Eindrücke und Gedanken anlässlich der Eröffnung des Neuen Keramikmuseums in Bunzlau / Muzeum Ceramiki w Bolesławcu am 3. April 2024
von Rudolf Lehnhoff (Aabenraa / Dänemark)
Offizielle Einladung zur feierlichen Eröffnung des neuen Keramikmuseums
Herr Lehnhoff [1] hat den persönlich gehaltenen Bericht nach seinem zweiten Besuch im Museum am 6. April verfasst, wo er vom Keramik-Historiker und Mitarbeiter des Museums Tadeusz Orawiec freundlich empfangen wurde.
Ferdinand Idaśiak, der einzige Repräsentant der Bundesheimatgruppe Bunzlau, und meine Wenigkeit als „Privatier und Chronikschreiber“ waren am 03.04. bei der feierlichen Eröffnung des neuen Muzeum Ceramiki im alten Pückler- Herrenhaus anwesend. Wir gehörten sicher nicht zur „ersten Garnitur“ der Gäste. Von der Eröffnung hatte ich eher zufällig in einer Mail von der Historikerin und Mitarbeiterin des Museums Anna Puk am 30.01.2024 erfahren, als ich sie zum Zugang zu den „wiederentdeckten Bunzlauer evangelischen Kirchenbüchern“, nunmehr im Archiwum Państwowe we Wrocławiu Oddział w Bolesławcu (Staatsarchiv Breslau Zweigstelle Bunzlau), befragt und meinen Besuch in Bolesławiec/Bunzlau angekündigt hatte. Sie schrieb mir: „Wenn Sie noch Zeit haben, — könnten Sie vielleicht zur Eröffnung des Museums nach Bunzlau kommen? Wir planen, in der Ausstellung die Geschichte der Familie Scholz zu präsentieren…“ Und dann kam am 08.03.2024 tatsächlich eine offizielle E-Mail von der Sekretärin des Bürgermeisters Piotr Roman. Die begann mit: „Dear Sir/Madam! The Mayor of Bolesławiec Mr Piotr Roman has the honour to invite you to the grand opening of the new premises of the Ceramics Museum at 28/29 Zgorzelecka St. in Bolesławiec on Wednesday, April 3, 2024, at 7 p.m.“ Auf Deutsch: „Bürgermeister Roman gibt sich die Ehre, Sie zu den Eröffnungsfeierlichkeiten im neuen Sitz des Keramikmuseums Görlitzer-Straße 28 / 29 am 3. April 19 Uhr einzuladen“. Das Schreiben enthielt noch den Zusatz: „After the official part, we invite you to a ceremonial banquet, which will start at 09:30 p.m. at the Bolesławiec Cultural Center – International Center of Ceramics at pl. Piłsudskiego 1c (hall, 1st floor). We would be delighted to share this special moment with you.” Auf Deutsch: „Nach dem offiziellen Teil laden wir Sie zu einem festlichen Abendessen ab 21.30 Uhr ins Bunzlauer Kulturzentrum Pilsudski-Platz 1c ein. Wir würden uns glücklich schätzen, auch dieses besondere Ereignis mit Ihnen zu teilen.“
Inzwischen hatte ich am 26.02. mit Dietmar Plate korrespondiert, dem zu seiner und meiner Überraschung – wie offenbar der Heimatgruppe – offiziell nichts von der geplanten Museumseröffnung mitgeteilt worden war. Sie alle müssten dann wohl auch erst um den 08. März eine „Sammeleinladung“ erhalten haben und reagierten zu meinem vollen Verständnis recht befremdet [Anm. d. Redaktion: Der Heimatgruppe wurde überhaupt keine Einladung zugestellt, obwohl die Vorstandsmitglieder auf einem Dokument aus dem Jahr 2019 aufgrund der wertvollen Leihgaben an das Keramikmuseum hochoffiziell zu „Freunden des Neuen Museums“ erklärt worden waren. In einem anderen Schreiben teilte Herr Lehnhoff uns mit, die Bundesheimatgruppe habe lt. polnischer Auskunft eine Einladung zur Eröffnung der in Zusammenhang mit dem Neuen Museum eingerichteten „Töpferei“ im früheren Kutosow-Museum 2023 erhalten und diese auch wahrgenommen. – Bunzlaus Partnerstadt Siegburg erreichte die Einladung zur Museumseröffnung so spät, dass sie ihr nicht folgen konnte.]
Berichte, Bilder und Videos von den aufwendigen Eröffnungsfeierlichkeiten vor mehreren hundert Menschen mit Laser-Show und Europa-Hymne kann sich nun jeder selber im Internet ansehen. Vor 19 Uhr gab es bereits eine Feier im Museum mit Schlüsselübergabe im kleinen Kreis von „Sponsoren“ und Prominenten. Das Land Norwegen hatte 80 % der Umbau- und Renovierungskosten in Höhe von 53 Mio. Zł getragen, umgerechnet sind das 12.310.122 €. Die Stadt Bunzlau zahlte vertragsgemäß den Rest. Warum die Beteiligung der norwegischen Stadt Porsgrund am Skagerak, direkt gegenüber von Thy in Dänemark? Es haben offenbar frühzeitig Ausbildungsbeziehungen zwischen der 1885 vom norwegischen Reeder Johan Jeremiassen (1843 – 1889) gegründeten Porzellanfabrik in Porsgrund (Porsgrund Poselæns-fabrik) und der 1897 in Bunzlau gegründeten Königlichen Keramischen Fachschule bestanden. Von Seiten der gleichfalls eingeladenen Repräsentanten der italienischen Stadt Faenza hatte man wohl die Idee der „Europäischen Keramikstraße“, ein „Kulturweg“, den der Europarat 2012 zertifiziert hat. Laut Wikipedia koordiniert das französische Limoges dieses „Netzwerk der europäischen Keramik“. Wie auch immer, das bedeutet: Die Einladungen nach Porsgrund und nach Faenza sind sicher nicht erst im März erfolgt. Für mich ein wenig überraschend, dass Ferdinand Idaśiak, Repräsentant und Vorsitzender der Heimatgruppe, der sich übrigens meiner als Chauffeur, Übersetzer und Fremdenführer außerordentlich freundlich angenommen hatte, von der ihm gut bekannten Frau Bober-Tubaj wie ein unbekannter „No-name“ behandelt wurde und überdies keine Einladung zum „Festbankett“ für die ausländischen Gäste erhalten hatte. Er ging trotzdem hin.
Soviel zum Hintergrund und nun zum aktuellen Geschehen: Das Neue Museum im Pückler-Bau ist außerordentlich sehenswert, eine gut gelungene Ausstellung von Steingut, Porzellan und Skulpturen einschließlich von Geschirr und Kunstobjekten aus Porsgrunn und Faenza und Multimedia-Präsentationen, u.a. über Bunzlaus Geschichte. Offenbar war man zuletzt im Dauerstress, da die Bauzeit bis zur Eröffnung und Freigabe der Gelder auf zwei Jahre terminiert war und die Eröffnung buchstäblich im letzten Augenblick erfolgt sei. Heißt aber auch: Das Zusammentreffen der Museumeröffnungsfeier mit den polnischen Kommunalwahlen am 7. April, eine gelungene Wahlwerbung für den jetzigen – und mittlerweile wiedergewählten – Bürgermeister Roman, sei eher zufällig gewesen.
Das Geld für die Sprachübersetzungen habe nicht ausgereicht. Das heißt, z.Zt. gibt es nichts auf Deutsch (soll noch kommen), etliches auf Englisch und Norwegisch. An den Bildschirmen ist der Zugang zu den Übersetzungen schwer zu entdecken. Man muss das Icon pl (für Polnisch) berühren, dann erst öffnen sich Icons für die beiden anderen Sprachen. Gelegentlich sind Präsentationen wie die über die Geschichte der Keramikschule mit englischen Untertiteln versehen. Die Ausstellungsbereiche zur polnischen Nachkriegsgeschichte, den Zuwanderern aus anderen Teilen Polens, den Rückkehrern aus Sibirien, aus Jugoslawien, aus Frankreich und Deutschland ins kriegszerstörte Bunzlau gibt es z. Zt. nur in polnischer Sprache.
Texte zu wichtigen Bunzlauer Persönlichkeiten wie den Verlegern Fernbach, den Steinbruchbesitzern Zeidler und Wimmel und den Scholz-Fotografen gibt es bislang auch nur auf Polnisch. Eigentlich hätte ich erwartet, dass man mir den Text zu den „Schölzern“ vorher zur Autorisation vorgelegt hätte, im Sinne – wie es so schön heißt – „guter journalistischer Praxis“. Drei Fotos, die ich mit der früheren Generalerlaubnis von Eckhart Scholz, Baldham, auf Anfrage von Anna Puk zur Verwendung frei gegeben hatte, sind aber korrekt beschriftet. – Übrigens: Der wieder entdeckte Gedenkstein in der „Zeche“ für Eduard Scholz ist inzwischen stabil auf einem Zementbett befestigt. – Kennzeichnungen von Anteilen aus Dietmar Plates Archiv und Wissensfundus konnte ich nicht entdecken, vielleicht sind sie irgendwo in den polnischen Texten versteckt. Leihgaben und Geschenke der Bundesheimatgruppe und von Haus Schlesien, z.B. Heimatkalender, sind korrekt in deutscher Sprache ausgewiesen.
Es grüßt aus Dänemark Rudolf Lehnhoff.
Der Text wurde vom Autor nachträglich geringfügig bearbeitet.
[1] Anmerkung der Redaktion: Der seit 25 Jahren in Dänemark lebende deutsche Chirurg Rudolf Lehnhoff ist einer der Ururenkel von Eduard Scholz, dem ersten Daguerreotypisten und Fotografen Niederschlesiens, ein Nachkomme von dessen Bunzlauer Fotografensöhnen und – enkeln. Er hat zur Erforschung der Geschichte der Bunzlauer und Görlitzer Fotografenfamilie viel beigetragen.