3 Jahre Schlesisches Landestheater Bunzlau 1925 – 1928
Herausgegeben von der Theaterleitung
Die niederschlesische Stadt Bunzlau mit ihren 18843 Einwohnern liegt in landschaftlich angenehmer und gesunder Gegend am rechten Boberufer, an der Stelle, wo die uralte Heerstraße von Nürnberg nach dem fernen Osten den vielfach verästelten Gebirgsfluß überschreitet. An den großen Weltverkehr ist sie seit 1845 durch die ehemals Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn angeschlossen, deren 35 hohe Steinbogen umfassender Viadukt eine Zierde des lieblichen Bobertales ist. Ihr Erwachen zu Stadt um das Jahr 1190 wird dem Piastenherzog Boleslaus Saevus zugeschrieben. Eine Kehrseite hatte die Lage an der Heerstraße: oft wiederkehrende Bedrängnis durch Kriegsvölker. Der russische Heerführer Fürst Kutusow, der 1813 hier starb, hat auf der mit alten Mauertürmen gezierten, die Stadt umgürtenden Promenade ein gusseisernes Denkmal.
Im Jahre 1424 wurde hier die Reformation eingeführt. 1594 kaufte die Stadt vom Kaiser die Burglehngüter und legte damit den Grund zu einem reichen Forstbesitz, der infolge neuerer Erwerbungen auf rund 16800 Hektar angewachsen ist.
Manch berühmter Mann ist in Bunzlau geboren, so 1597 der Dichterfürst Martin Opitz von Boberfeld, der auch 1627 den Text zu der ersten deutschen Oper „Daphne” für eine Fürstenhochzeit zu Torgau schrieb, der Dichter Andreas Tscherning 1611, in neuerer Zeit 1820 der Südamerikaforscher Appun. Die Stadt weist in malerischen Gebäuden, manche aus der Zeit des Barock, ja Spuren der Renaissance und der Spätgotik auf, so die katholische Kirche, in ihrer jetzigen Form von 1482, die schönen Rathaussäle Wendl Roskopfs von 1525. Seit 1531 hat Bunzlau Wasserleitung und durchgeführte Rieselfelder. Bunzlau, seit Jahr und Tag zum Sitze des Schles. Landestheaters erwählt, war von jeher eine Stadt der Bildungspflege, eine Schulstadt und eine Stätte des Theaters und der Musik. Schon aus alter zeit werden wiederkehrende Schulaufführungen erwähnt. Die von Tischler Jakob 1784 bis 1797 erbaute, das Leiden Christi darstellende sogenannte Singuhr ist sicher eine der ersten Drehbühnen von Deutschland. 1857 beschloß die Stadt den Ausbau des ehemaligen Zeughauses zu einem Theater für 650 Personen. Der katholische Kantor Knauer gründete 1864 in unseren Mauern den Niederschlesischen Sängerbund.
Der zunehmende Wohlstand der Stadt beruht außer der Sandsteinbearbeitung und manchen andern neuzeitlichen Industriezweigen besonders auf der hier seit undenklichen Zeiten blühenden keramischen Industrie. Die Bunzlauer braunen Kaffeekannen und der als Handwerkskunststück hier 1753 errichtete „Große Topf” haben den Namen Bunzlaus in alle Welt getragen. Hier war der Sitz der Lahmglasur. Seit Anfang November 1897 besteht hier die gut geleitete staatliche keramische Fachschule.
Jeder, der unsere Stadt betritt, wird durch die hier herrschende Ordnung und Reinlichkeit angenehm berührt sein. Die öffentlichen Angelegenheiten, die Finanzen und nicht zuletzt die ausgedehnte soziale Fürsorge sind sichtlich in guten Händen. Wir müssen es uns versagen, Einzelheiten anzuführen und erwähnen nur die Sportplätze und das Schwimmbad im Bobergelände, die hochmoderne Volksbücherei, die Tuberkulosen-Kolonie, die Waldschule im nahen Stadtwalde sowie die gartenreichen Neuzeit-Siedlungen im Norden und Süden der Stadt.
Zum Geleit
Das Schlesische Landestheater wurde vor drei Jahren ins Leben gerufen von dem Verband der Deutschen Volksbühnenvereine, der als führende Theaterbesucherorganisation eine Reihe von gemeinnützigen Wanderbühnen unterhält, die unter Ausschaltung privater Erwerbsinteressen lediglich der Kultur- und Kunstpflege dienen.
Das Schlesische Landestheater hat seinen Sitz in Bunzlau, und ihm ist die Aufgabe gestellt, die theaterlosen Städte Schlesiens mit künstlerisch wertvollen Aufführungen zu versorgen. Das vorliegende Heft soll rückschauend einen Ueberblick gewähren über die Arbeitsleistung der drei ersten Jahre.
Wir sind uns bewusst, daß nicht alles vollkommen war, was in dieser Zeit des Aufbaues erreicht wurde, aber wir fühlen uns festen Glaubens, auf dem richtigen Wege zu sein, und in dieser Ueberzeugung überlassen wir das Urteil über unsere Tätigkeit allen an unserer Arbeit interessierten Menschen.
Wenn es gelang, dem Theater die erstrebte Form zu geben, in geregeltem Betrieb sorgfältig vorbereitete Darbietungen zu bringen und Mängel auszuschalten, die einem Wandertheater leicht anhaften können, ist es der Stadt Bunzlau zu danken, die dem Unternehmen in ihrem neuzeitlich eingerichteten Stadttheater das Heim bietet, in dem Leistungen entstehen, den Organisationen der Spielorte und den führenden Männern, die mit Einsatz ihrer Persönlichkeit dem Theater die Spielmöglichkeit schaffen sowie dem Staat, der Provinz und den Kommunen, die zusammenwirkend ideell und materiell das Werk fördern und unterstützen.
Gemeinsame Arbeit machte das Schlesische Landestheater zu einem nicht mehr wegzudenkenden Kulturfaktor in unserer engeren Heimat; und somit sei all unseren Mitarbeitern und Freunden dieses Sonderheft dankbarst zugeeignet.
Bunzlau, im Juni 1928.
Die Direktion des Schlesischen Landestheaters
Heinemann Zahr
Burmann – Erster Bürgermeister
der Stadt Bunzlau:
Wir besitzen in der deutschen Literaturwelt manches wertvolle Zeugnis über Geschichte und Entwicklung unseres Theaterwesens. Diese Zeugnisse berühren aber fast durchweg nur unsere Großstädte. So wertvoll den Freunden deutschen Kulturlebens die Geschichte der unendlichen Wandlungen dieser durchweg städtischen oder fürstlichen Theaterkultur ist, so fehlte doch bisher eine Darstellung, die Kunde gibt über die Entwicklung der Theaterströmungen, die seit einigen Jahren in ganz neuer Form und in einem besonderen Geiste Theater und Volk verknüpfen. Großstadtkultur! Wir können sie nicht mehr entbehren. Wir kennen ihre Vorzüge und wissen, dass Blüten edelsten Geisteslebens im modernen Großstaat vielfach nur an so bevorzugten Stellen, kräftig durch Kapital, Persönlichkeiten und Organisation, gedeihen können. Aber neben dieser Großstadtkultur – und das müssen wir Vertreter der kleineren und mittleren Städte mit aller Kraft betonen – muß bewußt das Bildungs- und Kulturgut des deutschen Volkes in alle die Kreise getragen werden, die Jahrhunderte lang von dem wirklich wertvollen Bildungsgut ausgeschlossen waren.
Die Verbindung der deutschen Theaterkultur mit den Insassen des platten Landes kann z. b. nur durch Vermittlung der zahlreichen Klein- und Mittelstädte geschaffen werden. Wollen wir in Deutschland erreichen, daß der deutsche Bauer, der Landarbeiter, der kleinstädtische Proletarier und Gewerbetreibende seelische Spannungen, seelische Erlebnisse im Genuß der Volkskunst und im entfalten persönlicher Kräfte erfahren, dann muß die Organisation des deutschen Theaterlebens neuzeitliche Wege suchen.
Suchen? Wir müssen überrascht bekennen, daß sich in all dem Lärm des letzten Jahrzehnts hier Entwicklungen angebahnt haben, Wege schon gefunden sind, die uns berechtigen, mit starker Sicherheit Forderungen an Staat, Kreise und Städte zu stellen. Gerade wir in Schlesien haben das stärkste Interesse, die Erzeugnisse deutscher Theaterkultur über die Grenzen größerer Städte bis an die Grenzen des Vaterlandes zu tragen. Wir schlesischen Städte haben dabei die vornehme Pflicht, in die Weite unserer benachbarten Landschaft die Verbindung zu knüpfen, und so zu erreichen, daß unser gesamtes Schlesien durch ein seelisches Erlebnis neu verbunden wird.
Wie lagen die Dinge, und wie schnell haben sich die alten überlieferten Formen in diesem Sinne geändert?
Noch vor 8 Jahren bemühten wir uns, das auf die Basis unserer verhältnismäßig kleinen Stadt beschränkte Geschäftstheater, das ein privater Unternehmer führen mußte, neu aufzubauen. Wir waren fast wöchentlich gezwungen, die immer von neuem sich auftürmenden Schwierigkeiten fortzuräumen. Bei aller Anerkennung dessen, was geleistet wurde, konnte kein wahrer Kunstfreund sich befriedigt fühlen. Jeder Theaterkenner weiß, daß unhaltbare Verhältnisse entstehen müssen, wenn in einer Stadt von 18000 Einwohnern jeden 3. oder 4. Abend ein neuer Stoff geboten werden soll. Das Spielerpersonal, anfangs guten Willens, wird durch Überlastung und Ueberhetzung stumpf. Die Operette tritt bei solchem Betrieb bald in den Vordergrund. Die Konkurrenz mit dem Kino tut das ihrige. Aus dem Theater wird eine Revue; und Dinge, die nichts mehr mit Kunst zu tun haben, fesseln schließlich allein noch das Publikum.
Nachdem wir so einige Jahre – ich möchte sagen verzweifelt – unser kleines Theater am Leben erhalten hatten, wandten wir uns der Form zu, die sich heute als durchaus berechtigt und klar hergestellt hat. Zunächst stellen wir fest, daß ein wirkliches Kunsttheater auf eine ganz andere Basis gestellt werden müsse. Der Gedanke, daß viele kleine Städte und große Dörfer vereinigt dieselbe Kraft entwickeln können, wie große Städte, lag nahe.
Im Zeichen der Organisation, die auf allen Gebieten in jenen Tagen neue Formen suchte, fanden wir den organisatorischen Zusammenschluß mit den meisten schlesischen Klein- und Mittelstädten; denn die gleichen Erfahrungen, die wir mit dem eigenen Theater gemacht hatten, hatten sich anderswo zwangsläufig auch ergeben.
Rückschauend müssen wir es als ein schönes Zeichen geistiger Solidarität feststellen, daß ein solcher Zusammenschluß in so kurzer Zeit sich ermöglichte; kennen wir doch die von den Städten sonst so gerne gepflegten besonderen „Eigentümlichkeiten”, den „Lokalpatriotismus”, der nicht will, daß das Gute der eigenen Stadt auch einer anderen zum Nutzen wird.
Aber neben dieser Solidarität wurde dann erreicht, was wir vor wenigen Jahren kaum zu hoffen gewagt hatten: die Bildung von Theatergemeinschaften im Rahmen, unter der Obhut und pflege der Freien Volksbühne Deutschlands.
Dieser Gedanke der Gemeinde war die weitere Grundbedingung, daß das Theatererlebnis nicht als ein Geschenk von Dritten, von Außenstehenden, von Fremden aufgenommen wurde. Dieser Gedanke der Gemeinden brachte in Schlesien zum ersten Male zustande, daß Publikum und Theater sich als eine große ideelle Einheit fanden und banden. So waren wirklich ganz neue Wege einer Volkskultur in der schlesischen Grenzmark gefunden.
Als Drittes brauchten wir naturgemäß einen Zentralpunkt. Die Stadt Bunzlau hat freudig ihr damaliges Stadttheater in den Dienst der Sache gestellt, und wir fühlten uns in ganz besonderem Maße naturgemäß mit cem verbunden, was unser Landestheater inzwischen in Schlesien geleistet hat.
Das Theater selber mußte die Form des Wandertheaters aufnehmen, dabei anknüpfend an die gute Tradition der Anfänge deutschen Theaterlebens. Und wie die Eisenbahnschienen Handel und Wirtschaft erschlossen und alles wirtschaftlich neu typisierten und regelten, so haben sich von Bunzlau aus geistige Gleise ins Land geschoben. So sehr dabei als Einheit und Einigendes wirkt, daß das Beste deutscher Kunst in möglichst vollendeter Form geboten wird, so bleibt doch auf der anderen Seite der besonderen Neigung und Entwicklung jeder einzelnen Theatergemeinde ein starker Einfluß. So entgehen wir der Routine und den Nachteilen, die den Massenvorstellungen der Großstädte anhaften.
Für jeden Kommunalpolitiker ist für die nächsten Jahrzehnte nunmehr der Weg gewiesen: Fort mit dem Geschäftstheater, das in unseren mittleren und kleineren Städten zum Sterben verurteilt ist! Zwecklos sind die Mittel, die Kommunen und Provinzen hierfür noch bewilligen.
An seine Stelle tritt das neuzeitliche, von Staat, Provinz und Kommune unterstützte Wandertheater. Es wäre zu begrüßen, wenn die Städte und Kreise Schlesiens noch mehr als bisher dieses Wandertheaterleben finanziell unterstützten, da kein Zweifel besteht, daß das Schlesische Wandertheater die Zeit des Experimentierens längst hinter sich hat.
Schlesische Städte, schlesische Kreise erfüllt eine Ehrenpflicht, indem ihr das Patronat für diesen neuzeitlichen Zweig moderner Kulturpolitik ergreift!
Das Bühnenbild
Von Carl Robert Pohl, Kunstmaler und Graphiker, Gewerbeoberlehrer in Bunzlau.
Das Schlesische Landestheater ist ein Wandertheater. Es zieht mit einem Daag-Wagen modernster Konstruktion durch die Lande. Sein Spiel muß dieses Theater jedoch oft unter den ungünstigsten Umständen ermöglichen, oftmals Einkehr halten in Räumen, die auch die primitivsten spieltechnischen Voraussetzungen nicht besitzen.
Das Bühnenbild muß diesen Umständen Rechnung tragen. Sie erfordern die Verwendung solcher Ausrüstungsgegenstände, die
1. sich leicht zusammenlegen lassen (Stoffe),
2. wenig Sperrfläche besitzen (wegen des Transportes), und
3. in leichtester Form anders und glücklich zusammenfügbar sind.
Man könnte an Typisierung denken, so einfach erscheint es auf den ersten Blick. Es ist jedoch eine Art Theaterbaukasten, selbst unter allen Umständen verwendbar und zweckvoll in jeder Situation.
Spielte das Landestheater immer nur in Bunzlau, stünden ihm also immer dieselben technischen Möglichkeiten zur Verfügung, die Aufgabe wäre erheblich leichter. Denn das Bühnenbild belebende und wirksam machende Licht kann im erforderlichen Ausmaß oftmals für das Spiel in anderen Städten nicht eingesetzt werden. Dadurch kann die Wirkung aber schon von vornherein eine andere und schwächere sein.
Hinzu kommt die jedes Mal andere Spielgemeinde, ein Faktor bedeutsamster Art, faßt man die Angelegenheit verantwortungsvoll auf, wie es das Schlesische Landestheater tut. Auch Kunsterziehung in diesem Sinne kann nur organisch vor sich gehen, der Kulturzustand Schritt für Schritt gehoben, der vorhandene schlechte Geschmack eines spiel- und theaterfreudigen Publikums – anders gesehen – langsam nur zurückgebogen werden. Gerade das Unbemerktführen bei stärkster kultureller Zielsetzung und unbeirrtem Daranfesthalten ist eine der größten Vorbedingungen für die richtige Ein-, Nach- und Auswirkung. Den Rahmen dafür gibt aber das Bühnenbild.
Alle diese Forderungen zu erfüllen, ist zwar nicht leicht, aber immerhin möglich. Entscheidend erst fällt ins Gewicht, daß Bühnengestaltung lebendige Verkörperung des Stückes und seiner Geistigkeit sein muß.
So ergibt sich eine Addition von Schwierigkeiten aller Art, so müssen oftmals Forderungen technischer, wirtschaftlicher, organisatorischer, künstlerischer, erziehlicher und geistiger Art verschmolzen werden. Die Synthese zu finden, wird so außerordentlich erschwert. Spielleitung und Theatermaler müssen ein Fülle von Erfahrung, Verantwortung, Situationsbeherrschung und künstlerischer Logik haben.
Herr Gaßner, der künstlerische Beirat am Schlesischen Landestheater, hat sich im Verlauf der drei Spieljahre in diese Verhältnisse eingelebt.
Sinn für folgerichtige Farbigkeit, Erfindungskraft und Gestaltungsvermögen und alle Erlebnismomente für Licht und dessen Ausdrucksfähigkeit, für die Farbe und deren Wirkung, für Fläche, Raum und ihre tiefsten Kompositionsgesetze sind in ihm lebendig. Alle Bühnenbilder dieser Zeit waren aus dem Geist des Stückes intuitiv geschaffen.
Nichts von zersetzender oder grüblerischer, unschöpferischer Art war dieser Arbeit eigen. Im Anfange zwar noch tastend (man kannte Bunzlau und die vom Turnus berührten Städte noch nicht) wurden von Fall zu Fall die Bilder freier von Nebensächlichem. Die künstlerischen Absichten und besprochenen Vorbedingungen flossen zu einem einheitlichen Stil zusammen, der typisch für die Arbeit des Schlesischen Landestheaters und in seiner Einfachheit genial in gleichem Maße erscheint. Manche, und zwar die besten dieser Bilder, waren gestellt durch große, zusammenklappbare Schirmwände mit einem Sperraum von einigen Quadratmetern. Das übrige ein Stuhl, wohl auch ein Tisch, farbige hängende Tuchflächen und Licht dazu, das stark charakterisierte und als formbildende Kraft spürbar wurde.
Vom selben Geiste beherrscht erschienen sie alle die besten Leistungen von Gaßner.
Ganz gleich, ob historisch, spelunkig, naturalistisch, modern oder neusachlich, ganz gleich, ob Schlachtfelder, Kirchen- und Küchenräume, Wirtsstuben, Bahnhöfe und Anstalten, ob südliche oder nördliche Gegenden das Motiv gaben, ob das stück auf nationalem oder internationalem Boden spielte, das Bild im europäischen oder asiatischen Charakter gebaut war, immer band die Tradition der Stileinheit die aus der Erfahrung gefolgerte Wirkung, förderte das große Bühnenbildgeschehen die Spieler zu höchstem Bekenntnis zu ihrer Rolle und ihrer Kraft.
Das aber gibt Tempo!
Offener Brief an Albert Heinemann
Mein verehrter und lieber Albert Heinemann!
Sie wollen mir die Ehre erweisen, in Ihrem Sonderheft „Drei Jahre Schlesisches Landestheater” das Wort nehmen zu dürfen. Nun ist meine Verbindung zu dem von Ihnen geleiteten Institut, über dessen Streben, Wirken und Wachsen ich mit stets wacher Anteilnahme in dankenswerter weise orientiert blieb, ja nur eine ziemlich platonische, wenn Sie mich auch als Märchendichter auf Ihren weltbedeutenden Brettern zu Worte kommen ließen, – um so direkter, lebendiger und herzlicher sind die Beziehungen, die mich mit Ihnen als Künstler, als Organisator, als Kamerad verknüpfen. Und Ihnen, dem Leiter des „Schlesischen Landestheaters”, bei diesem Anlaß ein freundschaftliches Wort ins Stammbuch schreiben zu dürfen, dazu fühle ich mich in der Tat berufen, und das ist mir eine besondere Freude.
Gerade in diesen Tagen habe ich Bernard Shaws charmantes Lustspiel „Kapitän Braßbounds Bekehrung” als Regisseur in der Arbeit; darin heißt es an einer Stelle: „Eine Eskorte ist das, was ihr Führer aus ihr macht.
Wenn ich die Führung übernehme, werde ich Ihre Eskorte sein.” Der Satz scheint mir für den Bühnenleiter zu allen Zeiten und besonders heute symbolhafte Geltung zu haben. Ist eine Bühne, ist eine Schar zielstrebiger, verantwortungsbewusster Künstler nicht eine Art geistig-kultureller „Eskorte” des Publikums in und durch das Dickicht des verworrenen Daseins von heute, in dem es an Dornengestrüpp, tückischen Sümpfen, bösartigen Anfechtungen aller Art doch wahrlich nicht fehlt? Braucht diese Geleittruppe nicht Ernst, Aufopferungsfähigkeit, Beharrlichkeit und Disziplin nach außen und innen, um ihre schwere Aufgabe erfüllen zu können – gerade so, wie eine militärische Truppe? Und braucht sie vor allem nicht einen Führer, der alle ihre Eigenschaften in der Potenz in sich vereinigen muß, um seine „Eskorte” zu dem zu machen, was sie sein soll?!
Wahrlich, auch eine Bühne „ist das, was ihr Führer aus ihr macht”. Und da man den Mann nirgends so restlos an seinen Früchten erkennt, wie gerade beim Theater, so könnte ich mich wohl mit einem Hinweis auf das in drei Jahren notorisch von Ihnen Geschaffene und Geleistete begnügen – es zeugt nicht nur für sich selbst, sonder vor allem für Sie.
Aber wenn man an einer Art Wendepunkt seiner Lebensarbeit steht, wie Sie jetzt, innerlich und äußerlich die Bilanz zieht, ist wohl auch ein wärmeres, menschlich-unmittelbares Wort am Platze.
Viele Jahre lang haben wir kameradschaftlich miteinander künstlerisch gearbeitet und einträchtig am selben Strick gezogen – meist war ich winters Ihr Oberregisseur, Sie sommers mein Direktor. Darüber hinaus aber waren und blieben wir Kameraden, die sich verstanden und schätzten. Wir haben nie viele Worte darüber gemacht. Heute aber darf ich es aussprechen: in den zwanzig Jahren meiner Theaterpraxis habe ich keinen Kollegen gefunden, der diesen erstaunlichen, unbeirrbaren, fanatischen Fleiß, der Sie auszeichnet, mit Ihrer ehrfürchtigen und begeisterten Liebe zur Kunst so verschmelzen wusste! – Das gilt von Ihren starken – mir heut noch lebendig gegenwärtigen – Leistungen als Schauspieler und Regisseur ebenso, wie von Ihrer Direktionstätigkeit. Ordnung und Präzision im Technischen – bluthafte Gefülltheit im Künstlerischen: das ist die Formel, auf die ich Ihr Wesen und Ihre Leistung bringen möchte.
Da konnte der Erfolg, der Ihnen beschieden war, denn freilich nicht ausbleiben.
Ihre Freunde aber, zu denen ich mich rechnen darf, freuen sich dessen von ganzem Herzen! Sie haben die letzte Sprosse Ihres Aufstieges noch lange nicht erreicht. Drei Jahre fruchtbare Arbeit am „Schlesischen Landestheater” liegen hinter Ihnen – mir bleibt nichts übrig, als Ihnen von ganzem Herzen zuzurufen: vivant sequentes!
Seien Sie in alter Verbundenheit herzlichst gegrüßt von Ihrem aufrichtig ergebenen Dr. Curt Elwenspoek.
1. Dramaturg und Spielleiter der Württ. Landestheater, Stuttgart.
19. Mai 1928
Die Aufführungen im Spieljahr 1925 – 26
Das erste Spieljahr währte vom 16. September 1925 bis 30. Mai 1926.
Folgende Werke wurden herausgebracht:
Zahl der Aufführungen
Insgesamt Bunzlau
Klassiker
William Shakespeare Was ihr wollt 9 4
Fr. v. Schiller Kabale und Liebe 4 3
G. E. Lessing Minna von Barnhelm 4 4
Friedr. Hebbel Maria Magdalena 6 2
Moliére Tartüff 16 6
Ldwg. Anzengruber G’wissenswurm 5 4
Moderne Werke
Henrik Ibsen Rosmersholm 16 3
Ludwig Thoma Kleine Verwandten
Ludwig Thoma Brautschau 14 4
Ludwig Thoma Lottchens Geburtstag
Romain Rolland Ein Spiel
von Tod und Liebe 7 3
Max Halbe Strom 9 3
Klabund Kreidekreis 20 7
Ortner Michael
Hundertpfund 5 2
August Strindberg Rausch 5 3
Oskar Wilde Florentinische
Tragödie 4 2
Artur Schnitzler 1. Gefährten, 2. Literatur
Gerhart Hauptmann Elga 3 3
Lustspiele
Heinrich Ilgenstein Liebfrauenmilch 12 3
Rösler Fünf Frankfurter 12 4
Franz u.
Paul Schönthan Raub d. Sabinerinnen 9 4
Hans Sturm Irrgarten der Liebe 9 4
H. Sturm
und M. Färber Extemporale 3 2
Walter Harlan Jahrmarkt in Pulsnitz 13 5
Presber und Stein Kreuzfeuer 4 3
Karl Laufs Pension Schöller 3 3
Heinrich Römer Tapfere Schneiderlein 5 5
Von 197 Vorstellungen wurden gespielt in:
Bunzlau 86 Waldenburg 2
Grünberg 14 Obernigk 2
Neusalz 10 Trebnitz 2
Fraustadt 10 Guhrua 2
Sprottau 9 Görlitz 1
Reichenbach 9 Hirschberg 1
Nimptsch 9 Habelschwerdt 1
Groß-Wartenberg 8 Haynau 1
Schmiedeberg 7 Sagan 1
Striegau 6 Beuthen a. d. Oder 1
Freiburg 5 Krossen a. d. Oder 1
Neumarkt 5 Freystadt 1
Neurode 5
Die Aufführungen
im Spieljahr 1926 – 1927
Das zweite Spieljahr währte vom 1. September 1926 bis 31. Mai 1927.
Folgende Werke wurden aufgeführt
Zahl der Aufführungen
Insgesamt Bunzlau
Klassiker
Fr. v. Schiller Maria Stuart 7 3
W. v. Goethe Iphigenie 4 2
W. v. Goethe Faust 10 4
Friedrich Hebbel Gyges und sein Ring 11 1
Molière Der Geizige 17 4
Moderne Werke
Bernard Shaw Die heilige Johanna 14 5
Bernard Shaw Helden 5 3
Henrik Ibsen Gespenster 9 2
Gerhart Hauptmann Fuhrmann Henschel 5 2
Wilhelm von Scholz Wettlauf
m. d. Schatten 8 2
Gunnar Heiberg Tragödie der Liebe 6 2
Max Mell Apostelspiel
Leo Tolstoi Er ist an allem Schuld 12 3
Jules Romains Der Diktator 10 4
Lustspiele
H. Sturm
u. M. Färber Extemporale 15 3
Blumenthal
u. Kadelburg Im weißen Rössl 5 4
Müller-Schlöser Schneider Wibbel 16 3
Hermann Bahr Das Prinzip 19 5
Curt Elwenspock Hans Unverzagt 6 5
Ludwig Fulda Gegenkandidaten 8 7
Ludwig Thoma Lokalbahn
u. 1. Klasse 7 4
Rehfisch Wer weint
um Juckenack 5 3
Georg Kaiser Der mutige Seefahrer 10 4
Von 219 Vorstellung wurden gespielt in:
Bunzlau 75 Hirschberg 6
Grünberg 18 Freystadt 5
Neusalz 18 Haynau 4
Sagan 10 Habelschwerdt 2
Oels 10 Freiburg 1
Sprottau 9 Guhrau 1
Neumarkt 9 Neurode 1
Schmiedeberg 8 Festenberg 1
Fraustadt 8 Bolkenhain 1
Groß-Wartenberg 8 Oberleschen 1
Reichenbach 7 Krossen 1
Nimptsch 7 Züllichau 1
Striegau 6 Rauscha 1
Die Aufführungen
im Spieljahr 1927 – 28
Das dritte Spieljahr währte vom 1. September 1927 bis 20. Juni 1928.
Folgende Werke wurden aufgeführt:
Zahl der
Aufführungen
Insgesamt Bunzlau
Klassiker
Heinrich von Kleist Prinz
von Homburg 13 3
B. Jonson
u. St. Zweig Volpone 14 4
Moderne Werke
Henrik Ibsen Hedda Gabler 12 2
Bruno Frank Zwölftausend 20 3
Max Mohr Ramper 5 34
Wilhelm Schmidtbonn
Der Geschlagene 10 3
Alfred Neumann Der Patriot 15 3
Bernard Shaw Zinsen 10 3
Henrik Ibsen Die Wildente 4 3
W. S. Maugham Constanze 10 4
Lustspiele
Franz Molnar Spiel im Schloß 23 6
Ludwig Thoma Moral 24 6
Julius Berstl Dover-Calais 22 5
Fr. U. P. v. Schönthan Raub
der Sabinerinnen 13 3
Heinrich Ilgenstein Skandal um Olly 9 4
Frantisek Langer Das Kamel geht
durch das
Nadelöhr 18 5
Von 220 Vorstellungen wurden gespielt in:
Bunzlau 56 Haynau 6
Grünberg 13 Freystadt 7
Neusalz 19 Schreiberhau 7
Sagan 13 Rauscha 5
Lauban 11 Fraustadt 3
Sprottau 10 Nimptsch 3
Neumarkt 9 Groß-Wartenberg 3
Reichenbach 9 Kotzenau 4
Oels 9 Petersdorf 2
Schmiedeberg 8 Primkenau 1
Langenbielau 9 Trebnitz 2
Striegau 8 Flinsberg 3