Pückler-Schloss  –  Woller-Schloss  –  Jugendhaus

Veröffentlicht von Peter Börner am

von Dietmar Plate (Peine)

Anmerkung der Redaktion: Die Erstfassung dieses Beitrags erschien 2019 in den Nummern 1-3 der Bunzlauer Heimatzeitung. Der Text als solcher ist auch schon ein Dokument, da er beispielhaft die sorgfältige Arbeitsweise unseres Mitarbeiters Dietmar. Plate zeigt.

Der geplante bauliche Zustand des Wollerschlosses unter dem Namen “Pückler-Palais” als Sitz des neugestalteten Bunzlauer Keramikmuseum. Quelle: Internet.

Wer aus Richtung Görlitz kommend die Stadt Bunzlau erreichte, konnte die beiden schlossähnlichen Gebäude nicht übersehen, die sich kurz nach Überquerung der Mühlgrabenbrücke links und rechts der Görlitzer Straße dem Reisenden zeigten. Auf der rechten Seite erblickte man die prächtige Villa der Familie Gansel, erbaut von Engelhardt Gansel, dem Begründer der Baufirma Gansel. Auf der linken Seite – noch ein wenig imposanter – stand und steht noch heute das Gebäude, das außer den in der Überschrift genannten Namen noch ein paar weitere trug in seiner wechselvollen Geschichte.

Im Jahre 1857 hatte der Besitzer von Rothlach, Graf Pückler, ein bereits vorher hier stehendes ebenerdiges Haus zu einem Schloss ausbauen lassen. Das Pücklersche Wappen befand sich am Gebäude. Im März 1934 wurde dieses Steinwappen vom Stadtbauamt dem Bunzlauer Museum überwiesen. Einen eindeutigen Beleg dafür, das die Baufirma Gansel den Ausbau auch dieses Gebäudes übernommen hatte, habe ich nicht gefunden. Aber die kaum zu übersehenden Ähnlichkeiten im Baustil mit der gegenüberliegenden Villa Gansel, lässt das vermuten.

Engelhardt Gansel wurde am 29. 10. 1806 geboren. In den Jahren 1834/35 machte er sich das erste Mal einen Namen mit dem Bau des Turmes der evangelischen Kirche. 1837 kaufte er das Grundstück an der Görlitzer Straße, auf dem er seine dort ebenfalls heute noch stehende Villa errichtete. Sein bekanntestes Bauwerk aber ist der zwischen 1844 und 1846 erbaute Bunzlauer Boberviadukt. Er starb als hochgeachteter und vielgeehrter Bunzlauer Bürger am 10. 5. 1876. Seine Nachfahren führten das von ihm begründete Baugeschäft bis zum bitteren Ende im Jahre 1945.

Der Bauherr Graf Eduard Maximilian von Pückler, geboren am 30. 7. 1795, war seit 1825 Eigner des Gutes Rothlach-Uttig im Kreis Bunzlau. Seine Ehefrau Helena, geborene Gräfin Larisch von Moennich, war Besitzerin des Gutes Nieder-Thomaswaldau. Graf von Pückler starb am 11.6.1870 in Bunzlau, seine Gattin am 3. Oktober 1872. Der Erbe des Gutes Rothlach-Uttig war sein Stiefbruder Erdmann Julius Hugo Graf von Pückler-Boruslawitz. Dieser hat vermutlich das Schloss in Bunzlau verkauft, er selbst lebte in Rogau. Inwieweit sich eine Verwandtschaft zu dem Fürsten Hermann von Pückler-Muskau – dem Schöpfer des Landschaftsparks von Bad Muskau – nachweisen lässt, sei dahingestellt. Es geht da um einige Ecken, aber immerhin …

Über den nächsten Bewohner schreibt der Bunzlauer Lokalhistoriker Artur Schiller im Jahre 1919: „In den Jahren 1875/76 tauchte in Bunzlau ein Graf R. auf, der in der von dem ihm bewohnten Graf Pücklerschen Villa eine große Hofhaltung einrichtete. Er hielt ein Heer von Dienern und Reitknechten. Wenn er ausritt, so folgte ihm eine ganze Kavalkade. Die Pferdeställe wurden pompejanisch rot angestrichen. Als sich einmal einer seiner Bereiter den Arm verrenkt hatte, ließ er aus Paris eine ganze Ladung Arm- und Beinschienen für solche Unfälle kommen. Mit vier Pferden machte er in ganz Bunzlau bei musikalischen Familien Visite. Die Betreffenden wurden dann unter glänzender Verpflegung zu Konzerten in ein Schloß eingeladen. Die Aufführungen standen ja meist nicht auf der Höhe der Kunst, es war doch aber alles etwas ganz Neues für das stille Städtchen. Mein Vater und ich wurden auch herangezogen. Ich habe mich dort stets außerordentlich gut unterhalten. Natürlich fehlte es nicht an jungen Damen, singenden und zuhörenden. Man konnte sich ein lebendiges Bild von den Magnatenschlössern machen, in denen in alten Zeiten die Musikheroen Haydn, Mozart und Beethoven verehrt worden sind.“ Später präzisiert Schiller das folgendermaßen: „1875: 23. April. Das jetzige Wollerschloß (warum sagt man nicht: „Pücklerschloß“?) war von einem Grafen Hatzfeld bewohnt, der viel auf einen guten Marstall verwendete und sich sehr für Musik interessierte.“

Nächster bekannter Besitzer des Gebäudes war Samson Woller. Es ist nicht ganz einfach, Genaueres über ihn in Erfahrung zu bringen. Einige Daten aus verschiedenen Berichten über die Concordia Spinnerei und Weberei sowie aus Recherchen von diversen Familienforschern (gefunden im Internet) ermöglichen jedoch ein einigermaßen vollständiges Bild. Danach ist er am 28. 5. 1819 in Festenberg, Kreis Groß Wartenberg, als Sohn von Libel (oder Löbel) und Maria Woller geboren.

Um 1840 ging er nach England und betrieb in Bradford um 1845 eine Kammgarnspinnerei. Nachdem er nach Schlesien zurückgekehrt war, kaufte er im Jahre 1855 eine stilliegende Fabrik am Schießberg bei Marklissa. Gemeinsam mit zwei Brüdern betrieb er die Firma Gebrüder Woller. Am 24. 6. 1866 heiratete er in Wiesbaden Antonie Rösler, geb. 18. 1. 1826. Samson Woller war jüdischen Glaubens, seine Ehefrau vermutlich evangelisch. Auch Samson Woller ist zum evangelischen Glauben konvertiert. Wann das geschehen ist, ist nicht belegt, möglicherweise anlässlich seiner Hochzeit. Die Zahl seiner Kinder ist nicht eindeutig belegt. Es muss auf jeden Fall einen früh verstorbenen Sohn gegeben haben und eine katholisch getaufte Tochter. Nur von einer Tochter sind genauere Informationen bekannt. Im Jahre 1871 erwarb Woller das Grundstück der kurz zuvor abgebrannten Obermühle in Burglehn bei Bunzlau.

Die Familie Woller lebte in Marklissa und Schadewalde im Kreis Lauban. Irgendwann nach 1871 soll Samson Woller nach dem Tod seines Sohnes nach Bunzlau gezogen sein, das mag so um 1880 gewesen sein. Man kann davon ausgehen, dass er direkt das kleine Schloß der Pücklers bezogen hat. Lange ist er dort nicht verblieben, sein Hauptwohnsitz wurde sein Gut Dlonie im Kreise Rawitsch an der schlesisch-polnischen Grenze bei Fraustadt.

Die Allgemeine Zeitung in München berichtet am 11. August 1888: „In das Geschäftsregister des Amtsgerichts Bunzlau ist eine Actiengesellschaft unter der Firma Concordia Spinnerei und Weberei mit dem Sitze in Burglehn (bei Bunzlau) und einer Zeigniederlassung in Marklissa eingetragen worden. Gründer der Gesellschaft sind der Kaufmann und Fabricant Samson Woller zu Bunzlau, der Director der Bank für Handel und Industrie Richard Michelet, der Director derselben Bank Dr. Jakob Rieser zu Berlin, der Kaufmann Robert Woller zu Marklissa und der Kaufmann Julius Schulz zu Bunzlau. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb der mechanischen Kammgarnspinnerei einschließlich der hiermit verbundenen Geschäftsbranchen, sowie die Herstellung und der Vertrieb von Web-, Strick- und Stickgarnen. Das Grundcapital der Gesellschaft besteht aus 3,000,000 M. in 3000 Actien à 1000 M.  Als Einlage auf das Grundcapital sind von Hrn. Samson Woller seine beiden zu Bunzlau und Marklissa unter der Firma „Gebrüder Woller“ bestehenden Etablissements mit allem Zubehör eingebracht. Der Betrieb des Etablissements erfolgt bereits seit 1. Januar c. für Rechnung der Actiengesellschaft. Eine Einführung der Actien in den Börsenverkehr, wie sie aus der Betheiligung der Darmstädter Bank an dem Unternehmen geschlossen werden könnte, ist nach der „B. B.-Zeitung“ nicht beabsichtigt.“

Im Heimatbuch des Kreises Lauban aus dem Jahre 1928 berichtet Karl Gründer: „Die Leitung und das Eigentum des Werkes hat Samson Woller allein zugestanden, seine Brüder scheinen nur Mitarbeiter gewesen zu sein. 1888 wurde die Firma dann aber in die Aktiengesellschaft Concordia Spinnerei und Weberei umgewandelt. „Concordia Mill“ (Mill, englisch = Mühle, Fabrik, Spinnerei) hatte Woller schon sein Bradforder Werk benannt gehabt. Bis 1899 stand der Begründer der Werke, Samson Woller, an der Spitze. 1900 starb er auf seinem posenschen Gute Dlonie und wurde in der Familiengruft im Park seines ehemaligen Schadewalder Wohnsitzes beerdigt. Er ist ohne Zweifel zu den führenden Männern der deutschen Textilindustrie im neunzehnten Jahrhundert zu zählen.“

Malermeister Arthur Linke erzählt in der Bunzlauer Heimatzeitung: „Das Schloß barg für Bunzlau manche Kostbarkeit, aber es ist wohl nie richtig bewohnt worden. Ich weiß noch, daß ich als Lehrling jedes Jahr dort ausgebessert habe, was zur Erhaltung nötig war. Der Kommerzienrat Woller war dann nach Dlonie bei Krotoschin in der Provinz Posen übersiedelt und lebte auf einem großen Gut mit schönem Schloß. Ich weiß dies deshalb, weil mein Vater zu unserer Kindheit alle Jahre ein paar Wochen nach Dlonie fahren mußte und für den Bunzlauer Malermeister Pachaly dort im Schloß gemalt hat. Die Tochter des dortigen Schloßgärtners, ein Fräulein Wiesenhütter, leitete viele Jahre das Stickereigeschäft Miksch an der Oberstraße im Haus „Drei Kränze“. Trotz ihres roten Haares war sie eine ausgesuchte Schönheit, die es verstand, mit viel Eleganz den Blick auf sich zu ziehen. Mein Vater hat für ihr Geschäft oft die großen Tischdecken aufgezeichnet, die sie für viele Herrschaften stickte.“

Im Jahre 1898 verfügte Woller folgendes: „Ich, der Rittergutsbesitzer und Kommerzienrat Samson Woller in Dłonie Kr. Rawitsch, errichte hierdurch folgendes Testament: …. § 3. Meiner Ehefrau Antonina geb. Rösler vermache ich 1) meine Villa in Bunzlau mit Garten und alle Zubehör sowie allem was sich darin befindet also namentlich mit totem und lebenden Inventar derselben, mit den dort befindliche Mobilien und Schmucksachen (§ 18 A.L.R.I.2) kurz mit allem was sich zur Zeit meines Todes darin befindet. Falls diese Villa vor meinem Ableben veräussert werden sollte, vermache ich meiner Ehefrau den Betrag, den ich dafür erhalten haben sollte. Dieser Betrag ist alsdann 3 (drei) Monate nach meine Ableben zahlbar.“ Als er im Jahre 1900 sein Testament erneut aktualisierte, befand sich das Schloss offensichtlich nicht mehr im Besitz der Wollers, es wird nicht mehr erwähnt.

Wie es nun mit dem Schloss weiterging, liegt im dunklen. Arthur Linke weiß auch nichts Genaueres, er schreibt in seinem Aufsatz in der Heimatzeitung: „Es mag um 1905 gewesen sein, als ein Herr Professor, dessen Name mir unbekannt ist, dieses Wollerschloß übernahm. Viele Handwerker brachten Schloß, Reitbahn und Park wieder in Ordnung, aber plötzlich hörte alles auf, und der Herr Professor kam auch nicht mehr. Der alte Hausvater Niedergesäß mit seiner an Gicht leidenden Ehefrau behütete weiter das Schloß. Viele werden diese Eheleute noch kennen. Was der Mann an Körpergewicht zu wenig hatte, war der Frau zugefallen. Wenn im Schloß  gearbeitet wurde, war sie dauernd am Schimpfen. Der Alte stand dann stundenlang am Eingang, begleitet von seinem großen Bernhardiner, an dem auch schon der Zahn der Zeit nagte.“ Das Adreßbuch von 1903 weist als Besitzer aus: D. Vallata und die Gebrüder G. und R. Schüller. Im Hause wohnen die Arbeiterin Karoline Mackowiak und der Werkführer Friedrich Schmidtke. 1907 ist der Tiefbau-Unternehmer Giovanni Vallata Eigentümer. Er selbst lebt aber nicht im Hause, dafür der oben genannte Wächter August Niedergesäß.

1903 wohnte dieser G. Valata noch im Hause Nr. 20 an der Görlitzer Straße. Arthur Linke schreibt über ihn: „Stadteinwärts vom Wollerschloß wohnte an der Görlitzer Straße viele Jahre ein Italiener, der Name ist mir leider entfallen. Ein kleiner dunkelhaariger Mann, äußerst lebhaft mit hoher Tenorstimme. Er war Kiesgrubenbesitzer in Dobrau an der Bahn, halbwegs nach Siegersdorf. Als Kinder bewunderten wir immer die langen Kieszüge, die über den Viadukt ostwärts rollten. Der Kies war für den Bahnbau bestens geeignet. Der Italiener hatte den richtigen Riecher gehabt, als er diese Kiesgrube übernahm. Später ging sie in den Besitz eines Herrn Koch über.“ Der Tillendorfer Schmiedemeister Max Hippe ergänzt: „Der genannte Italiener hieß Valata. Er kam anfangs der neunziger Jahre als Drehorgelspieler nach Bunzlau, entdeckte aber bald, daß im Kiesschacht Dobrau Geld zu verdienen ist. Mit zwei Arbeitern fing er an und brachte es durch Fleiß und Unternehmungsgeist in kaum zwei Jahrzehnten zu einem Millionär oder mindestens zum besten Steuerzahler Bunzlaus. Er kaufte sogar das Wollerschloß. Dies mochte ihm wohl nicht gefallen, denn er verkaufte es später und zog nach Berlin.“

Im Jahre 1913 sind die Inhaber der Holzwarenfabrik Martin & Barasch in den Besitz des Wollerschlosses gekommen. Im Hause wohnen jetzt: Die verw. Fabrikbesitzer Marie Martin, der Fabrikbesitzer Gustav Müller, der Pastor Max Drescher, der Oberpostassistent Oskar Schmidt und der Tischler Karl Müller. Die Holzwarenfabrik Martin & Barasch wird bereits 1886 in Bunzlau genannt, sie befand sich zunächst an der Friedrichstraße (1903 die Nr. 17 und 18). Der Inhaber Gustav Martin ist in diesem Jahre Stadtverordneter. Irgendwann zwischen 1903 und 1907 ist er verstorben, Eigentümer der Firma sind danach die Martinschen Erben. Diese werden noch 1935 als Besitzer der Häuser Friedrichstraße 17, 18 und 18a. Namentlich bekannt ist von diesen Erben nur die Witwe Marie Martin. Wie oben erwähnt, wohnt sie 1913 im Wollerschloß. Vorher im Hause Friedrichstraße 18, 1924 wird sie dann wieder an dieser Adresse genannt. 1935 weilt sie offensichtlich nicht mehr unter den Lebenden, die Holzwarenfabrik hat vermutlich schon während des ersten Weltkrieges ihren Betrieb eingestellt. Wer die Martinschen Erben waren und wo sie lebten, das muss an dieser Stelle offenbleiben.

Im Jahre 1920 kaufte die Stadt Bunzlau das Haus. Nun trug es den Namen „Jugendhaus“. 1924 war hier das Säuglingsheim eingerichtet und für einige Jahre die Städtische Volksbücherei. Man hatte außerdem eine ganze Reihe von Wohnungen eingerichtet, außer dem Bücherwart Herbert Müller und der Fürsorgeschwester  Elfriede Jopke gab es noch 21 weitere Mietparteien im Hause. Diese sind dann nach und nach ausgezogen und die Nutzung der Räumlichkeiten wurden noch vielfältiger.

Über einen der Bewohner im Jahre 1927, den Theatermaler Gaßner, schreibt die Bunzlauer Volksstimme am 4. September: „Er haust in der früheren Reitbahn des Wollerschlosses, die durch ihn eine besondere Weihe erhalten hat und die ja nun eigentlich „Atelier“ genannt werden müßte. Jedoch hat sie im Laufe der Zeit schon den verschiedensten Zwecken gedient. Sie war Torfschuppen, Ziegelei und was weiß ich noch, jedenfalls hat sie mehr und mehr an Ansehen verloren. Bei Regenwetter strömt und klatscht das Wasser nur so vom schadhaften Dach hernieder. Der winterliche Frost verwandelt sie in einen Eispalast. Jetzt im Sommer ist sie ein ideales Wohnhaus für die Spinnen und Herr Gaßner, der Theatermeister, meint, daß sie im Sommer auch für ihn brauchbar sei, wenigstens lobt er ihre Größe.“

Wie oben erwähnt ist im Jahre 1920 auch die städtische Bücherei in das Haus gezogen. Im Buch „Volkstümliches Büchereiwesen im Regierungsbezirk Liegnitz“ aus dem Jahre 1928 ist das genauer beschrieben worden. „Am 1. Oktober 1920 wurde die Volksbücherei aus ihren ungeeigneten Räumen ausquartiert und in viel schöneren Räumen eines von dem Fürsten Pückler und später Hatzfeldt in „herrlicher“ Pseudogotik-Renaissance erbauten Schlosses untergebracht. Dieses Gebäude war Stadteigentum geworden und wurde von der Stadt in ein Jugendhaus umgewandelt, von dessen Schießscharten und Ecktürmchen nun niemand mehr auf den Geist des Hauses schließen darf. Hier wurde der Bücherei auch eine Lesehalle angegliedert. Die Lesehalle bestand aus zwei, später drei Zimmern und enthielt eine für die bescheidenen Verhältnisse ansehnliche Handbücherei mit zirka 160 Bänden. In der Hauptsache enthielt aber die Lesehalle viel Tageszeitungen und Zeitschriften, deren Auswahl nicht nach nur volksbildnerischen Gesichtspunkten getroffen war. So war die Lesehalle oft genug Treffpunkt für Stellensuchende, für Kaufleute und für eifrige Tagespolitiker, die dann öfters Zeitschriften und Zeitungen auch mit mehr oder weniger noblen Randbemerkungen verzierten und auf diese Weise ihren ganz besonderen Teil zur Bildungsatmosphäre der Lesehalle beitrugen.

Die Lesehalle war mit Möbeln ausgestattet, die aus einem Bahnhofshotel stammten! 1923 wurde die bisherige Büchereiverwalterin hauptamtlich angestellt, denn die Zahl der Entleihungen war bedenklich angewachsen. Die von der Stadt berufene Büchereikommission entfaltete in den folgenden Jahren eine regere Tätigkeit. 1923 erfolgte ein Personalwechsel. Der neuen Leitung wurde von Anfang an die Verpflichtung auferlegt, die Bücherei als Bildungsstätte auszubauen. Seitdem entwickelte sich die Bücherei langsam aufwärts und es gelang, die Bücherei in das Bildungsleben der Stadt Bunzlau einzubauen.“

Verfasser des Aufsatzes war der Büchereileiter Herbert Müller. Weiter schreibt er: „Bei den zunächst nur zaghaft und vorsichtig angegriffenen Reformarbeiten zeigte sich bald, daß nur ein gründlicher Eingriff in Bestand und Räume die Bücherei an die neuen Volksbildungsaufgaben anpassen konnte. Der durch über zwanzig Jahre fast systemlos gesammelte Bestand enthielt in großer Anzahl veraltete und volksbildnerisch unbrauchbare Bände. Die Verteilung der Räume entsprach nicht den Grundsätzen neuer Büchereigestaltung. Alle Verwaltungsarbeit und alle buchpflegerischen Arbeiten mußten in dem verhältnismäßig kleinen Magazin ausgeführt werden. Zunächst erhielt das Magazin 1925 eine zweigeschossige, eiserne Regalanlage, ausreichend für 8000 Bände. Die einzelnen Räume der Lesehalle wurden hergerichtet, erhielten Schreibplätze und bessere Beleuchtungsanlagen.

Der Buchbestand wurde besser gepflegt und in bescheidenem Umfange von unbrauchbaren Bänden befreit, so daß im Jahre 1926 die Zahl der Bände von 8748 auf 6777 verringert wurde. Die Ergänzungen des Buchbestandes wurden planmäßiger vorgenommen. Für die Ausleihe wurden ein Präferenzkatalog und eine Leserkartei geschaffen.  Das alles geschah zunächst noch nicht mit völliger Einsicht in die neueren volksbibliothekarischen Notwendigkeiten, hob aber die Bücherei schon über das in Niederschlesien durchschnittlich Bekannte hinaus. Im Jahre 1926 betrug die Anzahl der aktiven Leser 1828 und es fanden 18552 Entleihungen statt. – Der Aufbau des Bücherbestandes wurde mit der Anschaffung von nahezu 1000 neuen Bänden begonnen, so daß jetzt zwar ein nicht sehr großer, aber sorgfältig ausgewählter und gepflegter Bestand als Grundstock zur Verfügung steht. Die planmäßige Erweiterung muß in den nächsten Jahren folgen. Die noch primitive Ausleihorganisation wurde ausgebaut. Für den Lesesaal stellte die Stadt dankenswerterweise einen neuen großen Raum des Jugendhauses zur Verfügung.

Dadurch konnte ein geeigneter Ausleihraum geschaffen werden, der in der früheren Anlage besonders unzulänglich war. Ebenso entstanden auf diese Weise die notwendigen Verwaltungsräume. Um den Ausleihraum von allem unnötigen Verkehr zu entlasten, wurde außerdem ein kleiner Vor- und Warteraum geschaffen. Im Magazin entstanden durch einen Fensterdurchbruch bessere Luft- und Lichtverhältnisse. Eine einheitlich einfache aber würdige Ausstattung der Räume wurde unter geschickter Verwendung des vorhandenen Mobiliars vorgenommen. Dabei und bei der malerischen Ausgestaltung der Räume leistete Prof. A. Hennig von der staatlichen keramischen Fachschule wertvolle Hilfe.“

Der Bürgermeister Ulrich Burmann schreibt im selben Jahre über das Jugendhaus: „ … Auch wir in Bunzlau waren bis vor ganz wenigen Jahren schlimm daran. Aber heute haben wir ein Jugend-haus, um das uns viele, zum Teil sogar weit größere Städte beneiden. Im Jahre 1920 erwarb die Stadt das an der Görlitzer Straße gelegene Wollerschloß. Ein herrlicher Park mit altem Baumbestand umgibt das um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erbaute Gebäude.

Nachdem das Militär und einige Mieter, die vorübergehend das Haus belegten (womit die 21 Mieter erklärt wären), ausgezogen waren, ging es mit der Einrichtung unseres Jugendhauses Schritt für Schritt vorwärts. Im Erdgeschoß wurden die Tageskrippe (Säuglingsheim), die Schulzahnklinik, die Mütterberatungsstelle und die Wohnung des Heimverwalters eingerichtet. In die prachtvollen, hohen Räume des Obergeschosses kam die Volksbücherei, ein Montessori-Kindergarten, das Heim für den Kinderhort, die aus je einem Mädel- und Burschenzimmer bestehende Jugendherberge und das aus fünf Zimmer bestehende Heim für unsere schulentlassenen Jugendlichen. Wie notwendig allein diese fünf Räume sind und wie gern diese schlicht, aber um so farbenfroher und freundlicher ausgestatteten Zimmer aufgesucht werden, erhellt allein die Tatsache, daß jährlich etwa fünfzehntausend Kinder und mindestens ebensoviel schulentlassene Jugendliche sie aufsuchen.

An den Nachmittagen und zum Teil auch an den Vormittagen hat der Kinderhort in diesen Zimmern seine Bleibe. In dem einen Zimmer werden die Schularbeiten gemacht, in einem anderen Gesellschaftsspiele, und in wieder einem anderen Zimmer wird gebastelt, gelesen usw. Abends gegen 6 Uhr zieht die Schar der Kleinen aus, die Zimmer werden gelüftet und gereinigt, und um 1/2 8 Uhr kommen schon die ersten Jugendlichen der einzelnen Vereine, die dann bis 10 Uhr zusammen bleiben. Erwähnenswert ist noch, daß all die Jugendvereine, die unserem Ortsausschuß für Jugendpflege angeschlossen sind (es sind dies zur Zeit 42), völlig kostenlos unser Jugendheim benutzen dürfen. Manche frohe, aber auch manche ernste Stunde kann man dann in einem Kreis solch jugendfrischer und froher Menschen verleben.

Auch unsere Jugendherberge, die eingangs schon erwähnt wurde, erfreut sich einer starken Benutzung. In sauberen Holzbettstellen, die mit Matratzen versehen sind, haben allein im vergangenen Jahre über 500 Jugendliche mit ihren Führern und Führerinnen übernachtet. Das Herbergsbuch, in das sich jeder Wanderer eintragen muß, ist des Lobes voll. Besonders wird immer wieder die große Sauberkeit erwähnt. Es wird auch sicherlich manchem Leser interessant sein, zu erfahren, daß in unserer Jugendherberge der Schlafsackzwang unbedingt durchgeführt wird. Das heißt, jeder Wanderer darf bei uns nur nächtigen, wenn er im Besitz eines sauberen Schlafsackes ist oder sich einen solchen gegen 10 Pf. Waschgebühr beim Heimverwalter leiht. Manchmal stößt man mit dieser Neueinrichtung auf große Schwierigkeiten; aber für unsere Jugend ist das Beste gerade gut genug. Und Sauberkeit muß man zuallererst von einer Jugendherberge verlangen.

Dieser kurze Rundgang durch unser Jugendhaus wäre aber nicht vollständig, wenn man nicht noch unseren herrlichen Park erwähnte. Es ist eigentlich ein ganz besonderes Kleinod. Jeder findet in ihm sein Plätzchen. Da gibt es lauschige Ecken, in denen Geschichten erzählt oder vorgelesen werden, dort eine schöne Waldwiese, auf der getanzt, gespielt oder gesungen wird. Und an den warmen Sommerabenden, wenn die vielen Glühwürmchen herumhuschen, ist‘s besonders heimlich.“

Doch schon bald leerte sich das Haus wieder. Die Bücherei wurde zunächst in das ehemalige Verwaltungsgebäude der in Konkurs gegangenen Firma Lengersdorff an der Ecke Haynauer Landstraße/Hüttenstraße, später dann in das Sparkassengebäude an der Oberstraße verlegt. Die Jugendherberge befindet sich 1935 im benachbarten Hospital St. Quirini, ebenfalls im Besitz der Stadt. 1931 nutzte man das Gebäude für die Zwecke der Bunzlauer Nothilfe. Fabrikdirektor Bruno Wabnitz berichtet im Heimatkalender 1933: „Auf Anregung des Magistrats der Stadtgemeinde Bunzlau versammelten sich am 17. September 1931 unter Vorsitz des Herrn Ersten Bürgermeisters im Stadtverordnetensitzungssaale Vertreter der Verbände der freien Wohlfahrtspflege sowie der wirtschaftlichen und kulturellen Verbände und Vereinigungen aus allen Bevölkerungsschichten zur Gründung der Bunzlauer Nothilfe.

Nachdem alle Vertreter grundsätzlich ihre Mitarbeit an diesem Hilfswerk zugesagt hatten, konnte bereits am 23. September 1931 der Hauptausschuß zusammentreten. Dieser bestellte einmütig Herrn Fabrikdirektor Wabnitz zum Vorsitzenden der Nothilfe. … Die Zubereitung des Volksküchenessens erfolgte in der Küche der Heil- und Pflegeanstalt, die sich in besonders anerkennenswerter Weise in den Dienst der guten Sache gestellt hat. Die Ausgabe des Essens erfolgte im Jugendheim, Görlitzer Straße. Die erforderlichen Räume, Küche mit Ausgabestelle und Speiseraum, hat die Stadt in dankenswerter Weise unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Die Essenausgabe erfolgte durch Damen des Vaterländischen Frauenvereins, des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, des St.-Hedwigs-Vereins, des Jüdischen Frauenvereins, der Arbeiterwohlfahrt und des Vereins für Fraueninteressen. Herr Fabrikdirektor Paul hat das Eßgeschirr gestiftet. Insbesondere war die Volksküche für diejenigen Hilfsbedürftigen eine besondere Hilfe, die keinen eigenen Haushalt haben und sich von ihrer laufenden Unterstützung regelmäßig ein Mittagessen nicht kaufen können. Die Anerkennung, die die Volksküche allseitig gefunden hat, dürfte die Nothilfe veranlassen, im Herbst dieses Jahres in erster Linie die Volksküche wieder einzurichten.“

1934 stand das Gebäude mal wieder leer. Die Nationalsozialisten bevorzugten für die bisherigen vielschichtigen Nutzungszwecke andere Standorte wie das ehemalige Volkshaus, die Loge oder den Wilhelmshof. Nur die SA nutzte die Räumlichkeiten und das Grundstück als Geländesportschule. Nach dem 30. Juni 1934 wurden aus Anlass des „Röhm-Putsches“ viele Bunzlauer Persönlichkeiten, die den Nationalsozialisten nicht genehm waren, verhaftet und unter Bewachung in das ungenutzte Wollerschloß gebracht und dort festgehalten. Unter den damals Verhafteten befand sich auch der Generaldirektor der Fürstl. Solm’schen Güterverwaltung, Konteradmiral a. D. Quaet-Faslem. Laut Einwohnerbuch der Jahre 1935/36 war das Gebäude zu diesem Zeitpunkt unbewohnt. Das sollte sich bald ändern. Artur Schiller schreibt am 10. März 1934: „Sonstige Eingänge sind hauptsächlich folgende: Das Stadtbauamt überwies aus dem Jugendheim ein Steinwappen des Grafen Pückler, der 1857 das Schlößchen ausbaute.“

1936 vermeldet das Stadtblatt: „Im Juli zog in das Wollerschloß die Truppführerschule Nr. 6 des Reichsarbeitsdienstes ein, diese Schule bildete die Unterführer des RAD aus. Das Wollerschloß, das seit 1934 als Sportschule diente, erhielt wieder eine neue Verwendung“ und „Das ehemalige „Pückler-Palais“, erbaut im 19. Jahrhundert vom Grafen Pückler, mit sehr schöner Garten- und Parkanlage, an der Görlitzer Straße gelegen, nach mannigfachen Schicksalen, diente das architektonisch bemerkenswerte Schloß in den Jahren nach der Machtergreifung zeitweise als SA.-Geländesportschule. Baulich vollkommen durchrenoviert, hat es seit einigen Monaten die Reichsarbeitsdienst-Truppführerschule 6 aufgenommen.“ Noch einmal erleben wir also eine völlig neue Nutzung des inzwischen über 80 Jahre alten Gebäudes.

Unter dem Titel „Weihe der Arbeitsdienst-Truppführerschule“ berichtet das Bunzlauer Stadtblatt am 20. August 1936 über die Übergabe zu ihrer neuen Bestimmung. „Seit einigen Wochen steht am Schilderhaus vor dem Wollerschlößchen ein Arbeitsmann mit geschultertem Spaten als Posten. Hier befindet sich jetzt die neue Truppführerschule 6 unseres Reichsarbeitsdienstes, die heute mittag im Rahmen einer größeren Veranstaltung durch Generalarbeitsführer Dr. Decker ihrer Bestimmung übergeben wurde. Von der Straße aus fallen einem sofort einige Veränderungen auf.

Das ganze Gebäude hat einen schmucken neuen Abputz erhalten. An der Vorderfront prangt das Abzeichen des Reichsarbeitsdienstes, Spaten und Aehren. Anläßlich des heutigen Festtages der Einweihung ist das Gebäude mit der Fahne des Reichsarbeitsdienstes und mit grünen Girlanden geschmückt. Schon gleich am Eingang ist eine Rasenschmuckfläche mit blühenden Blumen und ein Springbrunnen, neu angelegt. In der Vorhalle des Haupteingangs trafen wir Arbeitsmänner an, die gerade dabei waren, diese Halle mit lebensgroßen Skulpturen zu verzieren. Eine solche künstlerische Plastik verkörpert die sportliche Erziehung, eine andere zeigt ein Arbeitsbild, die dritte eine marschierende Gruppe.

Der ganze Bau enthält eine lange Flucht von Räumen, die alle ihren bestimmten Zweck haben. Nichts ist Luxus, alles ist schlicht und einfach, aber doch freundlich gestaltet. Man findet u. a. den Raum für den Schulleiter, Oberstfeldmeister Köhler, Verwaltungszimmer, Räume für das Lehrpersonal, blitzsaubere Waschräume, Hör- und Unterrichtssäle, ein Kameradschaftsheim mit Kantine, Kammer- und Geräteräume, und eine große Zahl von Mannschaftsstuben, die alle zweistöckige Feldbetten, Spinde, einen Tisch, Bänke, Schemel usw. enthalten. Hier, wie überall in der Schule, blitzt natürlich alles vor Sauberkeit. Die Betten sind „gebaut“, daß es eine wahre Freude ist. Hell und freundlich sind die Wände gestrichen, und die einzelnen Stubenbelegschaften haben sich durch Bilder, Blumenvasen usw. ihre Stube oft recht schön ausgestattet.

Uebrigens hat auch jede Stube ihren Namen: „Wahlstatt“, „Herzog Heinrich I.“, „Hohenfriedeberg“, „Katzbach“, „Annaberg“, „Leuthen“, „Friedrich der Große“, „Blücher“ sind einige davon. Andere wieder sind „Danzig“, „Posen“, „Memelland“ usw. benannt. Geradezu erstaunlich ist es, was aus den alten, halb verfallenen Anbauten auf der Hofseite geworden ist. Sie sind einfach nicht mehr wiederzuerkennen. Neue Fenster und Türen an Stelle der morschen oder zerbrochenen, neue Mauern, hell getünchte Wände – ja, hier ist wirklich alles ganz anders geworden. Und in welcher unglaublich kurzen Zeit das geschaffen wurde! Der weite Platz, der eine öde, von Unkraut überwucherte Fläche darstellte, ist vom Gras gesäubert und planiert worden. Aus der alten Reithalle entstand eine geräumige Uebungshalle für den Winter mit auszementiertem Fußboden. Ihr gegenüber liegen einig neu errichtete Baracken, in denen sich Mannschaftsräume, der Speisesaal und die Küche mit Vorratsräumen befinden.

‘Dort drüben wird eben noch eine neue große Baracke errichtet, die unsere Turnhalle enthalten wird!‘ erklärt man uns. Auch hier diesen Platz umrahmen freundliche Grünanlagen. Doch gehen wir noch ein paar Schritte weiter, um einen Blick in den Park zu werfen. Er war vollkommen verwildert. Es mußte also tüchtig ausgeholzt werden. Neue, kiesbestreute Wege, Uebungsgslände für Sport und Leibeserziehung, ein Teich mit einem Springbrunnen und einer kleinen Insel in der Mitte – ja, auch hier sieht es jetzt gegen vorher vollkommen anders aus! Sogar ein Schwan, der von der Stadtverwaltung geschenkt wurde, hat sich schon häuslich eingerichtet. Die Füchse aus dem Zoo werden hier ihr neues Heim finden. Insgesamt sind in dieser Schule drei Ausbildungszüge mit 180 Mann, 25 Ausbildungsführer, 27 Mann Wirtschaftspersonal, und augenblicklich ein Bauzug von 60 Mann untergebracht.

Aus allen Gauen unseres Vaterlandes kommen die für die Truppführerlaufbahn in Aussicht genommenen Arbeitsmänner nach dieser Schule, um weltanschaulich, arbeitstechnisch und sportlich für ihre verantwortlichen Führeraufgaben innerhalb des Reichsarbeitsdienstes geschult zu werden. Heute mittag ist diese schmucke, schöne Schule ihrer Bestimmung übergeben worden. In ihr wird der Geist straffer Disziplin, der Wille zum äußersten Einsatz für unseren Führer und die aufbauende nationalsozialistische Idee herrschen. So wird auf diese Schule ihr Teil dazu beitragen, Menschen mit harten Fäusten und einem gesunden, starken Geist heranzubilden, die befähigt sind, Werke von unvergänglichem Wert für unser Volk zu schaffen.“

Der Unterrichtsbeginn war am 10. Juli 1936, die Einweihung des Gebäudes fand am 20. August in Gegenwart des Generalarbeitsführers Dr. Decker statt.

Die örtliche NSDAP war vertreten durch den Kreisleiter Lehmann, die Ortsgruppenführer und die Vertreter der Gliederungen der Stadt Bunzlau. Der Kreis wurde repräsentiert durch den Landrat Eckmann, die Stadt durch Stadtbaumeister Candrian sowie mehrere Beigeordnete und Ratsherren. Stadtbaurat Candrian erinnerte an den Grafen Pückler und erklärte: „Vor achtzig Jahren wurde das Heim vom Grafen Pückler erbaut. Er hat in dem 10 Morgen großen Park ein neues deutsches Landschaftsbild geschaffen und sich von dem Einfluß der französischen und englischen Gartenkunst freigemacht. So habe im Großen in den letzten Jahren der Arbeitsdienst mit dem Spaten in vielen Gegenden unseres Vaterlandes der Landschaft ein echtes deutsches Gesicht gegeben.“

Dann übergab er den Schlüssel auf einem roten Seidenkissen mit dem Wappen der Stadt dem Generalarbeitsführer Decker. Mit dem Hinweis „auf den schweren Dienst der jungen Spatenträger, der die Arbeit zu neuen Ehren führte und dem Volk ein neues Vaterland gebe“ und die „Mahnung an die Arbeitsdienstmänner, treu, bescheiden und immer anständig zu bleiben“ übergab dieser sie nun seinerseits an den Schulleiter, Oberstfeldmeister Köhler weiter.

In der nächsten Zeit nutzte man auch mehrfach die Gelegenheit zur Selbstdarstellung. So fand im August 1937 ein Parkfest statt.

Das Stadtblatt berichtet am 19.8.1937: „Die Truppführerschule 6 des Reichsarbeitsdienstes veranstaltet am Sonnabend, dem 21. August, nachmittags, ein Parkfest, das an Besonderheiten den Schmuck von 500 Lampions, einen kleinen zoologischen Garten mit Aquarium, Kleinkaliberschießen für alle Gäste, lustiges Bodenturnen, Laienspiel, politische Satire, Handharmonikaorchester, humoristische Gesangsdarbietungen, Tombola, Kegelbahn, Weinkeller, Tanzmusik usw. aufweisen wird; auch für Kinderbelustigungen ist gesorgt. Das Fest wird im Park des Pückler-Schlosses, dem Sitz der Truppführerschule 6 des Reichsarbeitsdienstes, stattfinden.“

Dieses Kapitel des Wollerschlosses währte nicht lange (Anmerkung: Noch 1936 war der Name Wollerschloß unangefochten, doch nun man sprach man nur noch vom Pücklerschloß, man hatte wohl irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen, dass es sich bei dem allgemein bekannten Namensgeber Samson Woller um einen konvertierten Juden handelte. Auch die im Adressbuch von 1935/36 noch benannte Wollerstraße wurde nun in Spinnereien umbenannt.

Am 10. Juni 1939 hatte der RAD anlässlich des Bunzlauer Heimatfestes noch einmal einen großen Auftritt mit einem „Abend des Reichsarbeitsdienstes“. Auch am geschichtlichen Teil des großen Heimatfestausmarsches nahm man Anteil, es wurden zahlreiche Teilnehmer der Truppführerschule als Darsteller eingesetzt. Bereits am 26. August zog dann der letzte Kursus der Truppführerschule des Reichsarbeitsdienstes in das Aufmarschgebiet an die polnische Grenze. Damit hörte sie de facto auf zu bestehen. Während des Krieges wurde auch das Wollerschloss wie andere größere öffentliche Gebäudekomplexe als Lazarett genutzt. Das Stadtblatt schrieb am 15. 7. 1940: „Glaube und Schönheit“ singt bei Verwundeten. Am vergangenen Sonntag besuchte wieder Bunzlauer Mädel des BDM-Werkes „Glaube und Schönheit“ die Verwundeten in der Truppführerschule. Schon vor der verabredeten Zeit standen die Mädel mit Blumensträußen und kleinen Päckchen an der Tankstelle an der Görlitzer Straße. Sie wurden von den Soldaten schon erwartet, und so sah man bei der Ankunft auf beiden Seiten lachende Gesichter. Nun ging es auf den „Platz“ im Park. Nach einigen Morgenliedern, die die letzten Schläfer wachrütteln sollten, sangen die Mädel lustige Lieder und schöne alte Volksweisen. Manche Lieder kannten die Soldaten und sangen tatkräftig mit. Auch sie trugen dann später einige ihrer Lieder vor. Viel zu schnell verging die Zeit. Nach einem lustigen Wettspiel erklang das Schlaflied. Mit einem Wanderlied zum Abschied und dem Versprechen, ja wiederzukommen, marschierten die Mädel ab.“ Das Gebäude soll 1942 beschlagnahmt und als Augenlazarett eingerichtet worden sein.

Im Februar 1945 endete nach 88 Jahren die wechselvolle, bewegte deutsche Geschichte des Hauses. Es hat die Stürme der Jahre 1945/1946 gut überstanden, es begann nun eine vermutlich ebenso abwechslungsreiche polnische Geschichte. Gut ist es zu wissen, dass man inzwischen eine würdige Nutzung für das Gebäude gefunden hat. Es ist nun Museum geworden und wird im Frühjahr 2024 eröffnet.

Bleibt die Frage nach dem Namen. Heute spricht man wieder nur noch vom Pücklerschloss oder gar Pücklerpalais. Ich mache an dieser Stelle keinen Hehl daraus, dass ich mich mit dieser Bezeichnung nicht anfreunden kann, sie ist historisch falsch. Sie impliziert eine Nähe der Bunzlauer Pücklers mit dem Schöpfer der berühmten Moskauer Parkanlagen, die nicht einmal ansatzweise vorhanden ist. 

Natürlich sind die Pücklers eine bedeutende ostdeutsche Adelsfamilie. Aber auch nicht alle Gutenbergs haben den Buchdruck erfunden, und so haben auch die Pücklers nur den einen wirklich großen Mann hervorgebracht, mit dessen Namen man hier kokettiert. Der Bunzlauer von Pückler war nur ein entfernter Verwandter und Besitzer einer eher kleinen Herrschaft in Rothlach. Seine Verdienste um die Stadt Bunzlau liegen bei null. Der bedeutendste Mann, der hier lebte, auch er wohnte selbst nur kurze Zeit im Hause, war Samson Woller. Die von ihm begründete Kammgarnspinnerei  Concordia war trotz der großen Bedeutung der Keramikindustrie viele Jahrzehnte der größte Arbeitgeber in Bunzlau. Er hat Spuren in der Stadt hinterlassen, die bis heute nachwirken.

Man würde nur vom „Wollerschloss“ sprechen, wenn da nicht seine jüdische Vergangenheit gewesen wäre. „Pücklerschloss“, „Jugendhaus“, „Geländesportschule“, „RAD-Truppführerschule“, das ist eine bunte Auswahl teils sperriger Bezeichnungen. Der einzig richtige, auch vom Volksmund erwählte Name ist „Wollerschloss“. So zu finden auf zahlreichen Ansichtskarten bis weit in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein. Auf den zahlreichen mir bekannten Ansichten sind alle der vorgenannten Bezeichnungen zu finden. Nur eben nicht „Pücklerschloss“. Aber es bleibt jedem selbst überlassen, für welchen Namen er/sie sich entscheidet. 

Das Wollerschloss wurde oft abgebildet. Besonders zu nennen sind folgende Motive:

Das Wollerschloß während des 1. Weltkrieges. Aus Bildsmmlung Bürgermeister Richter. Slg. Bunzlauer Heimatstube

Wollerschloß: Aufnahme um 1920. Slg. Plate

Die Parkanlage des Wollerschlosses um 1928. Slg. Plate

Jugendhaus um 1930. Im Vordergrund die Görlitzer Straße. Slg. Plate

Bücherei im Jugendhaus um 1928. Der Ausleihraum. Slg. Plate

Bücherei im Jugendhaus um 1928. Das Lesezimmer. Slg. Plate

2 Bilder: Grundriss der städtischen Bücherei im Wollerschloß. Slg. Plate

Hof der Geländesportschule, aufgenommen um 1933/34. Slg. Dietmar Plate

RAD-Truppführerschule um 1936. Slg. Plate

Statue im Park des Wollerschlosses. Slg. Plate

Blick auf die Rückseite des Gebäudes um 1937. Slg. Plate

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