Aus der Geschichte der Baufirma Gansel in Bunzlau
Zur 100-Jahr-Feier.
Arnold Glander. Erstveröffentlichung: Heimatkalender 1930
„Die bess’re Zeit ist ein Erinnern
und alles Glück ist Streben nur …“
Siebel.
Es ehrt sich selbst, wer ehrend seiner Väter gedenkt! Und zu den erfreulichsten Tatsachen gehört es, in unserer schnellebigen Zeit Menschen zu finden, die trotz aller Daseinsschwere mit ehrfürchtiger Liebe die Spuren verfolgen, die ihre Altvorderen hinterließen. Zu diesen seltenen Menschen gehört der Schöpfer unseres Museums, der Mitinhaber der Baufirma Gansel, Peter Gansel. Seinem eifrigen Forschen in der Familiengeschichte der Familie Gansel verdankt Schreiber dieses Beitrages zur Kulturgeschichte Bunzlaus das reiche Material.
Leider kann an dieser Stelle nur ein flüchtiger Blick in all den vorliegenden Stoff getan werden.
Aus der Zeit, die für die meisten einheimischen Familien grau ist, geistert bereits der Name eines Präzeptors Joseph Gansel 1584, eines Ahnen des heute blühenden Geschlechtes. Uns soll es genügen, zunächst jenes Mannes zu gedenken, der den Grundstein zu der jubilierenden Firma legte. Engelhardt Gansels.
Engelhardt Gansel, geboren am 29. Oktober 1806 als Sohn des Ratskellerwirts und einzigen Weinschänks Bunzlaus trug den Namen Gansel ehrenvoll über Schlesiens Grenzen hinaus In ihm sehen wir heute einen jener Männer, die aus eigener Kraft Bedeutendes leisteten, so daß ihr Werk Jahrhunderte überdauert.
Es kann nur in der Veranlagung des jungen Engelhardt gelegen haben, daß er, nur mit damaligem Volksschulwissen ausgestattet, seinen Weg zum Königlichen Gewerbeinstitut in Berlin fand, nachdem er als Lehrling des Maurermeisters Leitner in den Jahren 1822 – 24 und auf seiner Wanderschaft, die ihn durch Österreich, die Schweiz und Belgien nach Berlin (1825) und Hamburg führte, sich das Rüstzeug für seinen späteren Beruf erworben hatte.
Auf dem Königlichen Gewerbeinstitut fand er Lehrer bedeutenden Formats; die dort ausgestellten Zeugnisse tragen u. a. die Namen Beuth, Wedding, Mauch, Schubarth u. a.
Es mag den Lehrern der strebsame, intelligente junge Bunzlauer aufgefallen sein; denn ihre Empfehlungen verschafften ihm eine jährliche Unterstützung von 300 Talern, eine immerhin beachtenswerte Summe, die sicherlich nicht verausgabt worden wäre, wenn die urteilsfähigen Männer um Gansel nicht von dem jungen Manne Außerordentliches erwartet hätten. Bezeichnend ist ferner, daß der Zimmermannssohn August Borsig aus Breslau zu seinen Freunden zählte. Leider ist nicht feststellbar, wie lange die Freundschaft dieser beiden Männer dauerte.
Mit der Berechtigung zum einjährigen Dienst, die das Institut als Vorläuferin der heutigen Akademie austeilte, und bedeutenden Kenntnissen ausgestattet, kehrte Engelhardt Gansel 1829 in seine Vaterstadt zurück. Inzwischen veranlaßte die preußische Regierung, drei der besten Schüler des Instituts auf Staatskosten zum Studium des modernen Mühlenbaus nach England zu schicken. Unter diesen befand sich auch Engelhardt Gansel. (Siehe Festschrift deutscher Ingenieure, Breslau 1888.)
Im Jahre 1830 nahm nun Engelhardt Gansel seine Tätigkeit in Bunzlau auf.
Am 22. Januar 1831 bestand er in Liegnitz vor der Handwerkskammer glänzend seine Meisterprüfung.
Von seinen Fähigkeiten zeugen heute seine Werke. Es ist unmöglich, die einzelnen Leistungen zu würdigen. Das Verzeichnis aller Arbeiten, das im Jahre 1846 aufgestellt worden ist, zählt deren vierhundert.
Einer seiner ersten Bauten ist die Errichtung des Turmes der hiesigen evangelischen Kirche im Jahre 1834. Sein gefälliger Entwurf machte ihn zum Sieger über seinen Lehrherrn. Dieser Arbeit folgte eine stattliche Anzahl bedeutender Schöpfungen. Willkürlich aus dem Verzeichnis „Größere Bauten“ entnommene Titel mögen dies bezeugen:
Boberviadukt Bunzlau, Turm und herzogilches Erbbegräbnis für Peter von Kurland zu Sagan, Burg auf dem Gröditzberge, Schloß, Sr. Majestät dem Könige von Holland gehörig, zu Neuland, Schloß, dem Hern Landrat v. Unruh gehörend, zu Groß-Bohrau, Kr. Freystad, usw. Elf Kirch- und zehn Schloßbauen weist dieses Verzeichnis auf.
Fabriken, Hüttenwerke, Ziegeleien, Töpfereien, Brenn- und Kalköfen in den Kreisen Bunzlau, Lauban, Görlitz, Sagan, Sprottau, Freystadt, Lüben, Goldberg-Haynau, Hirschberg, Schönau und Löwenberg gaben seinen weit mehr als eintausend Arbeitern und Handwerkern Brot und Lohn.
Daß die Steine zum Bau des Boberviadukts aus seinem eigenen Sandsteinbruch zu Dobrau kommen, ist bekannt. Doch besaß er auch den „Husarensprung“ bei Sirgwitz, den „Pfaffenberg“ bei Krummhübel und etliche Wirtschaften dortselbst. Oft verbrachte er auf dem Pfaffenberge den Sommer, beliebt und geehrt von der dortigen Bevölkerung.
Öffentlich Ämter wurden ihm selbstverständlich auch übertragen. So war er von 1838 bis 1856 Stadthauptmann, am 3. Juli 1850 wurde er Ratsherr, 1856 Provinziallandtagsabgeordneter für Bunzau und Sagn, und am 16. Juni 1871 Stadtältester. Nicht nur sein Heimatort wußte ihn zu ehren. Gelegentlich der Fertigstellung des Boberviadukts erhielt er von der Staatsregierung den Roten Adlerorden (1847).
Das Bild des erfolgreichen Mannes wird vollständiger, wenn man seines Familienlebens gedenkt. Am 12. Januar 1837 führte er seine Luise, die anmutige Tochter des Gasthofbesitzers Matthai, heim. Von ihr wird gesagt, daß sie eine den schönen Künsten freundliche Dame war, die ihrem Gatten eine liebevolle Gefährtin sein konnte. Nach dreißigjähriger Ehe starb Luise Gansel.
Eine Station im Leben Engelhardt Ganses bildet der Bau des Hauses in der Görlitzer Straße. Am Mühlgraben kaufte er sich 1837 ein Gartengrundstück, auf dem er das für seine Zeit außerordentlich stattliche Heim errichtete und das noch heute Familienbesitz ist.
Manch liebenswürdiger Zug aus seinem Bilde könnte noch geschildert wrden. Doch würde ein weiteres Eingehen auf Einzelheiten hier nicht am Platze sein. Nur sei noch bemerkt, daß er Mitbegründer der hiesigen Freimaurerloge (1849) war und sich viel mit Alchemie beschäftigte.
Am 10. Mai 1876 starb Engelhardt Gansel.
Oft reißt der Tod eines solchen Mannes eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann. Hier war das Schicksal freundlicher. Der Tote hinterließ drei Söhne, Peter, Andreas und Erwin, die das Erbe anzutreten wußten. In der Hauptsache ist es der am 8. Februar 1845 geborene Peter, der berufen schien, Träger der Firma zu werden, während Andreas im Jahre 1872 das an der Löwenberger Straße gelegene Baugeschäft gründete, welches nach dem Tode des Andreas 1901 der Zimmermeister Paul Lepski übernahm.
Wie seine Brüder, wurde auch Peter nach vollendeter Schulzeit für das Baufach vorgebildet. Praktische Arbeiten in der Heimat während des Sommerhalbjahres, Bauschulstudien in Holzminden (1861- 64), Wanderschaft, praktische Arbeiten in Bremen und Hamburg sind die Daten, die sein Werden kennzeichnen. Interessant ist, daß er 1863 bei der Einwölbung der großen Kreuzkappen im Querschiff des Kölner Domes tätig war. Den Krieg 1866 machte er mit, kehrte zu neuem Schaffen heim und zog 1870 abermals in den Krieg, den er als Pionier bei bayrischen Formationen mitmachte.
Heimgekehrt (mit der Tapferkeitsmedaille geschmückt), stürzte er sich in rastloses Schaffen. Erfolge blühten auch ihm in reichem Maße. Aus seinen Werken mögen folgende als besonders nennenswert aufgeführt werden:
Bauten am Schloß zu Klitschdorf, zu Hohlstein, eine Anzahl Kirchtüre, das herrliche Erbbegräbnis im Park von Muskau, die Queisbrücke bei Klitschdorf, Bauten an den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten in Bunzlau und Plagwitz bei Löwenberg und schließlich das herzogliche Schloß zu Primkenau. Die Hartmannsdorfer, Tiefenfurter, Siegersdorf – Lorenzdorfer Chausseen zählen ebenfalls zu seinen Schöpfungen. Die Löwenberger Staße ist fast ausschließlich von ihm erbaut.
Wie sein Vater, bekleidete auch Peter Gansel sen. verschiedene Ehrenämter. So das Amt eines Obermeisters der Bauhandwerkerinnung als Nachfolger seines Vater, sowie das eine Majors der Schützengilde. Auch war er Vertrauensmann der Baugewerks-Berufsgenossenschaft. Besonders werden ihm rastloser Fleiß und ein goldiger Humor nachgerühmt.
Als Peter Gansel am 18. Juli 1897 starb, übernahm die Leitung der Firma dessen Witwe, Frau Klara Gansel, geb. Schott, Tochter eines Berliner Großkaufmanns Schott. Es darf gesagt werden, daß sie in umsichtiger Weise das umfangreiche Unternehmen leitete.
Im Jahre 1906 übernahm der am 6. Februar 1877 geborenen heutige Inhaber, Peter Gansel, gemeinsam mit seinem Bruder Andreas Gansel das Baugeschäft.
Daß auch diese Inhaber es verstanden haben, die Tradition der Firma hochzuhalten, bekunden verschiedene bedeutsame Leistungen.
Schwer lastete auf der Firma der Krieg. Auch die Nachkriegszeit war eine schwere Prüfung auf die Lebensfähigkeit des Baugeschäftes. Doch ist es trotz dieser nicht leicht zu überstehenden Notzeiten und der stets wachsenden Konkurrrenz möglich gewesen, dem Unternehmen die Bedeutung wieder zu erringen, die es einst besaß. 1926 beteiligte sich die Firma Peter Gansel auch an den von seinem Vater Peter Gansel 1893 begründeten Ziegelwerken Fritz Gansel. Heute gibt sie etwa 300 Arbeitern und Angestellten Beschäftigung, und ihre Inhaber dürfen von sich sagen, daß sie das Erbe der Väter treu gewahrt haben.
Einhundert Jahre Firma Gansel! Wer wollte ermessen, welche Fülle energischen Wollens, erfolgreichen Könnens, rastlosen Fleißes dieses Jahrhundert in sich schließt? Die Taten, für Jahrhunderte sichtbar, zeugen dafür, daß wertvolle Kräfte gewaltet haben, nicht nur zum Segen der alten Familie, sondern zum Wohl der Heimtstadt und einer weiten Umgebung.
Leicht ist der wirtschaftliche Kampf auch heute nicht. Jahrzehnte werden ins Land gehen, bevor die ärgsen Sorgen behoben sein werden. Mögen den Leitern der Firma Gansel nicht die Kräfte erlehmen, damit sie einem ebenso erfolgreichen Jahrhundert entgegengehen, wie es das erste war. Mögen sie im rastlosen Streben ihr und ihrer Familie Glück finden.
Eine Betrachtung der Geschichte der Firma mußte zugleich ein Eingehen auf die Persönlichkeiten sein, an deren Namen sich die Firma heftete. So wäre es unrecht, wenn über den gegenwärtigen Träger des Namens Peter Gansel nicht wenigstens das Hervorstechendste gesagt werden sollte.
Eingangs wurde er der Begründer des städtischen Museums genannt. Als solcher hat er sich einen unvergeßlichen Namen gemacht. Ist es doch sein Charakteristikum, daß er als erfolgreicher Altertumssammler und guter Kenner der heimischen Vergangenheit gilt. Der „Bunzlauer Verein für Heimatschutz“ machte ihn bei seiner Gründung zu seinem Zweiten Vorsitzenden. Wer sein Haus betritt, wird erstaunt sein: Der Keller ist ein Museum en miniature, die Wohnräume tragen fast sämtlich das Gepräge irgendeiner Kulturepoche. Seine Sammlungen sind bedeutend.
Eine Freude aber ist es, ihn selbst über alte Foliante und vergilbte Pergamente gebeugt zu sehen, wie er die Spuren der Väter liebevoll und ehrerbietig verfolgt. – Es ehrt sich selbst, wer ehrend seiner Väter gedenkt!