Eine Gedenktafel für die früheren Einwohner von Gießmannsdorf
Ein Zeichen der Freundschaft
Hier ein Bericht unseres Vorsitzenden Ferdinand Idasiak über ein – wie wir meinen – sehr erfreuliches Gemeinschaftsprojekt. Wir möchten es der Aufmerksamkeit aller Heimatfreunde aus Stadt und Kreis Bunzlau und allen, denen die deutsch-polnische Verständigung wichtig ist, herzlich anempfehlen.
Und wieder einmal eine neue polnische Initiative zum Andenken an nach dem Krieg ausgesiedelte deutsche Einwohner. Die polnischen Einwohner von Gießmannsdorf / Gościszów (Kreis Bunzlau) haben beschlossen, ein Zeichen der Freundschaft zu setzen zwischen den heutigen und den ehemaligen Einwohnern von Gießmannsdorf. Die heutigen Bewohner Gießmannsdorfs sind überwiegend Nachfahren von polnischen Siedlern, die sich nach dem Krieg als polnische Minderheit aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens zu Zehntausenden nach 1946 in den Kreisen Bunzlau und Lauban niedergelassen haben. Ein eher geringer Teil der Polen, die nach Gießmannsdorf kamen, waren Aussiedler aus dem östlichen Gebiet Polens, das heute in der Ukraine liegt.
Nach dem Beitritt Polens in die EU sind Reisen innerhalb Europas für polnische Bürger einfach geworden. So pilgerten Abordnungen der Einwohner von Gościszów in die der Ukraine und nach Bosnien-Herzegowina in das Land ihrer Vorfahren und besuchten die vor mehr als 50 Jahren verlassenen Friedhöfe ihrer Ahnen. Nach einer der Reisen im Jahr 2007 haben die Gościszowianer im Beisein von Einwohnern von Novy Martinac eine Feier abgehalten und auf dem von ihnen geordneten Friedhof eine steinerne Gedenktafel aufgestellt. Der Text sollte erinnern, dass dort von 1890 bis 1946 polnische Kolonisten lebten und dass deren Nachfahren der Ihren gedenken. Übrigens wurde der Friedhof 2013 in die Liste der National- Denkmäler von Bosnien-Herzegowina aufgenommen.
In der Ausgabe 12/2019 der Bunzlauer Heimatzeitung hatte Heimatfreundin Schiede vom 500-jährigen Jubiläum der Gießmannsdorfer Glocke berichtet. In Lühnde bei Hildesheim, wo am 03.11.20219 das Jubiläum stattfand, war auch eine Abordnung aus dem polnischen Gießmannsdorf. Und dort wohl reifte die Idee, die alten Gießmannsdorfer zu dem jährlichen Dorffest namens „Petschenica“ (Spannferkel) am 4. bis 5. Juli einzuladen.
Auf dem alten Friedhof, um die heutige katholische Kirche, wollen die Einwohner von Gościszów mit ihren deutschen Gästen eine feierliche Tafel-Enthüllung zelebrieren. Die Initiatoren der Aktion sind der junge Lokalhistoriker Krzysztof Stefan, der Ortsvorsteher Ludwik Torba und der Ortsbeirat Henryk Anioł. Sie werden unterstützt von dem Gościszówer Pfarrer Janusz Wilk. Die haben aus der Bunzlauer Heimatzeitung erfahren, dass ich, der neue Vorsitzende der Bundesheimatgruppe Bunzlau zu Siegburg, die polnische Sprache beherrsche, und so haben sie sich umgehend an mich gewandt und um Beteiligung nachgesucht. Die Idee fanden wir vom Vorstand der Bundesheimatgruppe der Unterstützung würdig, und nun sind wir dabei, gemeinsam einen würdigen Tafeltext zu erarbeiten.
Der Friedhof von Gießmannsdorf ist mittlerweile kaum als solcher zu erkennen. Schon in den sechziger Jahren hatte man die Grabsteine entfernt und das Gelände weitgehen eigeebnet, um dem wuchernden Gestrüpp Paroli zu halten. Gleich hinter der Friedhofsmauer liegt der neue Friedhof der Gościszowianer. Liebevoll gepflegt und mit viel bunten Blumen geschmückt. Von dort über den alten Friedhof führt ein Weg zu Kirche. Die Leute werden zwangsläufig an der neuen Gedenktafel vorbeigehen.
Wir rufen alle Heimatfreunde auf, an diesem schönen Projekt Anteil zu nehmen.
Ihre Bunzlauer in Siegburg
2020 war die Gedenktafel mit finanzieller Unterstützung der Bundesheimatgruppe hergestellt. Der Vorsitzende F. Idasiak war bei der Einweihung anwesend und bedankte sich herzlich bei den heutigen Einwohnern Gießmannsdorfs.
In der Bunzlauer Heimatzeitung erschien 2020 dazu sein folgender Bericht.
Alte und neue Heimat Gießmannsdorf
Immer noch sind unsere Aktivitäten durch die Epidemie weitgehend gelähmt. Aber eine Sache haben wir zu Ende bringen können, die Gießmannsdorf-Initiative. Auf dem dortigen stillgelegten Friedhofsteil sollte eine steinerne Gedenktafel aufgestellt werden, die an die dort ruhenden und an die in der Fremde verstorbenen deutschen Einwohner erinnern sollte. Eigentlich war das nicht unsere Idee, sondern die der heutigen polnischen Einwohner von diesem Dorf. Die haben sich anfangs bemüht um Unterstützung bei verschiedenen Verbänden, fanden aber kein Gehör. Begründung: nur Bürgerinitiative und zu geringfügig. Anfang des Jahres haben die Initiatoren sich an uns, die Bunzlauer Heimatgruppe, gewandt, und diese Bitte wollten wir natürlich nicht abschlagen. Gemeinsam mit polnischen Einwohnern haben wir ein Konzept ausgearbeitet, Gelder gesammelt und zwei Granittafeln anfertigen lassen.
Am 5. Juli anlässlich eines Dorffestes sollte die Einweihung stattfinden. Epidemiebedingt wurde das Fest aber abgesagt. Nun bot sich als Rahmenveranstaltung das am 6. September gefeierte Erntedankfest von Gościszów an. Leider konnten nur wenige deutsche Gäste der Einladung folgen.
So machte ich mich auf den Weg nach Polen. Das Fest begann um 12 Uhr mit einer Messe. Die dörfliche Folklore-Gruppe in bunten Trachten hat die Erntekrone feierlich in die Kirche getragen. Die Predigt bezog sich auf die Gebetworte „Unser tägliches Brot gibt uns heute“. Der Pfarrer betonte, dass die Früchte der Erde für alle Menschen da sind, unabhängig von Volkszugehörigkeit und Glaubensbekenntnis.
Nach der Messe wurde die Erntekrone im feierlichen Zug zu der Stelle am Friedhof getragen, wo die Gedenktafeln angebracht waren. Nach Ansprachen von Dorfvorsteher Ludwig Torba und stellvertretend für die GIEßMANNSDORFER Frau Anneliese Schiede, hielt Pfarrer Janusz Wilk eine Rede mit religiösem und politischem Bezug. Er unterstrich die Rolle der polnischen Kirche, in der im Jahr 1965 der Breslauer Erzbischof Kominek mit anderen Bischöfen eine damals kontroverse Proklamation veröffentlichte. Er bot den deutschen Christen Vergebung an, und zugleich bat er im Namen der polnischen Christen um Vergebung.
Der Pfarrer betonte, dass die heutige Enthüllung der Tafeln nicht möglich wäre ohne die Geste der Versöhnung vor 55 Jahren. Und dass die Versöhnung nicht ein Akt der Huldigung an die Kriegsbefürworter von damals ist, sondern ein Akt der Nächstenliebe in Christus und seinem Evangelium. Er sagte abschließend:
„Nun enthüllen wir heute nachfolgendes Zeugnis der Liebe Gottes, die fähig ist, alle unsere Schwächen zu besiegen. Wir tun das in der prophetischen Macht des Appells der polnischen Bischöfe und bitten wie vor 55 Jahren und im Geist von damals, und wir wiederholen andauernd und sogar 77-mal: Wir vergeben und bitten um Vergebung – und deshalb gedenken wir heute “.
Der Pfarrer segnete die Tafeln, und der Frauenchor der Folklore-Gruppe sang ein schön einstudiertes Kirchenlied abwechselnd in deutscher und polnischer Sprache. Dann zog man weiter zu einem angrenzenden Sportplatz, wo die Festteilnehmer zum Mittagtisch eingeladen waren. Es gab Hühnchen- Roulade und Spanferkel. Unmengen am allerlei Kuchen, Kaffee und Cola und Ähnliches, aber kein Bier. Das musste man sich am angrenzenden Stand mit Pommes kaufen. Dafür gab es Wodka ohne Limit, und diskret wurde auch der Hausmacher Slibowitz eingeschenkt. Viele Gäste haben sich aber angesichts des folgenden Arbeitstages zurückgehalten. Auf der Bühne wurden wieder Ansprachen gehalten, es gab Musik, man unterhielt sich und machte jede Menge Fotos. Mit ordentlichen Wegzehrungspaketen wurden die auswärtigen Gäste verabschiedet.
An diese Tage wird man noch lange denken. Um am schönsten ist die Gewissheit, dass in Gościszów die Gießmannsdorfer und deren Nachkommen ein Platz erhalten haben, wo sie ihrer Vorfahren würdig gedenken können.
In den nächsten Tagen gab es auf den örtlichen Internetportalen Berichte darüber. Mit positiven Kommentaren und Fotos. Das wurde über 1500-mal angesehen. Auf Facebook wurden auf der Seite „Solectwo Gościszów“ dutzende Fotos gepostet. Auch auf „YouTube“ mit Suchbegriff „Dozynki Gościszów 2020“ ist Filmmaterial zu sichten.
Ich grüße Euch alle!
Ferdinand Idasiak, Vorsitzender der Bundesheimatgruppe Bunzlau