Ein Gang durch die Poststraße

Veröffentlicht von Milan Koncz am

Aus Bildsammlung Bgm. Richter. Slg. Bunzlauer Heimatstube

Hans Christiani,. Erstveröffentlichung: 1978, „Bunzlauer Heimatzeitung“.

Wir gehen wieder zur Poststraße. Nun, wo ging man, an der östlichen Seite der Straße, also am Haus von Rechtsanwalt Hülse und Knoch vorbei, wo früher über den vielen Akten eine Gretel und eine Erna sich beugten. Später kaufte dieses Haus Augenarzt Dr. Ruppert und die jüngste Tochter ist eine Opernsängerin im anderen Teil Deutschlands. Nebenan wohnte Dentis Kneer mit Enkeltochter Sabine. Der Bankverein folgte. Auf meinem alten Bild von 1906 sieht man noch kein Bankinstitut. Im Hause wohnte Bankdirektor Baresel mit Töchtern. Lesen Sie heute eine Ankündigung von der Landesbühne Hannover, dann finden sie den Namen Ursula Baresel. Ja, es ist die Bunzlauerin Ulla Baresel, die etwa 1935 ihr Abitur baute. Das nächste Haus mit dem Balkon auf dem alten Bilde gehörte dem Zigarrenfabrikanten Schwese, der dann einen Laden einbauen ließ. außer der Praxis meines Vaters wohnte im Haus noch Tierarzt Dr. Reidel und der Schwiegersohn von Schweses Familie Handke. Das Eckhaus zur Oberpromenade, die nach Mitteilung später in den Begriff „An der Stadtmauer“ mit einbezogen wurde, gehörte dem Fabrikanten Barella. Er besaß jahrelang die Konservenfabrik in Gnadenberg. In diesem Haus wohnte auch Lehrer Heider. Auf der anderen Seite der Straße lag die Druckerei und das Verlagshaus von Fernbach und das große Eckwohnhaus von Dr. Schroedter.

Aus Bildsammlung Bgm. Richter. Slg. Bunzlauer Heimatstube

Etwa in der Höhe der Promenade überquerte man die Poststraße und ging jetzt etwa auf der westlichen Seite weiter. Lag es daran, daß die Bürger wußten, daß der Bürgersteig auf der Seite breiter war oder meidete man die alten Häuser auf der östlichen Seite? wie auf einem alten Wildwechsel gingen die Bunzlauer diesen Weg. Lag es daran, daß es früher die Sperlingsgasse war? Dr. Wernicke schrieb in seiner Chronik etwa: „Parallel zur Hundegasse (Bahnhofstraße) führt die Sperlingsgasse, die jetzige Poststraße. Da in anderen schlesischen Städten die „Lupenaria“ in der Nähe des Sperlingsberges oder Sperlingsgassen lag, so dürften auch hier die Bezeichnungen enen ähnlichen unsauberen Anlaß haben. Sie wird auch nicht gesondert geführt, sondern als Unterabteilung unter der Obergasse, die 1602 samt ihren Nebengassen 41 und 1612 43 Häuser besaß“. Was eine „Lupenaria“ war, nun es war ein Frauenhaus, das durch Umwandlung des A in E und durch Zufügung des Mitlautes d hinter dem U zu einem andern Haus wurde.

Diese alten Häuser, die zu unserer Zeit da standen, sollten ja auch abgerissen werden, wozu es aber bis 1945 nicht gekommen ist. Ein Brand im Jahre 1581 vernichtete das ganze Viertel zwischen Hundegasse, der Obergasse bis zum Obertor. An der Poststraße lag unser Museum. Das Haus war bis zum Umbau des Museums, das Stadtpfeiferhaus. Der Wehrturm, der ins Museum einbezogen worden ist, stammte aus dem Jahre 1479. Außer dem „Großen Topf“, der „Singuhr“ die bekanntesten Stücke des Museums waren im ersten Stock eine riesige Waffensammlung, die Kaufmann Schoenfelder (Sächs. Leinwandgeschäft C. A. Frenzel und Sohn) der Stadt schenkte. In der Turmnische lag das Ehrenbuch der Stadt. In diesem Buch waren die Namen der Gefallenen der Stadt des 1. Weltkrieges verewigt. Im Haus wohnte der Museumspfleger Junge mit Familie. Schön war es wenn Herr Geheimrat Schiller an offenen Tagen auch die Schubladen der Truhen öffnet, denn – ich glaube, daher habe ichs – meine Passion zur Heimatgeschichte.

Die innere Poststraße

Nun sind wir in der Altstadt. Das Eckhaus zur Grünstraße gehörte Gregor Walde, einem Sattlermeister. Vorbei an Optiker Jaschke, am Schneidermeister Nikoleizig, dem kleine Häusel vom Dachdeckermeister Röhrig, dem alten „Mariner“, der ja auch damals den Adler vom Rathausturm herunterholte, nähern wir uns weiter der Oberstraße. Gegenüber lag nun der Korbwarenladen von Richter und die Futterhandlung von Stache. An einem Vorkosthandel vorbei kamen wir an den Laden, der auch wirklich alles hatte. Wo kaufte man die Papierkragen von Mey? Wo kaufte man die Scherzpostkarten, die Knallerbsen und was nicht noch alles. Nur im „Haus der Geschenke“, bei Oskar Giebler. Ein altes Wort: „Nie verzagen, Giebler fragen“ war Wirklichkeit. Es gab nichts, was er nicht hatte. Nebenan lag ein Geschäft für Tonwaren. 1927 gehörte es noch Tröber. Es war das einzige Fachgeschäft am Platze. Wenn man vom Eingang zu Giebler und Tröber stand, konnte man an der Natursteinmauer zwischen dem Eckhaus Stache/Neufert und dem nächsten einen Kopf entdecken, der Ähnlichkeit mit Napoleon hatte. Geheimrat Schiller zeigte mir diesen einmal. Jetzt stehen wir schon an der Ecke Ober-Poststraße. Wir kennen nur das Haus im Jugendstil erbaut von Fleischermeister Mielsch, wo auch eine Frühstücksstube dabei war. Inder Festzeitschrift vom Heimatfest 1927 fand ich noch das alte Haus des Seifensieders Max Krause. Darunter stand 1927 folgende Worte: „Ober-Poststraße-Ecke. Haus des Seifensieders Max Krause. Damals kannte man noch nicht den Verkehr, der heute an dieser Stelle fast täglich Unfälle herbeiführte!“

So wird die Poststraße aussehen

Erstveröffentlichung: Bunzlauer Stadtblatt, 3. November 1938.

Der Entwurf zum neuen Lichtspielhaus an der Poststraße.

Blick vom Bahnhofsplatz durch die Poststraße zur Oberstraße

Wie wir bereits berichtet haben, soll nach Abbruch der alten städtischen Häuser an der Poststraße ein neues Lichtspielhaus erstehen, das der Besitzer des Metropoltheaters, Gustav Werkmeister, hier errichten will. Wir sehen auf dem Bilde eine Außenansicht von dem geplanten Bau. Das neue Filmtheater soll 600 Plätze erhalten, wovon 450 im Parkett und 150 in den Logen des ersten Stockwerkes liegen. Vor dem Parkett werden ein Vestibül und ein großer Kassenraum liegen, die beide zusammen die Größe des Theaterraumes haben werden. Auch vor den Logen ist ein großer Vorraum vorgesehen, außerdem ein Flur und ein Büro für Bildvorführung und Schaltung. Die Poststraße wird verbreitert werden, da die neue Fluchtlinie sich nach der Lage des Museums richtet.

Lichtspielhaus

Die Sperlingsgasse, ein Nachruf

Artur Schiller. Erstveröffentlichung: Bunzlauer Stadtblatt, 28. November 1940

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,

Und neues Leben blüht aus den Ruinen

Attinghausen im „Tell“

Dieses Losungswort am uns unweigerlich in den Sinn, als wir – ohne Wehmutstränen – die Anschläge an der Ostfront der inneren Poststraße lasen: „Diese Häuser werden abgebrochen“. In absehbarer Zeit wird an der hinfälligen Häuserzeile der „Sperlingsgasse“ eine schönere Front entstehen und ein moderner, erweiterter Zugang zum Marktplatz. Dr. Wernicke hat (Seite 24) diese bescheidene Gasse mit einem längst nicht mehr zutreffenden ominösen Beiworte behängt. Die Älteren von uns haben sie noch in dem Zustande gesehen, wie die dicke Stadtmauer das Nordende hermetisch verschloß. Ich nahm als kleiner Junge den Ausdruck „Sackgasse“ in meinem Sprachschatz auf, wenn ich zu dem dort wohnenden Prorektor Fährmann gebracht wurde, um mit dessen Töchterlein Minna zu spielen. Am 7. März 1867 wurde dort die Stadtmauer abgetragen; auch eine davor befindliche Bastei, deren Ort ich aber nicht mehr bestimmen kann. Der gewonnene Bauschutt wurde zur Aufschüttung des Straßenplanums der äußeren „Poststraße“, wie sie nun hieß, nach dem Bahnhof verwendet. Es ist ja eine Bunzlauer Merkwürdigkeit, daß die Bahnhofstraße nicht in gerader Linie nach dem Bahnhof führt und die Poststraße nicht zur Post. Aus alter Zeit wissen wir von den kleinen Poststraßenhäuschen Nr. 14 bis 18 nicht viel. Wir finden nur die Notiz, daß 1608 die Nummer 14, vielleicht aber das gegenüber liegende Haus Nr. 5 von Walde, von dem Uhrmacher Matthias Wiehl für 150 Taler gekauft wurde. Bei dem am 1. September 1581 bei Mathes Anders auf der Hundegasse (Bahnhofstraße) ausgebrochenen Großfeuer brannten außer dieser auch die Sperlingsgasse und die Oberstraße bis zum Tore ab. Anders wurde, weil er nicht sofort Feuer gerufen hatte, aus der Stadt verwiesen. Viele schlesische Städte schickten damals Brandbeihilfen; der für seine Vaterstand Bunzlau allzeit bedachte Bischof Gerstmann aus Breslau allein die große Summe von 500 Talern. Interessanter ist das Eckhaus Oberstraße 4, mit verwickelten Kellerverhältnissen, um dessen Haustür es ein bißchen schade ist. Hier war in meiner Kinderzeit eine beliebte, mit einem Kolonialwarengeschäft verbundene Weinstube. Der Besitzer, der „alte Rost“, war sehr zerstreut, weshalb seine Gäste ihn bisweilen fragten: „Rost, wie heißen Sie mit Vornamen?“ Er schrak jedesmal zusammen und äußerte: „Ja, wenn ihr mich so überrumpelt, kann ich es unmöglich wissen.“ Sein Nachfolger hieß Haube. In dem Hause wohnten u a. der tüchtige Arzt Dr. Rohowsky, unser lieber, lustiger Hausarzt, und die Hebamme Leitner, die mir zum Leben verholfen hat. Später auch der Gymnasialoberlehrer Dr. Luchterhand.

Dieses Haus hat eine in die Frühzeit von Bunzlau zurückreichende Geschichte. Wernicke bringt davon nichts, vielleicht hat er dem alten, guten Bergemann, der folgendes erzählt und sich dabei auf eine verschollene „Chronica Boleslavia“ von Valentin Polus, Manuskript von 1552 bis 1692, beruft, nicht geglaubt (Teil III S. 13 fg.):

Konrad II., genannt der Pariser, regierte von 1252 bis 1270. Dieser residierte anfangs zu Beuthen (a. d. Oder), dann zu Glogau. Die Chroniken rühmen ihn, daß er Deutsche ins Land zog. Auch Bunzlau erhielt durch ihn bedeutende Verbesserungen. Er war oft hier, und obgleich bereits die Burg stand, so bewohnte er mehrentheils mit seiner Familie sein eigenes Jagdhaus oder, wie man heute sagt, Lustschloß; es ist das Haus des jetzigen (1829) Ratmanns Schurich Nr. 216, an welchem sich noch vorhandene Figuren und Verzierungen befinden.

Im Jahre 1822 berichtete der hiesige Magistrat dem Liegnitzer Regierungspräsidenten infolge Auftrags über in Bunzlau vorhandene Kunstgegenstände. Von diesem Hause des Bäckermeisters Schurich sagt der Bericht, daß daran drei Steinfiguren, darstellend Söhne des Wladislaus und dessen Gemahlin, Tochter des Kaisers Heinrich, angebracht seien, nämlich: Boleslaus, Konrad und Miecislaus. Also ist der Bericht Bergemanns unbedenklich wahr. Als das jetzt bestehende Haus demnächst gebaut wurde, hat man leider nur eine Figur gerettet, wohl diejenige, die jetzt oben auf der Oberstraße 6 steht, die beiden anderen aber vandalisch vernichtet; ob sie sich etwa im Grunde befinden?

Bei Neuaufbau wäre eine Tafel anzubringen: „Hier besaß im 13. Jahrhundert Herzog Konrad II., der Pariser, ein Jagdhaus.“