Auf der „Jagd nach dem Verkehrssünder“
Auf Streifenfahrt mit der motorisierten Gendarmerie –
Tag um Tag auf der Landstraße im Dienste der Verkehrssicherheit
Von P. Brewka. Erstveröffentlichung: Bunzlauer Stadtblatt 29. 1. 1938
Die immer stärker werdende Motorisierung in Deutschland machte die Bildung einer motorisierten Gendarmerie zur Notwendigkeit. Seit Juli 1937 ist in Bunzlau eine Bereitschaft dieser Polizeigattung stationiert. Schwer und verantwortungsvoll ist der Dienst, den wir in seiner ganzen Mannigfaltigkeit gestern im Rahmen einer Presseführung kennenlernen konnten. Zur Zeit ist die Bereitschaft in einem Gebäude der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt untergebracht; eine gewiß ungewöhnliche Unterkunft, doch diesem Provisorium wird in Bälde ein Ende bereitet. Die im Bau befindliche Kaserne – ebenfalls auf der Haynauer Landstraße gelegen – soll zum Juni bezogen werden. Jedenfalls zeigte ein Rundgang durch die jetzigen Räumlichkeiten, daß man es sich so schmuck und freundlich wie irgend möglich gemacht hat.
Ehe wir zu einer Streifenfahrt starteten, umriß Hauptmann Grunow, der Bereitschaftsführer, in kurzen Ausführungen
Die Aufgaben der motorisierten Gendarmerie,
die durch das Inkrafttreten der neuen Reichsstraßenverkehrsordnung am 1. Januar 1938 eine wesentliche Erweiterung erfahren haben. Das Hauptaufgabengebiet ist die Überwachung des Verkehrs auf den Landstraßen und Reichsautobahnen. Die Tätigkeit umfaßt im einzelnen die Überwachung des Verkehrs auf Einhaltung der Verkehrsvorschriften, Prüfung der Fahrzeuge auf ihre Betriebssicherheit, Hilfeleistung bei Unglücksfällen. Bei Verkehrsunfällen hat sie die Ermittlung des Tatbestandes zu führen; ferner ist ihr die Fahndung nach gestohlenen Kraftfahrzeugen übertragen. Außerdem hat die Bereitschaft die Straßen auf ihren Zustand und die Beschilderung zu beobachten; den Verkehrtreibenden soll sie Beraterin sein.
Das Überwachungsgebiet der Bereitschaft Bunzlau erstreckt sich über den Regierungsbezirk Liegnitz, einschließlich des Kreises Fraustadt, ohne den Kreis Hoyerswerda.
Die Bereitschaft ist in drei Züge eingeteilt; davon versieht im täglichen Wechsel ein Zug Streifen-, der zweite Zug Bereitschaftsdienst, der dritte hat Ruhe. Jeder vierte Tag ist für die gesamte Bereitschaft Ausbildungstag. An diesem Tage wird Fahrzeugpflege, Unterricht, Waffenausbildung, Sport betrieben.
Vor Abfahrt besichtigten wir die bereits fertiggestellte Kraftwagenhalle und Werkstätten der neuen Kaserne. Neun Streifenwagen, dreisitzig, ein viersitziger Führerwagen, sieben Krafträder, davon eins mit Beiwagen, und zwei Schnellastwagen nimmt die neue Halle auf, die von dem Wirtschaftsgebäude ferngeheizt wird. Hell, sauber und lichtdurchflutet sind die Werkstätten, in denen von geschulten Kräften die Reparaturen vorgenommen werden. Während des Bereitschaftsdienstes werden kleinere Reparaturen von den Gendarmen selbst vorgenommen.
Um 12.30 Uhr startete die Streife zur Fahrt in Richtung Görlitz. Einige hundert Meter sind gerade auf der Haynauer Landstraße zurückgelegt, als beim vorderen Streifenwagen das Stoplicht aufleuchtet: Halt. Nur Sekunden dauert der Aufenthalt. Durch Zuruf wird ein Radfahrer darauf hingewiesen, daß er die Radelei bequemer haben könne, wenn er den Radfahrweg benutzte, der ja für diesen Zweck geschaffen worden sei.
Weiter geht die Fahrt. Auf dem Bunzlauer Ring ist ein Radfahrer der Meinung, daß dies der geeignete Ort sei, seine „Kunststücke“ zeigen zu lönnen. Der Streifenwagen verlangsamt seine Fahrt – ein Wink des Gendarmen, und der Radler faßt die Lenkstange mit beiden Händen an.
Wir scheinen bei der Streife gerade eine verkehrsarme Zeit erwischt zu haben, denn auf der Strecke Bunzlau – Siegersdorf sind fast keine Kraftfahrzeuge anzutreffen. Aber die Gendarmen widmen auch den vorüberfahrenden24 Pferdegespannen ihre Aufmerksamkeit. Ein Blick genügt – man hat sich davon überzeugt, daß der letzte herausragende Baumstamm mit der roten Warnfahne versehen ist.
An der Siegersdorfer Kirche wird zur „Standkontrolle“ gehalten. Aus Richtung Görlitz kommt ein Personenkraftwagen heran. Die rot-weiße Fahne des Gendarmen geht hoch:
Halt – Motorisierte Gendarmerie!
„Bitte Ihre Papiere.“ Führerschein, Zulassung und Steuerkarte werden geprüft. Dann darf der Wagen passieren. Inzwischen ist ein Lastkraftwagen bei der Standkontrolle angelangt. Hier nimmt die Kontrolle etwas mehr Zeit in Anspruch. Es genügt nicht, daß die Papiere in Ordnung sind, sonder das Fahrzeug selbst muß in betriebssicherem Zustande sein. Gerade bei Lastkraftwagen haben die Gendarmen ihre Erfahrung. Da hat die Lenkung zu viel „toten Gang,“ der Motor ist verdreckt, Lappen sind um die Lichtmaschine gewickelt, die Bremsen nicht Ordnung – der ganze Kasten ist „autofriedhofreif“. Es sei vorweggenommen, ein solches Vehikel haben wir bei der gestrigen Streife nicht zu sehen bekommen.
Eine Limousine braust heran, stoppt. Von kurzer Dauer ist die Prüfung. Die Motorhaube wird geöffnet, um die Typenummern mit den Papieren zu vergleichen. Alles ist in Ordnung.
„Danker“ Der Wagen kann seine Fahrt weiter fortsetzen.
Inzwischen hat sich der Verkehr belebt, so daß manches Kraftfahrzeug ohne Halt die Kontrollstelle passieren kann. Recht wenig Mühen verursacht ein nagelneuer Mercedes-Lastkraftwagen mit rotem Nummernschild. Er wird von der Fabrik an den Käufer ausgeliefert. Der Fahrer ist mit einer roten, nur für einen Tag gültigen Zulassung ausgerüstet.
„Na, Vater, klingeln Sie mal!“ – Diese freundliche Aufforderung richtet der Gendarm an einen Radfahrer. Dieser schmunzelt und klingelt dann. Damit ist dieses kleine Intermezzo erledigt. Einem Motorradfahrer kommt dieser unfreiwillige Aufenhalt etwas überraschend. An seinem Fahrzeug funktioniert die Handbremse nicht. Sein Einwand, er wollte ja nur noch ein kleines Stückchen fahren, macht keinerlei Eindruck.
„Uns wird viel erzählt und versprochen“, entgegnet der Gendarm. Die kleine Nachlässigkeit bringt dem Verkehrsteilnehmer eine gebührenpflichtige Verwarnung ein: eine Mark muß er berappen!
Die Kontrolltätigkeit war bei dem plötzlich auftretenden Schneetreiben wirklich keine angenehme Beschäftigung.
In einer kleinen „Verkehrspause“ haben wir Zeit, einen Blick in den Kofferraum des Streifenwagens zu werfen, in dem übersichtlich Hilfsgeräte untergebracht sind, die zur ersten Hilfeleistung benötigt werden: Verbandkasten, zusammenlegbare Tragbahre, ein Flaschenzug, Stahlsäge, Axt, Brecheisen, Feuerlöscher, Absperr- und Spurensicherungsgerät, Photo-apparat, Skizzenmaterial. Im Reservekanister wird Brennstoff mitgeführt, der auch an Kraftwagenführer, die mit ihrem Fahrzeug auf der Landstraße liegengeblieben sind, gegen die übliche Tankgebühr abgegeben wird.
Die motorisierte Gendarmerie will auch Freund und Helfer sein!
Zwei nette Episoden wissen die Genarmen aus ihrem „Landstraßenleben“ zu berichten. Auf einer Streife kommt ihnen ein eleganter Personenkraftwagen entgegen. Sie trauen ihren Augen nicht – aus dem Fenster baumeln zwei Beine in die Luft. Der Wagen wird angehalten. Bei der Kontrolle stellt es sich heraus, daß es ausländische Diplomaten sind, von denen der eine seiner guten Laune durch die Beine Ausdruck geben wollte.
Die „Verkehrssünder“ wurden belehrt, da man den Führerschein auch vergessen hatte, wurde eine gebührenpflichtige Verwarnung erteilt. Mit Humor nahmen die beiden Diplomaten den kleinen Zwischenfall auf. Aber sie zogen daraus eine Lehre, und durch ihr nachfolgendes Tun brachten sie auch das Verständnis für die Arbeit der motorisierten Gendarmerie zum Ausdruck: Sie machten mit dem Fahrzeug kehrt, um den vergessenen Führerschein zu holen!
Ein andermal merken die Gendarmen bei einer Standkontrolle, daß in einiger Entfernung von ihnen ein Personenkraftwagen hält, und die Plätze am Volant gewechselt werden
Als bei der Kontrolle der Wagen halten muß, und der Gendarm die Papiere prüfen will, in der Erwartung, daß jemand ohne Führerschein gefahren ist: da zeigen beide Insassen einen Führerschein vor.
Auf die Frage, warum der Platzwechsel erfolgte, erklärte der ältere Wageninsasse, er haben beim Anblick der vielen parkenden Fahrzeuge gedacht, es sei ein Verkehrsunfall geschehen.
Dabei habe er plötzlich das Zittern bekommen und darum das Steuer seinem Fahrer übergeben.
Nach geraumer Zeit wird die „Siegersdorfer Standkontrolle“ aufgehoben. Der Streifenwagen setzt sich in Richtung Bunzlau in Bewegung.
Am Mühlberg in Tillendorf können wir sehen, wie in geradezu gefährdender Art ein Kraftwagenbesitzer sein Fahrzeug in einer Kurve „geparkt“ hat. Der Streifenwagen hält. Der Besitzer oder Fahrer des Wagens ist nicht zugegen. Die Kraftfahrzeugnummer wird aufgeschrieben; danach wird der Wagen von den Gendarmen aus der Kurve geschoben.
Ein verwundertes Gesicht wird gewiß der Kraftwagenfahrer gemacht haben, als e sein Fahrzeug nicht mehr an der Stelle vorfand, wo er es verlassen hat. Das zweite „verwunderte Gesicht“ wird dann gewiß beim Erhalt der Anzeige gemacht!
Im Weichbild Bunzlau gaben zwei Radfahrer Veranlassung, gegen sie einzuschreiten. Auf der Görlitzer Straße wird ein Radfahrer beobachtet, der mit Hacke, Schaufel und anderem Gartengerät bepackt, sich sichtliche bemüht, mit der anderen Hand die Balance zu halten. Er bekommt für sein verkehrswidriges Verhalten einen anderen „Denkzettel“, denn nach seinem Äußeren zu urteilen, würde ihn die gebührenpflichtige Verwarnung mit einer Reichsmark etwas hart treffen.
Der Gendarm schraubt an dem Fahrrad die Ventile und Kappen heraus – die Luft in den Schläuchen entweicht. Der Radfahrer muß sein „Stahlroß“ schieben – gewiß eine heilsame Lehre, wenn man noch einige Kilometer zurückzulegen hat. Auf dem Zeppelindamm wird ein ganz bequemer erwischt. An ein Pferdegespann hat ein junger Bursche seinen Handwagen gehängt; er selbst sitzt auf dem Fahrrad und läßt sich ebenfalls ziehen. Auch er wird gebührenpflichtig verwarnt.
In der vierten Nachmittagsstunde wird auf der Reichsstraße Bunzlau – Sprottau vor dem Dorfe Gollnisch eine „Standkontrolle“ errichtet. Bald herrschte hier reger Betrieb; namentlich bei den Lastkraftwagen gibt es Beanstandungen über Beanstandungen.
Als erstes Fahrzeug wird ein Lastkraftwagen mit der Kennummmer I 17 870, der Holz geladen hat, angehalten.
Bei der Überprüfung der Betriebssicherheit stellen sich verschiedene Mängel heraus; das Nummer-nschild ist verbeult, die Typenbezeichnungen stim-men nicht überein.
„Treten Sie auf die Fußbremse“ – sie ist in Ordnung.
„Schalten Sie bitte einmal Ihre Lichtanlage.“
Die rechte Vorderlampe brennt nicht. Da hilft keine Entschuldigung: „Heute früh hat sie noch gebrannt!“ – eine Reichsmark ist fällig. Wird an Kraftfahrzeugen ein Mangel festgestellt, so wird eine „Mängelanzeige“ erstattet, in der die einzelnen Schäden aufgeführt werden. Der Fahrzeughalter wird darin aufgefordert, sein Fahrzeug nach Behebung der Mängel binnen einer bestimmten Frist bei der Zulassungsstelle vorzuführen.
Inzwischen haben sich an der Kontrollstelle bereits drei Last-kraftwagen eingefunden; bei jedem Fahrzeug werden Mängel festgestellt. Bei dem Liegnitzer fehlt das Stoplicht; ein anderer Kraftwagenführer hat die Anhänger nicht an das Bremskabel angeschlossen.
Die Gendarmen steigen auf den Führersitz, um die Handbremse zu prüfen; sie lassen sich kein X für ein U machen, denn sie haben für ihren Dienst eine Sonderausbildung auf der Kraftfahr- und Verkehrsschule in Suhl durchgemacht. Höflich, aber bestimmt versehen sie ihren Dienst – jeden behandeln sie „individuell“, so daß hin und wieder etwas Humor aufklingt.
In der Ferne taucht ein Lastzug mit Anhänger auf; schon von weitem sieht man, wie unvorschriftsmäßig und schlecht er beladen ist. Eiserne Loren und eine Lokomobile sind seine Ladung. Man guckt sich diesen „Turmbau“ an, geht um den Lastzug herum-Der Kraftfahrer hat Sinn für Humor:
„Lieber um 8 Uhr zu Haus‘, –
als um 7 Uhr im Krankenhaus!“
Gestern hatte aber auch er seiner Losung zuwider-gehandelt, denn wenn ihm die ganze Fuhre umgekippt wäre, hätte er gewiß danach im Krankenhaus landen können.
Mit Anbruch der Dunkelheit wird noch eine Schein-werferkontrolle durchgeführt. In zehn Meter Entfernung wurde von den Scheinwerfern eine Blendtafel aufgestellt, durch diese Tafel wird die Wirkung der Scheinwerfer ermittelt.
Danach wurde die Streife abgebrochen.
Wie anstrengend und verantwortungsbewußt die Arbeit der motorisierten Gendarmerie ist geht aus der Tatsache hervor, daß die Gendarmen in der Motorisierten Bereitschaft den Dienst nur fünf bis sechs Jahre versehen, dann werden sie in die Gendarmerie des Einzeldienstes übergeführt. Der Streifendienst dauert etwa zwölf Stunde; Streifenwege sind bis zu 300 Kilometer lang. Die Gendarmen versehen ihren Dienst im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, denen daraus die Pflicht erwächst, das ihrige zur Förderung der Verkehrssicherheit auf den Landstraßen beizutragen.