Die Erbauung der evangelischen Kirche in Bunzlau 1752 – 1756

Veröffentlicht von Milan Koncz am

Von Artur Schiller. Erstveröffentlichung im „Bunzlauer Stadtblatt“ 1931.

Herr, ich habe dich lieb die Stätte Deines Hauses und

den Ort, da DEine Ehre wohnet.             Psalm 26,8.

Von einem Portale unseres evangelischen Gotteshauses schaut uns die kurzgefaßte Baugeschichte desselben in einem lateinische, von Bürgermeister Verjagt verfaßten Gedichte an, das lautet:

PaX InstrVXIt, Vasta VbI prInCIpIs arX CaDIte, araM,

QVaM fataLIa post beLLa saCrare Deo.

Der Kundige wird bemerken, daß die Zusammenzählung der hervorgehobenen Zahlbuchstaben für die erste Zeile das Jahr der Grundsteinlegung 1752, für die zweite das der Fertigstellung 1756 ergibt. Der Sinn der Inschrift ist der, daß man an der Stelle der Ruinen der uralten Fürstenburg bei friedlicher Zeit nun Gott einen Altar geweiht hat.

Zählen wir zu 1756 die Zahl 175 hinzu, so werden wir inne, daß die Gemeinde Bunzlau heute am ersten Adventsonntag 1931 das Glück hat, eine eigene Kirche zu besitzen, seit einhundertfünfunsiebzig Jahren! Wir wollen diesen Gedenktag feiern, nicht mit lautem Jubel und Gepränge, denn die Zeit ist schwer, aber mit innerer Erhebung, mit Dank an Gott und mit Dankbarkeit an Friedrich den Großen, der unseren Vätern nach 90jähriger Passionszeit, seitdem der letzte hiesige Geistliche, Severinus Mergo, am 16. Februar 1651 vertrieben war, von seinem Kriegslager in Rauschwitz bei Glogau aus im Jahre 1741 die Religionsfreiheit und wieder einen Pfarrer schenkte.

Um uns die Lage und die Denkungsart der damaligen Zeit so recht vor Augen zu führen, nehmen wir ein altes, in einfaches braunes Leder gebundenes Foliobuch der Pfarre vor, das die Inschrift trägt:

„Begräbniß-Buch der Kirche A. C. (=Augsburgischer Confession)

in Bunzlau. MDCCXL (= 1740) J. M.

Der Inhalt des Buches hält nicht das, was es verspricht, für uns gibt es heute darin aber etwas viel Wichtigeres, eine von altertümlicher Hand, vielleicht von der des Kirchenvorstehers Dr. Kitzing, geschriebenen Geschichte der Bunzlauer Gemeinde von 1741 – 48. Ein späterer Geistlicher, Pastor Lindner, gest. am 9. November 1880 und hier begraben, hat die leeren Blätter zu kurzen Lebensbeschreibungen der hiesigen Pastoren benutzt. Auch eine Anzahl Urkunden sind in das Buch eingefügt. In einer derselben von 1757 wird der Platz bei den Schloßruinen als „Weinberg“ bezeichnet. Ja, ein rechter Weinberg ist daraus geworden!

Lassen wir nun das Buch sprechen:

„Im Namen der Allerh. Dreifaltigkeit! Amen!

Anno 1741 den 14. Februar, als Ihre Majestät, der König von Preußen, nach Einrückung der Truppen in Schlesien eine ziemliche Anzahl evang. Prediger denen Gemeinden zugeschicket, traf obig gesetzten Dato die Reihe, einen Prediger zu bekommen, auch unser Buntzlau. Es waren bereits vor 12 bis 14 Tagen vorher zwei Bürger, der eine Koch, Schüller genannt, der andre ein Kirschner, Israel Liebner, ohne es jemand von ihren Mitbürgern zu sagen, bei Glogau ind as Preußische Lager gereiset, um bei Ihro Durchlaucht dem Printz Maximilian Leopold von Dessau diesfalls zu solicitiren, da dann ihnen sogleich versprochen worden. Nachhero haben sich einige Geschworene mit Einwilligung der sämtlichen Bürgerschaft und da Es ein hochedler und wohlweiser Magistrat nicht hat hindern wollen, noch können, auch auf den Weg gemacht, eben dieses zu suchen, was obgedachten 2 Bürgern bereit versprochen worden, deswegen ihr wiederholtes Gesuch als bekannt angenommen wurde.

Und wie der Prediger denen Gemeinden zeithero durchs Los zugefallen, so traf selbiges auf Buntzlau Herrn Förstern. Nachdem aber der Herr von Tschesch, Landesältesten im Saganschen, den Herrn Ambrosius Ferdinand Jaerschky gerne nach Buntzlau geholfen, intercedirte er diesfalls bei dem Prinzen vor ihn, da dann eine Abänderung getroffen wurde, und obgedachter Herr Jaerschky, der sonst der ev. Gemeinde in Neusalz zugedacht war, in fine uns zu teil wurde.

Dieser ist ein geborener Saganer, und war dahin vermocht worden, sich im Lager bei Glogau von dem dasigen Feldprediger Abel examiniren und ordiniren zu lassen. Ihn nachhero aus Sagan abzuholen, reiseten die 3 Herren Geschworenen George Gottlob Bufe, Gottfried Heinrich und  Johann Christoph Jencke en Compagnie dahin und brachten ihn obgedachten Dato den 14. Februar 1741 gegen Abend anhero.

Den 15. Februar verfügte sich unser neuer Herr Pfarr unter Begleitung obiger dreier Herren Geschworenen zu dem Herrn Bürgermeister (S. J. Müller), wo die anderen Herren des Rats in Corpore beisammen waren, um seine ihm mitgegebene Instruktion bekannt zu machen, welche folgenden Inhalts war:

Auf Sr. Majestät in Preußen Allergnädigsten Befehl soll der Prediger Ambrosius Ferdinand Jaerschky in der Stadt Buntzlau und denen da herum liegenden Dörfern in großen Sälen und Gemächern den Gottesdienst halten, auch alle Actus ministeriales verrichten, übrigens aber denen Catolischen keinen Eingriff tun, wonach sich ein Jeder, weß Standes er sei, zu achten hat.

Gegeben im Hauptquartier zu Rauschwitz den 9. Februar Anno 1741

Sr. Kgl. Maj. in Preußen Generallieutenant und Commandeur

des zweiten Corps der Armee von Glogau.

(gez.) Leopold Max von Anhalt.

Man hat bei dieser Gelegenheit den Rat, der sich auch ganz freundlich bezeiget, angegangen, den großen Saal auf dem Rathause zu dem öffentlichen Gottesdienste zu erlauben. Als sie aber nichts Positives geantwortet, Stilleschweigen aber auch eine Antwort ist, so wurde auf unserer Seiten noch am gedachten Tage Possession davon genommen, die Zimmerleute wurden angewiesen, den Platz (den bisherigen Schuhmacher- und Kürschnerboden, dort wo jetzt das städtische Wohlfahrtsamt ist) nicht nur zu dielen, sondern auch andere benötigte Anstalten zu machen, wie sie denn in noch nicht 2 Tagen den Platz gedielt und mit Zuziehung  derer Tischler die Cantzel, Altar, Bänke pp. verfertigt und mit viel Emsigkeit und Freude besorget haben. Die übrige Bürgerschaft hatte von ihren Leuten Handlänger und Mitarbeiter geschickt.

Den 19. Februar 1741, als dem Sonntag Invocavit, wurde am ersten Male öffentlicher Gottesdienst abgehalten auf dem Rathause, dahin der Herr Pfarr aus seinem Logis von den Herrn Kirchenvorstehern (unter denen der Dr. med. Kitzing besonders hervorzuheben) und Herren Geschworenen in Mänteln (große blautuchene Radmäntel waren damals die Festtracht) begleitet wurde. Die Versammlung bestand aus vielen Tausenden, und der Herr Pfarr ließ sich mit allgemeinem Applause wohl hören.“

Am 2. März wurden in dem Kirchensaale Emporen angebracht, da nicht alle Kirchgänger Platz hatten.

Die Einzelheiten der Organisation des Gottesdienstes und der Gemeinde können wir füglich übergehen. Bemerkt sei, daß natürlich ein Kantor und Lehrer Namens Fiebig angestellt wurde. Pastor Jaerschky hatte ein Arbeitspensum, das für einen einzelnen Mann zu schwer war, ja ihn förmlich erdrückte. Er meinte, er könne in dieser Stellung nicht länger bleiben, verließ am 22. April die Stadt und begab sich zu Fuß nach Siegersdorf, von wo aus er nach Waldau fuhr. In einem zurückgelassenen Briefe flehte er die Gemeinde um Verzeihung an. Dieses Vorkommnis erzeugte in der Gemeinde große Aufregung. Glücklicherweise hatte sich aber Jaerscky bald anders besonnen und kehrte nach einiger Zeit wieder nach Bunzlau zurück, übernahm auch seine Amtsgeschäfte wieder.

Die Sache war aber an die Behörde gemeldet worden. Infolgedessen traf umgehend in Bunzlau eine Ordre des Feldkriegskommissariats zu Breslau vom 24. April 1741 ein, wonach anstelle des entwichenen Pastors Jaerschky der in Hertwigswaldau bei Sagen bestellte Pastor Schirmer vom 30. April für Bunzlau bestimmt wurde. Am 29. April machte die Gemeinde der Behörde den Vorschlag, ob nicht beide Geistliche in Bunzlau bleiben könnten, da die Gemeinde zu groß sei. Für den Unterhalt beider Herren werde gesorgt werden. Unterm 2. Mai 1741 wurde dieser Bitte stattgegeben.

Seitdem hat die evangelische Gemeinde stets zwei Pfarrer gehabt.

Pastor Schirmer starb leider schon am 9. Februar 1747. An seine Stelle wurde der am 31. Mai 1725 in Friedrichsfelde bei Berlin geborene Ernst Gottlieb Woltersdorf gewählt, ein sanftmütiger Mann, aber ein gewaltiger Gottesstreiter, weit bekannt durch seine Rednergabe und seine glaubenstreuen Lieder (Von seinen Kirchenliedern zieren noch 6: Nr. 143, 202, 211, 224, 271 und 290 unser Gesangbuch), deren er wohl an 600 gedichtet hat.

Er sollte ein Segen für die Gemeinde und für das von Zahn gegründete Waisenhaus werden, dessen Direktor er im Nebenamte war. Am 20. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1748 hielt er hier seine Antrittspredigt.

Diesen beiden Pastoren, Jaerschky und Woltersdorf, war es beschieden, die Bunzlauer Kirche zu bauen.

Zehn Jahre fleißigen Wirkens und Strebens hatten die Kirchgemeinde gefördert und gestärkt. Der provisorische Saal des Rathauses genügte schon lange nicht mehr den Anforderungen. Manche Projekte mögen gemacht und wieder verworfen worden sein, wie und auf welcher Stelle man ein Gotteshaus erbauen solle. Wie aus Theodor Fontanes „Wanderungen durch die Mark“ (Bd. IV, S. 155 fg.) hervorgeht, hatten die Woltersdorfs gute Beziehungen mit den höchsten Behörden. So mag es wohl ein Verdienst unseres Woltersdorf gewesen sein, daß er auf die Idee kam, die Ruine des alten Schlosses zum Kirchbau zu benutzen und die Regierung auf diesen Plan aufmerksam zu machen. Genug, der König schenkte 1752 „das hiesige alte, verfallene Schloß mit allen seinen Ruinen, auch den ganzen (früher viel größeren) Schloßplatz der Bunzlauer ev. Bürgerschaft zur Erbauung einer ev. Kirche, Schule und Predigerwohnung allermildiglichst.“

Die betr. Kabinettsordre ist z. Zt. nicht auffindbar. Pastor prim. Kretschmar berichtet am 21. Dezember 1880 dem hiesigen Magistrat, daß er diese Urkunden mehrmals gesehen und gelesen habe, sie aber nicht finden könne. Vorhanden ist noch eine Order der Kriegs- und Domänenkammer zu Glogau vom 11. Juni 1757, die auf diese Schenkung ausdrücklich Bezug nimmt.

Die Gemeinde ging nun eifrig ans Werk. Den Bauplan der Kirche hat der Meister Gottl. Liebelt aus Raudten verfertigt. Geprüft wurde er von dem Oberbaudirektor Hedemann. Der Erstere baute nur 1752 an der Kirche. Eine kurze Zeit war auch der Waisenhausgründer Maurermeister Gottfried Zahn bei dem Werke beschäftigt.

Der eigentliche Kirchenerbauer war aber Georg Andreas Tunkel. Dieser hatte auch die Leitung bei Freilegung des Bauplatzes unter sich gehabt.

Über einen Grundriß des alten Schlosses, den ein Ratmann Bernard am 16. November 1744 aufgenommen hat, berichtet Wernicke S. 491. Wernicke hat den Plan, der jetzt nicht mehr da ist, also anscheinend noch gesehen. Einigermaßen orientieren kann man sich über die Situation nach einem im Museum aufgefundenen, undatierten Stadtplan, der dort, wo später das Pastorhaus erbaut wurde, die Lutherische Kirche vermerkt. Also datiert dieser Plan sicher vor 1752, und man hatte zunächst die Absicht, dort die Kirche hinzubauen, ehe die Schloßruine geschenkt wurde.

Bezeichnet hat man die Front der Kirche, wo jetzt die Orgel steht, mit Nord, so ist zuvörderst zu bemerken, daß in neuerer Zeit, wie auch das niedrigere Dach erkennen läßt, die Kirche nach Norden zu ein Stück verlängert worden ist. Dies vorausgeschickt, würdigen wir die Angaben Wernickes, daß die Nord- und Westwand der Kirche auf den Grundmauern desjenigen Teiles der Burg stehen, die der Bernardsche Grundriß bezeichnet als „Korridor zur Kommunikation des ganzen Umfangs vom Schlosse, da nur der halbe Teilt (scilicet gegen Süden und Südosten) angebaut gewesen“. Die Feststellung alter Bauzustände ist immer eine schwierige Sache.

Man stellt Kirchen mit dem Altar gern gegen Osten (ex oriente lux, Licht aus dem Osten). Dies war leider bei unserer Kirche nicht angängig, da die Hauptachse Norden–Süden gegeben war. Am Mittwoch, den 28. Juni 1752, vormittag um 9 Uhr wurde schon der Grundstein gelegt. Wo er sich befindet, wissen wir nicht. Der „Plan, was bei Legung des Grundsteines zur Evangelischen Kirche in Buntzlau verhandelt werden soll“, ist noch in Urschrift als Beilage in dem erwähnten „Begräbnißbuche“ enthalten. Zunächst hielt Pastor Jaerschky eine Rede. Darauf legte der Bürgermeister Giese den ersten Grundstein mit den Worten:

„Im Namen Sr. Kgl. Majestät und im Namen des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes.“

Den zweiten Grundstein legte der Prokonsul Koehler im Namen einer Kgl. Hochpreisliche Krieges- und Domänenkammern, den dritten Ratmann Geiger im Namen der evangelischen Bürgerschaft, worauf Woltersdorf über Jesaia 58, B. 11 und 12 predigte. Das Nähere ist bei Wernicke S. 492/3 geschildert. Selbstverständlich fand hinter der Feier ein „Traktament“ statt, wobei die Herrschaften von Rothlach, Groß-Krauschen und Warthau und die Geistlichen von Warthau und Tillendorf eingeladen worden waren. Auch die 48 Jüngsten, die früh von 7 Uhr an den Platz abgesperrt hatten, wurden nicht vergessen. Der Bau des Gotteshauses ging nun doch nicht so schnell vonstatten, wie man erhofft hatte.

Unruhe war noch genug in der für Preußen neugewonnenen Provinz. Entgegen der zuversichtlichen Behauptung in dem Verjagtschen Verse am Kirchportal war schon am 28. August 1756 ein neuer Krieg (der Siebenjährige) ausgebrochen. Die Gemeinde lernte auch die Wahrheit des Satzes, daß zum Bauen Geld gehört, kennen. Eine Einnahme-Rechnung über den Kirchenbau, beginnend 1751, weißt viele Beispiele von Aufopferung auf.

So stiftete ein Wanderbursche 16 Sgr. 8 Pf. Der Hammermeister Gießel in „Lortzendorf“ (Lorenzdorf) schenkte 1 Zentner Eisen. Der Glöckner Fiedler brachte 15 Sgr., die ihm ein Unbekannter in die Hand gedrückt hatte. Auch Baron von Bibran spendete 3 Zentner Eisen. Die Evangelischen von Krauschen und Looswitz, die sich zum Bunzlauer Gottesdienste hielten, baten, bei der Hebung des Daches mit Handdiensten  zu Hilfe kommen zu dürfen. Herr v. Seydlitz gab 10 Taler.

In einem auf der Baustelle angebrachten Gotteskasten fanden sich 171/2 Sgr. Ein Legat Christian Edelmanns ergab 30 Taler. Ein geborener Bunzlauer, Schuhmacher Warker aus Sagan, schickte 1 Taler 10 Sgr. Doch das sind nur einige Beispiele. Eine Kollekte im übrigen Schlesien ergab 349 Taler.

Die Gesamteinnahmen betrugen 5953 Taler 17 Sgr. 1 Pf. Die Ausgaben nach einem noch vorhandenen Ausgabebuch 5933 16 Sgr. 3 Pf. Also blieben, da der Silbergroschen damals 12 Pfennige hatte, noch 10 Pfennig übrig und keine Schulden. Man hatte gut Haus gehalten. Die Stadt schenkte das Bauholz und den Lehm zu den nötigen Ziegeln. Die Hauptabrechnung der Ausgaben möge hier beigefügt werden:

01. Baugeräthschaft                                      38 Taler  18 Sgr.  2 Pf.

02. Handlanger                                            770 Taler  20 Sgr.  2 Pf.

03. Maurer                                                  1400 Taler  22 Sgr.  5 Pf.

04. Ziegeln und Dachsteine                         58 Taler  22 Sgr.  3 Pf.

05. Kalk, Gips, Lehm                                   699 Taler  17 Sgr.  8 Pf.

06. Zimmerarbeit                                        611 Taler  12 Sgr.  2 Pf.

07. Schmiedearbeit                                     504 Taler  07 Sgr.  6 Pf.

08. Latten und Bretter                               263 Taler  22 Sgr.  3 Pf.

09. Tischler                                                    369Taler  06 Sgr.  3 Pf.

10. Schlosser                                                   62 Taler  29 Sgr.  6 Pf.

11. Glaser                                                      168 Taler  — Sgr.  — Pf.

12. Steinmetzen                                        0365 Taler  26 Sgr.  3 Pf.

13. Insgemein                                               639 Taler  21 Sgr.  8 Pf.

Summe der Ausgaben                              5933 Taler  16 Sgr.  3 Pf.

Als Zimmermeister war Hans George Röhricht beteiligt, als Schmied der Stadtschmiedemeister Gottfried Nitsche; die Glaserarbeiten leistete Joh. Gottlob Müller. Der Steinmetz Thomas Prachoffsky (Prachowsky), wohl ein Sohn des Wenzel P., der das Schmuckportal am Ausgange der Blüchergasse geschaffen hat, leistete von 1754 bis 1757 treue Dienste. Von ihm und seinen Leuten rühren also die interessanten Steinmetzzeichen her, die an den Kirchenportalen eingegraben sind.

Endlich war auch die innere Einrichtung und Ausschmückung der Kirche notdürftig fertig, zu welchem Ende übrigens später noch gar manches geschehen mußte, namentlich durch Aufrichtung des Altars mit der anfänglich wohl für ihn nicht bestimmten zierlichen Kanzel, auch das Orgelwerk.

Der Orgelbauer Glogner und Tischler Wielsch übertrugen die alte Orgel vom bisherigen Betsaale in das neue Gotteshaus. Es geht die Rede, die Orgel sei anfänglich über dem Altare auf der Empore aufgestellt gewesen, doch berichten unsere Quellen darüber nichts. Es konnte nun zur Einweihung des einfachen aber soliden Bauwerks, das ein redendes Denkmal opferfreudigen, kirchlichen Sinnes unserer Väter ist, geschritten werden. Lassen wir über den Verlauf der Einweihungsfeier dem Pastor Hermann Meisner (1834 – 1856) das Wort, der anläßlich der Säkularfeier 1856 eine „Kurze Geschichte der ev. Kirchengemeinde von Bunzlau“ geschrieben hat. Hierbei ist zu bemerken, das von der Hand Hellfried Dahlmanns, eines Sohnes unseres verehrten Herrn Superintendenten, auch eine handschriftliche „Geschichte der ev. Kirche zu Bunzlau“ vorliegt, die uns manches Material bietet.

Am ersten Adventsonntage des verhängnisvollen Jahres 1756, dem 28. November, war es, daß die ganze Stadt- und Landgemeinde, jede Zunft an einem besonderen Ort, sich früh 8 Uhr versammelte, das Magistratskollegium in der Wohnung des hier ad interim (inzwischen) dirigierenden Bürgermeisters Chr. Gottfr. Verjagt (1756 – 1788), Geistliche und Lehrerschaft in der Wohnung eines der beiden Gesitlichen, auf der Zollstraße, die Zünfte bei ihren Aeltesten. Um 8 Uhr begannen die Glocken der Katholischen Pfarrkirche, die bis 1835, bis zur Erbauung es eigenen Glockenturmes, solche Dienste leisteten, mit hellem Klang zu läuten.

Nun ging ein jedes „Korpus“ in Prozession von seinem Versammlungsort in den alten Betsaal. Woltersdorf kollektierte auf dem Platze, wo der Altar gestanden, mit dem Angesichte gegen die Gemeinde gewendet und dankte im Gebete dem grundgütigen Gott für alle hier genossene Gnade demütigst, flehte um Vergebung der Sünden der Gemeinde und um den letzten Seen in dieser Stunde. Hierauf betrat Jaerschky nach einem Dankliede die alte Kanzel und hielt über den Text Psalm 9,2 (Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle alle deine Wunder) die Abschiedspredigt.

Man merkte besonders im zweiten Teile eine große Bewegung. Es flossen viele Tränen der Rührung.

Dann ging die Prozession über den Markt, die Zoll- und Große Kirchstraße in das neue Bethaus. Voran schritt die Mägdleinschule, das Waisenhaus und die Stadtschule. Sodann kamen die Kirchenbedienten mit den Kirchengefäßen. Hierauf die Geistlichen. Es folgte das Magistratskollegium, dem ein Ratsdiener die Kirchenschlüssel voran trug. Dem Magistrat folgten die Zünfte und die übrige Stadt- und Landgemeinde.

Die Prozession geschah unter Zusammenlauf einer großen Volksmenge, mit innerer Bewegung unter Absingen des Liedes: „Sei Lob und Ehr‘ dem höchsten Gut pp.“. An den Kirchtüren hielt Verjagt eine wegen der Kälte und des Schneegestöbers abgekürzte Anrede, öffnete im Namen der Allerheiligsten Dreieinigkeit, im Namen Sr. Kgl. Majestät, wie auch im Namen der ev. Bürgerschaft die Pforte und übergab die Schlüssel den beiden Predigern mit den Worten:

„Ihnen übergebe ich nun im Namen Gottes die Schlüssel zu diesem Hause, bei dem Sie Ihr Oberhirte Jesus Christus zu Hirten und Wächtern der Gemeinde bestellt hat. Er lasse Sie in Treue und Segen arbeiten!“

Hierauf trat Hauptmann von Rosson, der tags zuvor mit einem Kommando des Mütschekallischen Regiments in Bunzlau einmarschiert war, herzu und wünschte allen Segen mit den Worten:

„Wir wollen Ihnen Ruhe schaffen mit Gottes Beistand!“

Mit einer Intrade der Pauken und Trompeten drang nun alles in die Kirche. Beide Geistlichen knieten auf den Stufen des Altars nieder und blieben auf den Knien liegen, solange der Gesang „Kyrie! Gott Vater in Ewigkeit“ ertönte.

Jaerschky ministrierte, intonierte das Gloria und verlas die Epistel. Eine kurze Kirchenmusik folgte, worauf das Evangelium gelesen, der Glaube gesungen und von Woltersdorf die Einweihungspredigt über das Evangelium des ersten Advents (Matth. 21, 1–9) mit gewohnter Kraft gehalten wurde.

Die Predigt ist damals im Druck erschienen. Sie ist anläßlich der Jahrhundertfeier neu aufgelegt worden. Die Brüdergemeine Gnadenberg hat diese Neuauflage der ev. Gemeinde Bunzlau zum Geschenk gemacht.

Man kann diese einzig schöne Predigt noch jetzt nicht ohne Ergriffenheit lesen. Es muß einen gewaltigen Eindruck ausgelöst haben, als Woltersdorf nach Schilderung des Einzugs des Königs der Ehren in Jerusalem mit den Worten auf die Knie sank und mit ihm die ganze riesige Festgemeinde:

„Damit aber von allen diesen und vorher ausgesprochenen Wünschen keiner verraucht, der nicht sogleich vor Gottes Angesicht gebracht werde: So lasset uns diesen Augenblick alles zusammen fassen und mit  IHM selbst reden. Vermutlich ist Ers wert, daß wir Alle uns auf unsre Knie werfen und so vor Ihm beten.“

Ja, Woltersdorf war ein Pietist, aber in des Wortes edelster Bedeutung. Es ist viel über ihn und seine Lehre geschrieben worden, so von Dr. K. F. R. Schneider, von Dr. Wernicke und in neuester Zeit besonders von Johannes Giffey: „E. G. Woltersdorf, ein ev. Sänger und Seelsorger“, Barmen 1925.

Die Nachmittagspredigt der Kirchweih über die epistologische Perikope (Römer 13, 11–14) hielt Jaerschky unter großer Erbauung.

Ein vielbemerkter, als gutes Omen aufgefaßter Zufall war, daß der Einzug der Prozession bei heftigem Schneesturm erfolgten, bei Beginn der Woltersdorfschen Predigt aber das helle, luftige Gotteshaus mit plötzlich eintretendem strahlenden Sonnenschein erfüllt wurde.

Nach soviel Erbauung  war es ein großer Schlag für die Gemeinde, daß ihr im Dezember 1761 binnen wenigen Tagen beide lieben Geistliche durch den Tod geraubt wurden: am 13. Dezember starb zuerst Jaerschky, und 4 Tage später am 17. Dezember Woltersdorf. Beide ruhen auf dem hiesigen Friedhof; 2 zierliche Pyramiden, gleich vorn beim Haupteingange, bezeichnen  ihre Ruhestätte.

Im Jahre 1770 konnte das neue Pfarrhaus bezogen werden. 1790/91 wurde die Friedhofskapelle gebaut. Die Schule wurde nicht, wie anfänglich beabsichtigt, gegenüber dem Pfarrhause gebaut, sondern es wurde dazu das vom König Friedrich III. 1811 geschenkte Dominikanerkloster umgebaut.

Im Jahre 1813 drohte der Kirche die Gefahr, von den Franzosen zur Errichtung einer Schanze eingerissen zu werden. Es gelang aber, dieses Unheil durch herzliches Bitten abzuwenden.

Bei der 25jährigen Jubelfeier der ersten Städteordnung 1833 stellte der Stadtverordnetenvorsteher Kaufmann Kaulisch, den Gefühlen der gesamten Gemeinde nachkommend, den Antrag, der Kirche einen Glockenturm vorzubauen, der einstimmig angenommen wurde. Am 26. April 1834 erfolgte, wie unten am Turm zu lesen ist, die Grundsteinlegung.

Ende 1835 war dieser Turm fertig. In der Neujahrsnacht 1836 erscholl zum ersten Male das von Pühler in Gnadenberg gegossene schöne Geläut im Es-Dur-Akkorde.

Während des Weltkrieges wurden 2 Glocken abgeliefert. Advent 1927 konnten die neuen Glocken mit der zurückgebliebenen alten ihre Stimmen erschallen lassen.

Der Erbauer des Turmes war Maurermeister Senator Engelhard Gansel. Die Zimmerarbeiten hatte Zimmermeister Röhricht geleistet. Der aus Sandstein gebaute Turm ist 73,44 m hoch. Die Baukosten betrugen 16667 Taler; bei den unentgeltlich geleisteten Hand- und Spanndiensten beteiligten sich auch nicht eingepfarrte Dorfschaften. Die 62 Zentner schweren Glocken kosteten 3328 Taler.

Allgemeinen Beifall findet der neuerliche künstlerische Ausbau des Turmvorraumes zu einer Gedächtnishalle für die Helden des Weltkrieges nach einem Entwurfe von Grunwald.

Hoffentlich wird beim 200jährigen Jubiläum der Kirche der Tiefstand der materiellen Verhältnisse soweit behoben sein, daß man an der Westseite der Kirche anstelle der alten Futtermauer eine breite Terrasse errichten kann, wodurch sich die Kirche von dieser Seite herrlich präsentieren würde.

Möge das heute neu beginnende Kirchenjahr erfüllt sein von den Strahlen der Gnade, die in dem heutigen Festtage ihren Ursprung haben.

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