praktische Übung bewältigt werden können. Sein Interesse würde jedoch bald erlahmen, wenn er die von ihm modellierten Gegenstände, seine Malereien, seine Glasuren u. dergl. nur im halbfertigen Zustande sehen könnte; im Brennhause aber, welches mit zwei Öfen und drei Muffeln ausgestattet ist, offenbart sich ihm der Erfolg seiner Bemühungen; wohl wird hier oftmals noch Entleerung des Ofens durch Mißlingen eine Enttäuschung bereitet, aber mehr noch spornt ein gutgelungenes Stück zu weiterer Arbeit an. In derselben Werkstatt, in welcher die noch unfertigen Gegenstände mit Glasurschlamm versehen worden waren, findet nach dem Brennprozeß eine etwa notwendig gewordene Beseitigung von Unschönheiten statt; rauhe Ränder, im Feuer angebackene Sandkörner, scharfe Kanten u. dgl. werden durch rotierende Scheiben aus Stahl, Karborundum, Sandstein oder Holz abgeschliffen und geglättet. Um das Bild der Fachschule als einer kleinen Fabrik zu vervollständigen, sei erwähnt, daß zur Masseaufbereitung eine Tonmühle (sog. Desintegrator), ein Tonschneider, mehrere Schlämmbottiche mit Handpresse und Kugelmühlen, zur Platten- bzw. Röhrenherstellung eine hydraulische Presse und Röhrenstrangpressen vorhanden sind. Zum Antrieb diente bis jetzt ein Gasmotor; verschiedene Maschinen, die gegenwärtig neu zur Aufstellung gelangen, erhalten jedoch elektrischen Antrieb. –
Um den Zöglingen der Anstalt auch einige kaufmännische Kenntnisse mitzugeben, ist ein Kursus für Buchführung eingeführt, wie auch ein solcher für technisches Zeichnen die Anfangsgründe im Bauzeichnen vermitteln will. Der später in einen Betrieb tretende Keramiker soll doch wenigstens eine Bauzeichnung zu deuten verstehen und bei Umbauten von Öfen, Muffeln, Feuerungen, Feuerkanälen usw. seine Ansichten, für den Ausführenden verständlich, rechnerisch niederlegen können. – Zwar ist für den Eintritt als Fachschüler nur erfolgreicher Besuch einer Volksschule notwendig, doch besitzen viele Fachschulbesucher eine höhere Ausbildung, selbst Studenten und promovierte Chemiker sind mehrfach vertreten. Damit nun den ehemaligen Volksschülern – bei Gründung der Fachschule war ja auf solche fast ausschließlich zu zählen – Gelegenheit zur Auffrischung ihres Wissens in den Elementarfächern gegeben wird, müssen sie während des ersten Fachschuljahres am Unterricht in Deutsch und Rechnen teilnehmen; während dieser Stunden können sich diejenigen mit höherer Vorbildung in den Werkstätten fortbilden. Wer nach einjährigem Besuch der Anstalt in Abteilung II die nötige Reife erreicht hat, rückt nach Abteilung I auf, um wiederum nach einem Jahre, falls seine Leistungen zufriedenstellend sind, mit dem Absolventenzeugnis die Anstalt zu verlassen. Eine Schlußprüfung ist nicht vorgesehen, es muß sich eben dann jeder in der Praxis eine Stellung suchen, die seinen Neigungen und seinem Können entspricht.
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß in der Sammlung eine Fülle von prächtig gelungenen Keramiken aus den Werkstätten der Fachschule selbst Zeugnis von ihrem mehr als 27 jährigen Wirken ablegt. Es sind in diesem kleinen Museum Porzellan, Steingut, Majolika, Fayence und feinere Irdenware mit allen möglichen Dekoren vorhanden, die Gattung Feinsteinzeug tritt jedoch in den Vordergrund. Der Bunzlauer Ton eignet sich in hervorragendem Maße zur Herstellung von Feinsteinzeug, daher lag die besondere Pflege gerade dieser keramischen Gattung nahe, zumal sie in bezug auf Verzierungsmöglichkeiten alle andern übertrifft. Wir sehen deshalb auch in dieser Sammlung alle dabei denkbaren Techniken vertreten. Das alte Bunzlauer braun ist an sich verbessert, als Kunstglasur verfeinert, erscheint auch mit Porzellanfarben und Gold bemalt; durch nachträgliches Einlegen andersfarbiger Glasuren in ausgesparte Stellen erzielte man Intarsienwirkung. Auf- und Unterglasurmalereien mit Farbkörpern, wie auch mit Lösungen (in Kopenhagener Art) bieten dem Auge hier auf dem silbergrauen Scherben fast noch schönere Wirkungen als auf dem weißen Porzellan, zumal bei der etwas niedrigeren Brenntemperatur des Steinzeugs die Auswahl an Farboyxden größer ist als beim Porzellan. Aus letzterem Grunde erweitert sich auch die Möglichkeit farbiger Glasuren, insbesondere der Weinkühler (Steinzeug mit Mattglasur)prächtig wirkenden Laufglasuren; unter den letzteren muß den chinaroten eine bevorzugte Stellung zuerkannt werden. Krystallglasuren finden sich besonders reizvoll in grünen und braunen Farbtönen vor, bei einzelnen davon steigern sich diese Effekte noch durch das Auftreten einer Lichtwirkung, die an das Leuchten eines Katzenauges erinnert. Mit einfachen Mitteln sind Glasuren erzielt, die bei Lichtbestrahlung flimmern, als wären zahllose Goldstäubchen eingeschmolzen worden. Mattglasuren in verschiedenen Farben zeigen, daß sich damit versehene Stücke nicht nur als Blumenkübel, Bowlen, Wandplatten, Zimmerbrunnen, Wasserspeier eignen, sondern daß solch ein samtartiger Überzug auch für Vasen, Schalen, Wandteller schätzenswert ist. Wunderbare Plastiken nach der Natur, Mensch, Tier, Fabelwesen darstellend, ferner Kaffee- und Teeservice vervollständigen die Reichhaltigkeit der Sammlung.